Das Pflanzen beispielsweise Insekten anlocken, um sich bestäuben zu lassen, ist ja allgemein bekannt (ansonsten lasst euch das mit den Bienen und den Blümchen nochmal erklären…). Aber nicht alle Pflanzen sind mit Insekten liiert. Beispielsweise gibt es die Kannenpflanzen, die große Trichter haben, mit denen sie auch Tiere fangen können.

Eine solche Kannenpflanze ist Nepenthes hemsleyana. Sie fängt nicht nur Tiere (z.B. Insekten) in ihrem Trichter, sondern hat noch einen zweiten Trick auf Lager, um an zusätzliche Nährstoffe zu kommen – denn darum geht es den “fleischfressenden” Pflanzen ja typischerweise. Stickstoff ist für Kannenpflanzen ein wichtiger Nährstoff, und an den heranzukommen ist eben nicht leicht.

Stickstoff gibt es zwar in der Luft, aber nur wenige Pflanzen können ihn daraus extrahieren, weil die Dreifach-Bindung im Stickstoff schwer zu knacken ist. (Technisch macht man das mit dem berühmten Haber-Bosch-Verfahren.) In leicht verwertbarer Form findet man Stickstoff beispielsweise auch in Dünger (deswegen ist es ja Dünger) und als natürlichen Dünger verwendet man ja auch als Mensch gern das, was bei Tieren als Verdauungsprodukt am Ende so rauskommt.

Nun kann eine Kannenpflanze weder zum nächsten Gartencenter gehen und sich dort ihren Stickstoffdünger kaufen, noch kann sie einem Tier hinterherlaufen und dessen Hinterlassenschaft einsammeln. Wenn also die Kannenpflanze nicht zum Tier kommt, dann muss das Tier zur Kannenpflanze, und zwar so, dass es dort möglichst auch sein Geschäft erledigt. Die Pflanze könnte sich also vielleicht eine blaue Farbe zulegen und groß “00” auf der Außenseite stehen haben – aber das ist ein Signal, das Tieren nicht so vertraut ist, und die meisten Tiere haben eh kein Problem damit, ihr Geschäft da zu erledigen, wo sie gerade sind und egal, wer dabei zuguckt.

Um trotzdem an die wertvolle Hinterlassenschaft von Tieren zu kommen, muss die Pflanze ihre Partnertiere also dazu bringen, einfach möglichst lange bei der Pflanze zu bleiben – dann wird früher oder später auch schon was abfallen. Entsprechend haben die Pflanzen eine Beziehung mit Fledermäusen ausgebildet. Fledermäuse lassen sich innerhalb der Kannen nieder und schlafen dort – und dabei fallen eben entsprechende Nebenprodukte an. Die Fledermäuse profitieren von einem sicheren Schlafplatz und die Pflanzen vom Stickstoffdünger – ein klassischer Fall von “Mutualismus”, also einer Beziehung zu beiderseitigem Nutzen (die Begrifflichkeit Mutualismus/Symbiose ist ein bisschen kompliziert und im Deutschen und Englischen etwas unterschiedlich – Wikipedia weiß mehr, aber ich mache mir heute um diese Feinheiten keine Gedanken.)

Stellt sich nur die Frage, wie die Fledermäuse die Hauspflanzen im dichten Urwald finden sollen – übersichtlich ist so ein Dschungel ja meistens nicht. Um es den Fledermäusen leichter zu machen, haben die Kannenpflanzen deshalb ihre Blüte so umgebaut, dass sie ein besonders gutes Echo-Signal abgibt, das die Fledermäuse leicht finden können. Die hierzu veröffentlichte Arbeit hat dazu einen schönen graphischen Abstract, der das wichtigste in einem Bild sagt:

mutualism1

Aus Schöner et al., s.u.

Um die Wirkung der Echo-Struktur zu prüfen und zu sehen, ob sie tatsächlich funktioniert, haben sich die Forscherinnen mehrere Versuche ausgedacht. Zunächst mal haben sie einfach gemessen, welches Echo-Signal unter unterschiedlichen Winkeln zurückkommt. Und weil man ja keine DIN- oder ISO-Norm dafür hat, wie die Schallabstrahlung einer Kannenpflanze zu sein hat, hat man das Echo dieser Pflanze mit dem einer nahe verwandten Art verglichen, die keine Partnerschaft mit Fledermäusen hat. Hier das Ergebnis:

mutualism2

Aus Schöner et al., s.u.

Links seht ihr das Echo der Fledermaus-Pflanze, rechts das der anderen Art. Unter einem Winkel von knapp 30° strahlt die linke Pflanze ein deutliches Echo zurück, die rechte nicht. Bei größerem Winkel fällt das Echo stark ab (weil das Schallsignal sich im Inneren der tiefen “Kanne” verliert), so dass die anfliegende Fledermaus einen guten Schallkontrast hat (so wie wir mit dem Auge hell-dunkel-Kontraste gut sehen können). Hier ein Bild des Echokontrastes (auf der horizontalen Achse der Einfallswinkel, auf der Vertikalen die Frequenz, oben für die Pflanze mit Fledermaus-Partner, unten die “gewöhnliche” Kannenpflanze):

mutualism3

Aus Schöner et al., s.u.

Ihr seht, dass der Kontrast der Fledermaus-Pflanze deutlich größer ist.

Als nächstes wurde die Schallemission der Fledermäuse gemessen. Mit einer Frequenz von knapp 300 Kilohertz ist diese Frequenz selbst für Fledermäuse, die ja alle gern Ultraschall ausstoßen, besonders hoch – da mit steigender Frequenz die Wellenlänge sinkt und das Schallsignal gut fokussiert werden kann, sollten sich mit hoher Frequenz auch die Ortsauflösung verbessern, was im dichten Dschungel sicher praktisch ist.

Aber finden die Fledermäuse die Pflanzen auch wirklich mit dem Echolot? Um das zu prüfen hat man dann noch die Pflanzen manipuliert – es wurden gewöhnliche Pflanzen mit solchen verglichen, bei denen man den Schallreflektor künstlich vergrößert oder ganz entfernt hatte. Mit vergrößertem Reflektor finden die Fledermäuse die Pflanze schneller; fehlt der Reflektor, dann brauchen sie mehr als doppelt so lange, um ihr bequemes Plätzchen zu finden. (Es wurden auch noch ein paar weitere Kontrollexperimente gemacht, um sicherzugehen, dass alles zusammenpasst, aber die beschreibe ich jetzt nicht im einzelnen.)

Anscheinend ist es also tatsächlich so, dass die Kannenpflanzen ihre Blüte so angepasst haben, dass sie von Fledermäusen besser gefunden werden können – und das alles nur für ein bisschen Dünger.

                     

Schöner et al., Bats Are Acoustically Attracted to Mutualistic Carnivorous Plants, Current Biology (2015), https://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2015.05.054

 

Kommentare (8)

  1. #1 JoJo
    16. Juli 2015

    Das Signal müsste doch auch deutlich schwächer / anders ausfallen, wenn der Schlafplatz schon besetzt ist?

    Und irgenwdo an Rand oder Deckel müsste auch ein “Fledermausbügel” sein, damit die Tierchen komfortabel abhängen können?

  2. #2 MartinB
    17. Juli 2015

    @JoJo
    Davon stand in dem paper nichts – auch der Zimmerservice wurde nicht erwähnt 😉
    Die Evolution ist halt nicht perfekt.

  3. #3 frbr
    19. Juli 2015

    Doch; zum Zimmerservice gehört auch die Toilettenreinigung und die übernimmt die Pflanze;

    im Ernst: hat die Fledermaus nicht nur ein sicheres “Zimmer”, sondern auch weniger durch Fäkalien übertragene Erkrankungen als anderswo, wo sich die vielleicht kontagiösen Abfälle sammeln?

  4. #4 MartinB
    19. Juli 2015

    @frbr
    Keine Ahnung, ob sich Fledermäuse regelmäßg Infektionen holen, wenn sie in Höhlen leben.

  5. #5 JW
    20. Juli 2015

    Muss noch klugscheissend was ergänzen. Es gibt keine Pflanzen die Stickstoff fixieren können. Dafür holen sie sich Untermieter in Bakterienform (u. a. Rhizobien).
    Ansonsten spannendes Thema schön dargestellt.

  6. #6 MartinB
    20. Juli 2015

    @JW
    Ja, ich hatte überlegt, ob ich das noch erklären soll, aber da es für den Text hier keine Rolle spielt, habe ich es gelassen. (Pädagoginnen dürfen mich jetzt für die “didaktische Reduktion” loben ;-))

  7. #7 Joe Dramiga
    Mukono
    10. September 2015

    Ein schöner Artikel. Nur eine kleine Anmerkung. Dein Schlusssatz “Anscheinend ist es also tatsächlich so, dass die Kannenpflanzen ihre Blüte so angepasst haben, dass sie von Fledermäusen besser gefunden werden können – und das alles nur für ein bisschen Dünger.” – klingt sehr nach Lamarck und wenig nach Darwin. 😉

  8. #8 MartinB
    10. September 2015

    @Joe
    Ich schreibe bei solchen Themen gern ein bisschen teleologisch. Hier aber sehe ich das Problem nicht – die Kannenpflanzen haben ihre Blüten ja so angepasst, wie es da steht.