Drüben bei Florian hat ja Sören Heim einen Gastartikel im Blogwettbewerb veröffentlicht. Mein Kommentar dazu wurde leider immer länger und erfüllt als Kommentar vermutlich die Kriterien des tl;dr – also lagere ich ihn hierher aus, wo er etwas leichter zu lesen (und vor allem zu formatieren!) ist. (Außerdem müsst ihr jetzt alle auf meinen Blog klicken, muahahaha…) – also Achtung: das hier ist kein handelsüblicher “Hier-Wohnen-Drachen”-Artikel (und ich habe auch weniger gründlich korrekturgelesen, als ich das normalerweise tue, wer Tippfehler findet, darf sie behalten).
Ich fange mal am Ende an, weil der letzte Satz ja für einige Kommentare gesorgt hat:
“Wer die Erfahrung des Erhabenen kontrafaktisch zu aller Erfahrung negiert, um die Technik zu feiern, befeuert nicht den Fortschritt sondern festigt die aller technischen Entwicklungen zum Trotz noch immer alles andere als ideale Realität in Permanenz.”
Ich versuche das mal auseinander zu nehmen:
“”Wer die Erfahrung des Erhabenen kontrafaktisch zu aller Erfahrung negiert, um die Technik zu feiern”
Erste Übersetzung:
‘Wer sagt, dass es die Erfahrung des Erhabenen nicht gibt, obwohl dem die Erfahrung widerspricht, um die Technik zu feiern ‘
Hmm, das liest sich (auch im Original) widersprüchlich: Wer die Erfahrung negiert, obwohl die Erfahrung dem widerspricht – da wird wohl dasselbe Wort in zwei unterschiedlichen Bedeutungen verwendet, nämlich einmal “Die Erfahrung des Erhabenen” und einmal “Die Erfahrung, dass es die Erfahrung des Erhabenen gibt”.
“befeuert nicht den Fortschritt”
fördert nicht den Fortschritt
” sondern festigt die aller technischen Entwicklungen zum Trotz noch immer alles andere als ideale Realität in Permanenz.”
‘sondern befestigt, auch wenn sich die Technik weiterentwickelt, den status quo, obwohl der nicht ideal ist.’ (Das “in Permanenz” ist einfach überflüssig, weil festigt ja schon festigt, und sogar problematisch, denn wenn die Realität “in Permanenz gefestigt ist”, dann könnte man sie ja nie mehr ändern.)
Nochmal Hmm – wie ist das gemeint? Warum soll der aktuelle Zustand der Realität von technischem Fortschritt unbeeinflusst bleiben, solange man die Erfahrung des Erhabenen leugnet? Technik kann die Realität also nicht beeinflussen? Gibt’s dafür einen Beleg? Der Text liefert keinen, soweit ich sehe, der sagt ja vor allem, dass Technik die Erfahrung des Erhabenen nicht auslösen kann (dazu später mehr).
Zweiter Durchgang:
‘Wer im Widerspruch zur Beobachtung leugnet, dass es die Erfahrung des Erhabenen gibt, um die Technik in den Vordergrund zu stellen, hilft nicht dem Fortschritt, sondern zementiert das Bestehende, obwohl das nicht ideal ist.’
Über Stil kann man ja streiten, aber sagt der Originalsatz im Artikel wirklich mehr als meine eingedampfte (und hoffentlich leichter verdauliche) Version? (Dann bitte einen Kommentar hinterlassen, was ich übersehen habe.)
Oder ist es eher so, dass man in der Originalversion einfach nicht merkt, dass die beiden Satzhälften unbegründet nebeneinander stehen – warum soll es den technischen status quo zementieren, wenn jemand leugnet, dass es die Erfahrung des Erhabenen, ausgelöst durch Naturphänomene, gibt? Der Artikel gibt diese Begründung jedenfalls nicht her.
Für das weitere greife ich mal einen Satz aus einem Kommentar von Sören heraus:
“Zu ergründen wäre aber die Frage, warum zwei phänomenologisch beinahe gleiche Erscheinungen solch unterschiedliche Reaktionen hervorrufen.”
Erste Antwort: Weil wir trotz allem Wesen sind, die nach Ursachen fragen (und fragen müssen, siehe Kant), und die eine menschengemachte Ursache schlicht normaler/banaler finden als eine natürliche?
Das ist aber vermutlich nicht zwingend so. Ich denke, wenn man einem Inuit von vor 1000 Jahren, der Nordlichter häufig zu sehen bekommt, zum ersten Mal ein Feuerwerk zeigt. wird dieser durchaus Erhabenheit angesichts der Möglichkeiten der Technik spüren. Nur für uns heutige Menschen ist die Technik oft selbstverständlich geworden. Man könnte in meinen Augen sehr plausibel argumentieren, dass das Gefühl des “erhabenen” durch Dinge ausgelöst wird, die unsere Vorstellung sprengen – und es spielt keine Rolle, ob das eine Sonnenfinsternis ist oder die Entdeckung des Warp-Antriebs (wär doch mal was).
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