Thomson versucht dann, eine Verbindung zu den bekannten Eigenschaften von Atomen herzustellen. Dabei beschränkt sie sich allerdings auf Konfigurationen mit sehr wenig Elektronen (so etwa 60). Wenn ich es richtig verstehe, geht es ihr zunächst mal nur darum zu zeigen, dass man prinzipiell einige Eigenschaften von Atomen mit dem Modell erfassen kann – ein vollständiges Modell sollte ja ohnehin die Elektronen in dreidimensionalen Schalen anordnen, nicht bloß auf Ringen. Entsprechend sind die meisten Argumente, die jetzt folgen, auch eher qualitativer Natur (was sicher eine Schwäche des Modells ist).
Trotz dieser Einschränkung gelingen Thomson aber einige faszinierende Einsichten. Als Beispiel betrachtet sie ein Atom mit einem äußeren Ring mit 20 Elektronen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den durch innere Ringe stabil zu halten, beispielsweise eine Konfiguration mit 16,13,8 und 3 Elektronen in den inneren Ringen. Oder auch eine mit einem Elektron mehr – dann haben wir 17, 13, 8 und 3. Ein Atom mit 20 Elektronen auf dem äußeren Ring kann insgesamt zwischen 59 und 67 Elektronen haben. Je mehr Elektronen, desto größer die Masse des Atoms – wir würden also im Periodensystem von links nach rechts laufen. Im Thomson-Modell sind es deshalb die Elektronen auf den inneren Ringen, die über die Chemie entscheiden.
Nimmt man vom 60-Elektron-Atom den äußeren 20-er Ring weg, so bleibt ein kleineres (leichteres) Atom mit 16,13, 8 und 3 Elektronen innen übrig. Nimmt man hier die äußeren 16 weg, ergibt sich ebenfalls eine stabile Konfiguration mit dann 24 Elektronen. Man kann sich also vorstellen, dass diese Elemente einander alle chemisch ähnlich sind – das liefert eine Idee, warum es unterschiedliche Perioden im Periodensystem geben kann, so dass Elemente, die dort übereinander stehen, ähnliche Eigenschaften haben (wie z.B. Fluor und Chlor). Die chemische Ähnlichkeit führt Thomson dann auf Schwingungszustände der inneren Ringe zurück.
Auch die Eigenschaften innerhalb einer Zeile des Periodensystems können prinzipiell erklärt werden – Elemente weit links in einer Zeile haben weniger Elektronen, gerade so viel, dass der äußere Ring stabil ist. Die rückstellende Kraft auf die Elektronen ist also klein – werden diese von Außen angeregt, kann das Atom deshalb ein Elektron abgeben. Je mehr Elektronen hinzukommen, desto schwerer wird es, die Elektronen auszulenken, desto stärker ist also auch die Bindung der Elektronen. Man versteht so auch, warum man einem Atom dessen äußerer Ring nur so gerade stabil ist, nicht zwei Elektronen entziehen kann – nachdem man das erste geklaut hat, ordnet es sich so um, dass der äußere Ring weniger Elektronen hat; damit ist dann die Konfiguration wieder sehr stabil. (Ganz ähnlich wie im korrekten Atommodell ein einfach ionisiertes Alkali-Metall außen eine “Edelgas-Konfiguration” seiner Elektronen hat und deswegen nicht zweifach ionisiert werden kann. (In Wahrheit ist es etwas komplizierter im Thomson-Modell, aber das spare ich mir hier.)) Ähnlich kann man auch argumentieren, dass die Elemente mit der maximalen Zahl innerer Elektronen für eine bestimmte Konfiguration des Außenrings sich wie Edelgase verhalten – ein Elektron hinzu, und sie werden extrem instabil, weil sie jetzt einen Ring haben, der nur so gerade von innen stabilisiert wird.
Anschließend macht sich Thomson Gedanken über die chemische Bindung – was passiert, wenn ein Elektron von einem Atom links im Periodensystem zu einem übertritt, das weiter rechts sitzt? Man erkennt leicht, dass das im Modell energetisch günstig sein kann. Auf die Bindung zwischen gleichartigen Atomen geht Thomson allerdings nicht ein – das ist schade, denn ich sehe im Moment nicht so recht, wie die im Modell funktionieren soll. Das hätte sie durchaus erwähnen dürfen.
Und dann gibt es noch ein paar Ideen zu radioaktiven Elementen – die könnten dadurch zustande kommen, dass die rotierenden Elektronen Energie verlieren, so dass ihre Geschwindigkeit immer weiter abnimmt. Irgendwann würde diese dann so klein werden, dass die Konfiguration nicht mehr stabil ist – das Atom fliegt auseinander. Das ist jetzt allerdings höchst spekulativ – denn eigentlich müsste das ja für jedes Atom gelten.
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