Kleine Anmerkung am Rande: An dieser Geschichte sieht man meiner Ansicht nach noch einmal sehr schön, dass meine Idee mit dem generischen Femininum etwas für sich hat – für diese Geschichte ist es vollkommen egal, welches Geschlecht die beteiligten Personen hatten. (Falls das jemand diskutieren will, bitte bei den entsprechenden Blogtexten, nicht hier).

Beim Ultraschallbild ist es letztlich ähnlich wie beim direkten Sehen: Wir haben ein Verständnis dafür, wie sich Schallwellen ausbreiten (genauso wie wir intuitiv wissen, dass Licht sich geradlinig ausbreitet und deswegen erwarten, dass die Dinge da sind, wo wir sie sehen – auch wenn Spiegelungen uns da manchmal täuschen können), wir haben dieses Verständnis an uns vertrauten Strukturen überprüft und verlassen und dann darauf, dass das, was wir “sehen”, auch da ist – obwohl das abgebildete Objekt tief im Körper steckt und eben nicht zu “sehen” ist.

In ähnlicher Weise erforscht man ja auch andere Dinge, die man nicht sehen kann – beispielsweise das Erdinnere. Niemand hat jemals den Erdkern direkt optisch gesehen (und höchstwahrscheinlich wird das auch nie jemand tun), trotzdem wissen wir, dass er da ist und wissen einiges über seine Eigenschaften. Einfach deswegen, weil wir messen können, wie sich Schallwellen (beispielsweise von Erdbeben) ausbreiten und weil wir aus den Signalen, die bei den Seismographen ankommen, auf die entsprechenden Reflexe an den unterschiedlichen Grenzflächen im Erdinneren zurückschließen können. Hinzu kommt, dass unsere Theorien darüber, wie die Erde entstanden ist und wie sie aufgebaut sein sollte, zu diesen Messungen passen – das Bild ist also auch mit unserem sonstigen Wissen konsistent.

Wie beim Sehen brauchen wir auch beim Schallbild zwei Dinge: Messergebnisse und eine Theorie. Wir akzeptieren ein Objekt als “vorhanden”, wenn die Messergebnisse zusammen mit der Theorie der Schallausbreitung das Vorhandensein des Objekts als die einfachste Erklärung erscheinen lassen – ich könnte natürlich auch behaupten, dass eben mein Körpergewebe andere akustische Eigenschaften hat als das anderer Menschen und dass deswegen ein Signal im Ultraschallbild zu sehen ist – aber das ist eben nicht plausibel. (Auch wenn die Geschichte meiner Kollegin einem eine Warnung sein sollte, solche Bilder nicht zu unkritisch zu glauben.)

Bisher haben wir uns mit Dingen befasst, von denen die meisten Menschen sicher akzeptieren, dass es sie gibt, und die die Eigenschaft haben, makroskopisch zu existieren, so dass man sie – zumindest im Prinzip – wirklich sehen (oder auch anfassen) könnte. Im zweiten Teil schauen wir uns dann Objekte an, die zu klein sind, um sie tatsächlich zu sehen. Woher wissen wir eigentlich, dass es Atome gibt, wenn noch nie jemand eins “gesehen” hat?

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Kommentare (21)

  1. #1 Dr. Webbaer
    25. August 2015

    Das Sehen hat sehr viel mit der Sichtenbildung zu tun, der Theoretisierung; das, was ein Kleinkind lernt zu “sehen”, erfolgt ausschnitssartig, näherungsweise <em<und an seine Interessen gebunden, etymologisch ist die Sache eindeutig, sie wird aber ihren metaphorischen und insbesondere auch ihren naturwissenschaftlichen Gehalt meinend heutzutage oft missverstanden – oder falsch “gesehen”.

    Naturwissenschaftliche Theorien sind Sichten auf (bereits erfasste) Daten, die beschreiben, erklären & die Prädiktion erlauben können, wobei eine der drei genannten möglichen Leistungen bereits ausreichen könnte, um von einer möglicherweise sinnhaft zu nutzenden Sicht zu schreiben oder zu sprechen.

    Was bei dieser Sichtenbildung beihilft, ist einerseits das Wesen der Sicht zu verstehen und andererseits den Skeptizismus.

    Insofern sind Fragen wie, ob der Mond auch dann da ist, wenn terrestrisch (und anderswo) kein erkennendes Subjekt hinschaut eigentlich, also ihrem Wesen nach, interessant, wobei die Antwort aus skeptizistischer Sicht aber leicht fällt:
    Der Mond existiert nicht, ist nicht “aus sich heraus”, wenn keiner hinschaut, die moderne skeptizistische Wissenschaftlichkeit ist eine (sehr wichtige) Veranstaltung der Primaten.

    MFG + schöne Woche noch,
    Dr. W

  2. #2 LasurCyan
    25. August 2015

    Optische Täuschungen beispielsweise haben mich schon immer begeistert, hier sind einige zusammengefasst.

    Obwohl sich das Bild auf eurer Netzhaut nicht ändert, ändert sich doch der Eindruck dessen, was ihr wahrnehmt.

    Da könnte ich ein Lied von singen. Wie unterschiedlich die Rezeption von LandschaftsDarstellungen ist, ist beeindruckend. Und praktisch immer wird davon ausgegangen, dass jeder Betrachter das selbe sieht. Wenn der Irrtum dann auffliegt, ist das Erstaunen gross^^

  3. #3 MartinB
    25. August 2015

    @LasurCyan
    Bei Landschaftsdarstellungen finde ich das jetzt auch etwas erstaunlich, dass es da große Unterschiede gibt, gebe ich zu.

  4. #4 Ludger
    25. August 2015

    Drei Bemerkungen zum Thema:
    1.) Das Bild, welches wir sehen, ist wesentlich ein Ergebnis der Arbeit unserer CPU, unseres Gehirns. Demonstriert wurde das z.B. mit dem Versuch der Umkehrbrille ( https://de.wikipedia.org/wiki/Umkehrbrille ). Der Proband sah nach einigen Tagen die Welt wieder richtig herum trotz Umkehrbrille. Dazu gibt es einen Film: ( https://www.awz.uni-wuerzburg.de/archiv/film_foto_tonarchiv/filmdokumente/th_erismann_ikohler/die_umkehrbrille_und_das_aufrechte_sehen/ )
    2.) Ultraschall:
    Die Geräte sind auf 1550 m/s Schallgeschwindigkeit geeicht, obwohl die wirkliche Schallgeschwindigkeit von der Art des Gewebes abhängt. Bei Knochen sind es ca. 3000 m/s . Deswegen soll man den fetalen Oberschenkelknochen quer zur Schallausbreitung messen, sonst sind die Messwerte zu klein. Bei der Beurteilung des Bildes sind Artefakte ein wichtiges Kriterium. Wenn ein Gewebe wenig Schallenergie absorbiert (Zyste, Fibroadenom), dann ist die Verstärkung des automatischen Tiefenausgleichs (TGC – Time Gain Compensation) für die Laufzeit / Tiefe des Knacktoneechos zu stark. Es kommt zu einer Signalanhebung hinter der beobachteten Struktur (genannt: dorsale Schallverstärkung, Zeichen für Gutartigkeit). Andersherum ist eine dorsale Schallabschwächung ein Zeichen für Bösartigkeit (Hinweis auf eine unregelmäßige Grenzstruktur) Bei luftgefüllten Darmgasen kommt es zur wegen des großen Impedanzsprunges vom Gewebe zu Luft Totalreflektion des Schalles. das heißt, dass die Grenze sehr hell ist und dahinter alles schwarz.
    3.) Bei Halluzinationen im Rahmen eines Alkoholentzugsdelirs sieht der Betroffene kleine Tiere bis Kaninchengröße. Der Plateosaurus wäre dafür eindeutig zu groß.

  5. #5 LasurCyan
    25. August 2015

    Bei Landschaftsdarstellungen finde ich das jetzt auch etwas erstaunlich

    Vermutlich gilt das ja nicht nur für Darstellungen von Landschaften, um mal bei dem Beispiel zu bleiben, sondern einfach auch nur für das Betrachten derselben, MartinB. Stark vereinfacht: Stehen Jägerin und Tischlerin im Wald, sucht die eine das Tier, die andere das Holz. So hat jeder nen anderen Fokus.

    Verallgemeinert: War jemand schonmal in einer Gegend, die in der Darstellung ähnlich ist, triggert das unterschiedliche Wahrnehmung.

  6. #6 BreitSide
    Beim Deich
    25. August 2015

    Also mutig bist Du schon (oder wie man das sonst nennen sollte…):

    – “vielleicht ein Geräusch machen, um zu sehen, ob er reagiert (Plateosaurier sind Pflanzenfresser, bei nem T. rex würde ich das mit dem Geräusch lieber bleiben lassen).”

    Das haben ja in der jüngeren Vergangenheit einige Alpenfreunde mit dem Leben bezahlt. Wo doch das liebe Milchvieh jahrtausendelang auf Gutmütigkeit gezüchtet wurde. Beim reinen Pflanzenfresser Bison oder Kaffernbüffel wäre ich auch vorsichtig… :-)))

    – “…einen Algorithmus, der mit der gleichen Sicherheit z.B. einen Haarschopf vom Hintergrund eines Fotos trennen kann, wie wir das können, gibt es bisher leider nicht. (Falls doch: sagt bitte Bescheid, kann ich gut gebrauchen.))”

    Gibt es doch schon (mit kleinen Fehlern): https://www.spiegel.de/netzwelt/web/flickr-schlagwortautomatik-sorgt-fuer-aerger-a-1034870.html – upps…

    – “…In diesem bekannten Bild könnt ihr entweder eine weiße Vase vor schwarzem Hintergrund sehen, oder zwei schwarze Gesichter vor einem weißen Hintergrund – man kann das Bild auch zwischen beiden Interpretationen “springen” lassen.”

    Ich hab mal gelesen/gesehen, dass man, sobald man die zweite Deutung kennt, hin und her springen MUSS und gar nicht anders kann. Passt auch zu meiner persönlichen Beobachtungen, ich kann da nix festhalten.

    Dein Artikel passt super für alle Leute, die im Brustton der Überzeugung behaupten: “Ich akzeptiere nichts, was ich nicht sehen kann!”

    Passt eigentlich der https://en.wikipedia.org/wiki/Daniel_Kish , der die https://de.wikipedia.org/wiki/Menschliche_Echoortung berühmt gemacht hat, zu Deinem Artikel?

  7. #7 BreitSide
    Beim Deich
    25. August 2015

    @Lidger:

    – “3.) Bei Halluzinationen im Rahmen eines Alkoholentzugsdelirs sieht der Betroffene kleine Tiere bis Kaninchengröße. Der Plateosaurus wäre dafür eindeutig zu groß.”

    Kommt ganz auf die Entfernung an… 😉

  8. #8 BreitSide
    Beim Deich
    25. August 2015

    @LasurCyan: Wunderbare Sammlung. Zur “Tusi-Bewegung”: Die sehe ich – wenn sie 100% circular ist, nicht einmal als Täuschung an. Ohne es genau nachgemessen zu haben, scheint es mir, dass die Punkte exakt einer Zykloide entsprechen (wird ja auch im Text angerissen, aber nicht explizit so bezeichnet).

  9. #9 MartinB
    25. August 2015

    @Ludger
    Danke für die Detailinfos zum Ultraschall, man lernt ja nie aus. (Muss ich mir am besten vor der nächsten Untersuchung nochmal durchlesen, dann kann ich meine Ärztin beeindrucken, muahaha.)

    Was die Halluzinationen angeht – Alkoholentzug kommt bei mir nicht als Auslöser in Frage. Oder gibt es *generell* keine großen Halluzinationen?

    @LasurCyan
    Ach, so war das gemeint. Ja, das leuchtet sehr ein.

    @BreitSide
    Ach, was mein Lieblingsdino tut mir bestimmt nix…
    Außerdem wollte ich das Geräusch ja schon von meinem Balkon aus machen.

    “Gibt es doch schon (mit kleinen Fehlern)”
    Nein, ich meinte keinen Algorithmus zum Erkennen, sondern einen zum Freistellen von Objekten vom Hintergrund (gerade bei Menschen).

    ” ich kann da nix festhalten.”
    Wenn ich es erzringe, gelingt es mir für eine Weile, aber nicht dauerhaft.

    Und ja, die menschliche Echo-Ortung passt auch zum Thema – aber eigentlich geht es mir ja darum, die Brücke vom Kirschbaum bis zu Quarks und dunkler Materie zu schlagen (das kommt dann noch).

  10. #10 LasurCyan
    25. August 2015

    nicht einmal als Täuschung

    Sehe ich auch nicht als Täuschung, da die Summe der partikular linearen Bewegungen eben diesen cirkularen Effekt ergeben. Da ist alles klar determiniert. Aber trotzdem gibt es zwei fundamentale Sichtweisen.

  11. #11 griesl
    25. August 2015

    Warum erinnert mich der Artikel an den PAL Antrieb ?

  12. #12 griesl
    25. August 2015

    bzw. ein italienisches Bistro 😀

    ein liebgemeinter Troll.

  13. #13 rolak
    26. August 2015

    *generell* keine großen

    Doch, MartinB, generell schon. Selbst auf dem Spezialgebiet der alkoholischen Nebeneffekte sprichwort-empirisch nicht unbekannt (‘rosa Elefanten‘).

    Und selbstverständlich sind Halluzinationen (neben der bewußten oder in Kauf genommenen Herbeiführung) ein völlig alltägliches Phänomen, egal in welcher Größenordnung des Wahrgenommenen – and no reason to get sacked. Wobei das erste Wort des BuchTitels schon auf Deinem Plateo Plateau Niveau wäre…

    Oh, bevors vergessen wird: Schöner post!

  14. #14 BreitSide
    Beim Deich
    26. August 2015

    @MartinB:

    “Nein, ich meinte keinen Algorithmus zum Erkennen, sondern einen zum Freistellen von Objekten vom Hintergrund (gerade bei Menschen).”

    Da brauch ich jetzt ein wenig Nachhilfe.

  15. #15 MartinB
    26. August 2015

    @Breitside
    Ich meine sowas hier:
    https://www.chip.de/artikel/Mit-Photoshop-freistellen-Wie-Objekte-in-Photoshop-freistellen_65555528.html
    Das braucht man, wenn man hobbymäßig fotografierte Leute in Fantasy-Welten reinmalt (was ich manchmal tue…) – und das saubere Ausschneiden gerade von Haaren ist da immer extrem knifflig.

  16. #16 BreitSide
    Beim Deich
    26. August 2015

    Ok, danke! Ich hätte das jetzt “Freischneiden” genannt (hatten wir mal in “Technische Mechanik”…), aber ich bin ja auch kein geübter Bildbearbeiter.

    Ein Freund von mir kann das wunderbar. Manchmal leider… 😉

    Sonst kenn ich den Begriff “Freistellen” eher aus der Personalführung, eher negativ besetzt ;-(

  17. #17 Minimal
    27. August 2015

    @MartinB

    Zum Freistellen schau dir mal “Cutout-Software” an. Auf deren Seite unter “Cutout Professional” findest du ein Video. Die Software erkennt auch abstehende Haare und trennt diese automatisch vom Hintergrund.

  18. #18 MartinB
    27. August 2015

    @Minimal
    Schick, aber ich bräuchte was, das auf Linux läuft, sonst kriege ich graue Haare…

  19. #19 Minimal
    27. August 2015

    @MartinB
    Benutze unter Linux nur Gimp – https://www.youtube.com/watch?v=67gt2xlkYN8 oder grob über Werkzeugkasten -> Vordergrundauswahl. Du kannst aber auch einige Windows-Anwendungen unter Linux mit Wine nutzen.

  20. #20 MartinB
    28. August 2015

    @Minimal
    Ja, Gimp ist das mittel der Wahl für alles (außer für die Sachen, die ich mit inkscape oder blender mache, aber nicht bei Fotos).

  21. […] von “Gravitationsfeldern” oder “Wellenfunktionen”, obwohl wir diese Dinge nicht direkt wahrnehmen oder messen können. Dass es sie trotzdem gibt, schließen wir daraus, dass […]