Im Buch “The Three-Body-Problem” gibt es eine Szene, in der (kleiner Spoiler, aber wirklich nur klein, weil der Spannungsbogen im Buch hier sehr kurz ist) ein Supertanker zerstört wird, indem man ihn gegen eine Anordnung von straff gespannten “Nanodrähten” fahren lässt (über deren genaue Zusammensetzung nicht viel gesagt wird). Ist das denkbar? Könnte es solche Nanodrähte geben und könnten sie ein Schiff zerschneiden?
Die Idee hinter den “Schneiddrähten” ist letztlich schon aus dem Alltag bekannt: Mit einem scharfen Messer kann man z.B. Zwiebeln mit weniger Kraftaufwand (und weniger Tränen) zerschneiden als mit einem stumpfen, einfach, weil man beim stumpfen Messer die Zwiebel viel mehr zusammendrückt und verformt, während beim scharfen Messer ein deutlich größerer Teil der Energie tatsächlich in die Trennung der Zwiebel geht.
Entsprechend kann man annehmen, dass man mit einer “unendlich scharfen” Schneide nur noch sehr wenig Energie- und Kraftaufwand braucht, um damit alles zu zerschneiden. Nehmen wir an, wir hätten eine solche “unendlich scharfe” Schneide, also beispielsweise einen gespannten Draht, dessen Dicke in der Größe eines Atomdurchmessers liegt. Könnten wir damit alles ohne viel Kraft zerschneiden?
Nehmen wir ein Stück Metall, das wir zerschneiden wollen. Im Inneren des Metalls haben wir aneinander gebundene Atome. Nach dem Aufschneiden sind die Atome hier nicht mehr aneinander gebunden, sondern zeigen nach Außen, so dass ihre chemischen Bindungen nicht abgesättigt sind. Wir müssen also neue Oberfläche schaffen, und das kostet Energie. Diese Energie zur Schaffung freier Oberfläche muss man immer aufwenden, wenn man ein Objekt trennt, egal ob durch Schneiden, durch Rissausbreitung oder sonst etwas.
Zusätzlich kommt beim Schneiden (oder beim Ausbreiten eines Risses) noch etwas weiteres hinzu – nämlich der gleiche Effekt, den wir schon an der Zwiebel gesehen haben: Wir verformen auch das Material um die Schneide herum, das kostet ebenfalls Energie. Wie viel, das hängt stark vom Material ab. Bei einem spröden Material wie einer Keramik ist diese Verformungsenergie eher klein, bei einem Metall deutlich größer. Das ist auch der Grund, warum Metalle so viel weniger rissempfindlich sind als Keramiken. (Mehr über Risse findet ihr in diesem Artikel und in meinem Kinderuni-Vortrag.) Diese Verformungsarbeit wird um so größer, je stärker wird das Material umformen müssen – bei Prozessen wie der Zerspanung dominiert sie das Geschehen vollständig, so dass man die eigentliche Energie zur Schaffung freier Oberflächen vernachlässigen kann, beim Schneiden wird sie um so kleiner, je schärfer unsere Klinge ist.
Nehmen wir also an, unsere Nanofilament-Klinge ist so fein, dass sie das Metall wirklich trennt, ohne dort irgendwelche Umformarbeit zu leisten. Die reine Energie zur Schaffung freier Oberfläche beträgt beim Kupfer (laut Wikipedia) 1,65Joule pro Quadratmeter. Um also einen Quadratmeter freie Oberfläche zu schaffen, müssen wir eine Arbeit von nur 1,65 Joule leisten, wenn wir wirklich die ganze Energie zum Trennen von Bindungen und nicht für Verformung oder andere Aktionen aufwenden. (Das ist hier wirklich das absolute theoretische Minimum – reale Trennverfahren brauchen deutlich höhere Energien. Bei der Rissausbreitung in Metallen liegen die Energien beispielsweise um einen Faktor 1000 oder mehr über diesem Wert, selbst bei Keramiken sind reale Werte eher bei 100J/m², weil man auch da nicht bloß eine Atombindung nach der anderen trennt, sondern auch anderweitig Energie verloren geht, beispielsweise dadurch, dass sich elastische Wellen ausbreiten, wenn sich eine Bindung zwischen zwei Atomen löst. Ich komme nachher noch drauf zurück…)
Stellt sich als nächstes die Frage, wie viel freie Oberfläche wir schaffen müssen, um einen Tanker zu zerschneiden. Da habe ich keine Ahnung – aber das macht nichts. Wenn man keine Ahnung hat… einfach mal eine Fermi-Abschätzung machen.
Laut Roman handelt es sich bei der “Judgment Day” um einen “60-thousand ton oil tanker”. Bei Wikipedia lernen wir, dass ein solches Schiff gerade noch groß genug ist, um durch den Panama-Kanal zu fahren (Panamax-class). Ein solcher Tanker hat beladen eine Masse von 60000 Tonnen – aber der Tanker im Roman ist ja umgebaut und hat deswegen vermutlich kein Öl geladen, dürfte also deutlich leichter sein. Irgendwie habe ich keine vernünftigen Werte für das Leergewicht eines Tankers finden können (die zugehörige Kenngröße heißt wohl “light ton displacement”). Immerhin hatte das Schiff “Tina Onassis” etwa diese Größe (50000 Tonnen Tragfähigkeit), es war etwa 220 Meter lang und knapp 30 Meter breit. Das ist etwa vergleichbar mit einem mittelgroßen Flugzeugträger (wie dem hier), der eine Masse von etwa 17000 Tonnen hat. Nehmen wir an, unser Tanker ist leichter gebaut (soll ja keine Flugzeuge rumschleppen und braucht entsprechend weniger Infrastruktur), also nehmen wir als Faustwert mal 10000 Tonnen – das sind 107 Kilogramm (in vereinfachter Schreibweise 1E7, dann spart man sich die Hochzahlen).
Wir haben also etwa 1e7 Kilogramm Stahl (ich nehme mal an, dass der ganze Tanker aus Stahl besteht) – das sind etwa 1,25E3 (also 1250) Kubikmeter Stahl. (Stahl hat eine Dichte von so etwa 8000kg/m³.) Wie viel freie Oberfläche schaffen wir beim zerschneiden? Dazu stelle ich mir erst einmal vor, ich würde den ganzen Tanker der Länge nach komprimieren, so dass er nicht mehr 200 Meter lang ist und im wesentlichen aus Luft besteht, sondern zu einem massiven Klotz wird. Der Klotz ist etwa 30 Meter breit und vielleicht 20 Meter hoch (typischer Tiefgang für so ein Schiff sind etwa 10 Meter). Das sind etwa 600 Quadratmeter. Unser Klotz ist dann also 2 Meter dick (und der Tanker besteht zu 99% aus Luft).
Zerschnitten wird nur das Material, das oberhalb der Wasseroberfläche liegt. Das wird aber der größte Teil des Materials sein, denn da der Tanker im wesentlichen aus Luft besteht, hat er auf Grund der Verdrängung auch nicht so sehr viel Tiefgang. Egal – nehmen wir sicherheitshalber die Hälfte der Masse. Wir haben also einen Klotz von 30x10x2 m³, den wir in der Höhe (10 Meter) alle 0,5 Meter zerschneiden (so wird es im Buch beschrieben, damit auch die Menschen zuverlässig mit zerschnitten werden, was sind schon ein paar Kollateralschäden…). Pro Scheibe macht das eine Fläche von 2*30=60m² – halt, nein, wir schaffen ja zwei mal die freie Oberfläche, oben und unten (das vergisst man bei Rechnungen dieser Art immer…). Insgesamt also 120m² pro Scheibe, und davon 20 Scheiben (19 oder 18, wenn ihr pingelig sein wollt, weil ganz oben und ganz unten evtl. keine Scheibe mehr schneiden kann). Mach 2400m², also (mit dem Wert für die Oberflächenenergie von oben) schlappe 4000Joule.
Besonders viel ist das in der Tat nicht – klar ist jedenfalls, dass unser Tanker durch die Schneiderei nicht abgebremst wird.
Ist das ganze also durchaus realistisch? Dazu müssen wir uns noch angucken, was unsere Nanodrähte zu leisten haben. Wir müssen 4000J Arbeit leisten. Arbeit ist Kraft mal Weg – der Weg sind hier die etwa 200 Meter Länge unseres Schiffs (denn über die verteilt sich die Schnittarbeit ja – das Modell mit dem massiven Block können wir für diese Rechnung nicht verwenden), also ist die Kraft etwa 20 Newton. Scheint auf den ersten Blick nicht viel – bei 20 Nanodrähten muss jeder eine Kraft von 1 Newton aushalten, also etwa die Gewichtskraft einer handelsüblichen Tafel Schokolade.
Die Materialien mit der höchsten Zugfestigkeit, die wir heute kennen, sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit (laut Wikipedia) einer Zugfestigkeit von 63 Gigapascal. Wem die Einheit nichts sagt, das sind 63000 Newton pro Quadratmillimeter. Ein Nanoröhrchen-Draht mit einem Qudratmillimeter Querschnittsfläche kann also eine Kraft von 63000 Newton (entsprechend einer Gewichtskraft von 6,3 Tonnen) tragen. Ziemlich fest.
Unsere Drähte müssen also – wenn sie 1 Newton Kraft aushalten sollen, ohne zu reißen – eine Querschnitssfläche von 1/63000 mm² haben. Das sind etwa 65 Quadrat-Mikrometer. Als Drähte bräuchten sie also einen Radius von etwa 4,5 Mikrometern, ungefähr so dick wie ein Spinnenseiden-Faden. Ziemlich dünn – aber leider immer noch um Größenordnungen zu dick.
Wenn wir nämlich wirklich sauber nur die Atomlagen trennen wollen, damit wir wirklich nur die Oberflächenenergie im Material einbringen müssen, um es zu trennen, dann müssen unsere Drähte so dünn sein, dass sie zwischen zwei Atombindungen durchschneiden können. Und der Abstand zwischen zwei Atomen liegt so in der größenordnung von 0,3 nanometer, also 0,0003 Mikrometer. Wir bräuchten Drähte, deren Durchmesser im Nanometerbereich liegt, also 10000 Mal kleiner. Weil die Festigkeit mit der Fläche geht, müsste die Festigkeit also hundert Millionen mal höher sein als die der Nanoröhrchen – da die Festigkeit locker (naja, sehr locker, aber zumindest für Größenordnungen passt es) mit der Bindungsenergie korreliert, müsste auch die Bindung zwischen den Atomen unseres Nanomaterials um so grob das Hundert-Millionenfache größer sein als bei den Nanoröhrchen. Solche immens hohen Bindungsenergien hat man innerhalb von Atomkernen, aber durch chemische Bindung von Atomen ist sie nicht zu erreichen. (Und aus Kernmaterie können die Drähte nicht bestehen, dann wären sie unglaublich schwer.)
Mit unserem Ansatz, unglaublich dünne Drähte zu haben und wirklich sauber nur einzelne Atombindungen zu kappen, wird es also nicht klappen, jedenfalls nicht, wenn wir uns auf einigermaßen realistische Materialien beschränken. Aber gut – dann lassen wir diese Annahme eben fallen. Wenn unsere Drähte Durchmesser im Mikrometerbereich oder mehr haben, dann müssen wir aber in Kauf nehmen, dass wir jetzt die deutlich höheren Werte für die Oberflächenenergie verwenden müssen, weil eben auch Material umgeformt wird. (Was man schon daran sieht, dass ja da, wo der Draht läuft, Material um den Draht herumfließen muss).
Realistische Energien zur Schaffung freier Oberfläche – etwa durch Rissausbreitung, bei der ja auch Umformung stattfindet – für Metalle liegen sie bei 10 Kilojoule pro Quadratmeter oder darüber, für Keramiken deutlich darunter (so bei 100 Joule pro Quadratmeter für eine mechanisch eher schlechte Keramik). Setzen wir also 5000Joule/m² an – dann steigt die Gesamtenergie, die wir aufwenden müssen, um einen Faktor 5000. Statt 4000 Joule sind es also 20 Millionen Joule. (Ich hatte erst 1000J/m² hier stehen, aber die spätere Abschätzung über die Festigkeit zeigt, dass das wirklich zu wenig ist.)
Viel ist das immer noch nicht – die kinetische Energie unseres Tankers, wenn er mit 5m/s durch den Kanal fährt, beträgt bei einer Masse von 10000 Tonnen immerhin 500Millionen Joule; fürchterlich gebremst wird er bei der Aktion also nicht, ein wenig sollte man es aber schon merken.
Aber auch die Kraft auf unsere Drähte steigt jetzt um denselben Faktor – also auf 5000 Newton pro Draht. Der Durchmesser, den unsere Drähte haben müssen, steigt entsprechend – allerdings nur um die Wurzel aus 5000, also etwa um das 70-fache. Statt 4,5 Mikrometer Radius landen wir also bei 325 Mikrometer- der Draht hat also einen Durchmesser von mehr als einem halben Millimeter. (Und falls die Festigkeit der Drähte ein bisschen größer ist, können wir den Radius entsprechend verkleinern.)
Machen wir noch einen kleinen Realitätstest auf andere Weise. Unser Schiff bestand ja zu 99% aus Luft. Da es etwa 30 Meter breit ist, zerschneidet der Draht zu jedem Zeitpunkt eine Stahlplatte mit einer Dicke von 30 Zentimeter, also 300 Millimeter. (Ich stelle mir jetzt vor, das Schiff würde in Querrichtung zusammengequetscht, nicht wie eben in Längsrichtung.) Die 5000 Newton wirken also auf eine Fläche von 300*0,65=195 mm². Damit haben wir eine Flächenlast von etwa 20 Newton pro Quadratmillimeter – was ein bisschen wenig ist, die Festigkeit auch mäßigen Baustahls liegt eher bei 200-300 Newton pro Quadratmillimeter, aber wir liegen zumindest halbwegs in der richtigen Größenordnung.
Hmm – das bringt mich darauf, dass wir die notwendige Energie auch noch anders abschätzen können. Das Material vor dem Draht muss ja umgeformt werden (also um den Draht “herumfließen”), weil wir es mit einem Metall zu tun haben. (Bei einer Keramik könnte sich ein scharfer Riss spröde fortpflanzen, aber in einem Metall rundet sich die Rissspitze durch plastische Verformung aus, so passiert es zum Beispiel auch, wenn ein Schneidwerkzeug wie ein Drehmeißel in ein Metall schneidet – auch da wird das Metall im wesentlichen verformt, es läuft kein Riss vor dem Werkzeug längs.)
Das Volumen, das wir insgesamt aus dem Weg des Drahts bewegen müssen, beträgt Drahtdicke mal Drahtlänge mal Schiffslänge, also 5e-4Meter (halber Millimeter Drahtdicke) mal 0.3Meter mal 200Meter, also 0.03m³. Die plastische Arbeit, die man leisten muss, um ein Metallvolumen zu verformen, ist bei plastischer Verformung grob gegeben durch die Fließspannung (die Spannung, bei der die plastische Verformung stattfindet – da Spannung gleich Kraft pro Fläche ist und Kraft Energie pro Länge, kann man Kraft pro Fläche umrechnen in Energie pro Volumen, also eine Energiedichte) mal dem Umformgrad, der angibt, wie stark das Material umgeknetet wird. Zieht man einen Stab in die Länge, so ist der Umformgrad gleich der Längenänderung bezogen auf die Ausgangslänge (naja, in grober Näherung, bei größeren Dehnungen braucht man da noch nen Logarithmus in der Formel, hier geht’s aber nur ums Prinzip). Bei Prozesse wie der Zerspanung liegt der Umformgrad desumgeformten Materials (das nachher im Span landet) meist so zwischen 1 und 2. Nehmen wir an, unsere Umformung hier ist etwas geringer, also grob geschätzt ein Umformgrad von 0.5.
Macht als Umformarbeit: Fließspannung mal Umformgrad mal Volumen. (Achtung, das ist wirklich nur eine grobe Näherung – bitte solche groben Rechnungen nicht machen, wenn ihr ernsthaft Bauteile konstruieren wollt, don’t try this at home…) Also in Zahlen (diesmal in SI-Einheiten) 2e8 Pa * 0.5 * 0.03, das sind 3 Millionen Joule pro Scheibe, die wir schneiden, also insgesamt 60 Millionen Joule. Ein Faktor 3 mehr als bei der Rechnung oben – also stimmt die Größenordnung schon ganz gut.
Ach ja, wir müssen uns auch noch Gedanken über die Verankerung der Drähte machen. Im Buch werden die mit ein paar Lagen flächigen Nanomaterials umwickelt, damit sie nicht die Stahlträger zerschneiden, um die sie gewickelt werden. Das sollte dann auch funktionieren – wir machen die Träger hinreichend dick (deutlich dicker als die 30 Zentimeter, die wir in jeder Scheibe durchschneiden) und umwickeln sie mit dem Nanodraht, den wir mit den flächigen Lagen vor allem da isolieren, wo die Kraft am größten ist (also am besten keinen Träger mit eckigem Querschnitt nehmen, sonst gibt es an den Ecken vielleicht Probleme).
Vollkommen abwegig ist es also nicht, ein Schiff mit Nanodrähten zu zerschneiden – wobei es eher Mikrodrähte sind, denn sie sind doch schon ganz schön dick, und ganz so leicht und fast kräftefrei, wie es im Buch geschildert wird, ist die Schneiderei auch nicht. Wo die Schilderung des Romans allerdings hakt, ist bei der Beschreibung der Folgen des Schnitts. Im Buch sieht man von der Schneiderei zunächst nichts – das Schiff fährt ganz normal weiter und fällt dann in Scheiben auseinander, die sich übereinanderschieben. Am Ende liegen dann diverse “Schiffsscheiben wie ein verschobener Kartenstapel nebeneinander am Ufer.
Das ist aus zwei Gründen nicht realistisch. Zum einen hält eine “Scheibe Schiff” ja nicht viel zusammen – wir haben letztlich einen großen Blech-Ring, der von der Schiffswandung übrig ist, vielleicht stellenweise durch Streben (von den zerschnittenen Wänden) verbunden. Das dürfte wohl kaum ausreichen, damit so eine Struktur zusammenhält – die “Schiffs-Scheibe” wird sich sofort verformen, verbiegen und verknicken.
Auch dass das Schneiden erst mal unmerklich vor sich geht, halte ich für unwahrscheinlich. Immerhin wirken auf jede Schiffsscheibe 5000 Newton. Zwei weitere Effekte kommen noch hinzu: Zum einen die leichte Abbremsung, zum anderen die Tatsache, dass in so einer Schiffswand ja auch Spannungen herrschen. Die sind zum einen herstellbedingt (beim Schweißen entstehen beispielsweise Eigenspannungen, wenn man also an einer Schweißnaht mit dem Draht zerschneidet), zum anderen steht das Schiff ja durch Lasten, Wasserdruck usw. auch unter Spannung. Diese Kräfte dürften schon ausreichen, um die Bleche zum Beispiel der Schiffswand ein wenig gegeneinander zu verschieben – und sobald die Verschiebung beginnt, rutscht das Blech von dem darunter liegenden Stück ab und fällt herunter oder verkippt sich in irgendeiner Weise. Zusätzlich dürfte das ganze auch etwas ruckeln – das Schiff ist ja nicht homogen, mal muss der Draht mehr Material durchschneiden, mal weniger. Dass man von der Schneiderei also nichts merkt, ist eher unwahrscheinlich. (In dem idealen Modell mit der niedrigen Schnittarbeit, wo wir nur Atombindungen kappen, würde das gehen, aber die Drähte, die man dafür bräuchte, sind physikalisch ja nicht möglich, wie wir gesehen haben.)
Ach ja, noch einen Effekt haben wir nicht betrachtet – die Reibung. Wenn wir den Draht durch den Stahl ziehen, geht ein Teil der Energie drauf, um die Reibung zu überwinden, den der Stahl drückt auf den Draht. Das erhöht zum einen die Umformarbeit noch ein bisschen, zum anderen sorgt es für einen weiteren Effekt: Lärm. Geräuschlos geht es sicher nicht zu, wenn der Draht das Schiff zerschneidet, ich denke sogar, das ganze dürfte ziemlich hässlich klingen.
Fazit: Ja, man kann ein Schiff wohl mit Drähten zerschneiden, wenn diese extreme (aber noch realistische) Festigkeiten haben. Ganz sauber und störungsfrei dürfte das aber nicht ablaufen. Für einen SF-Roman ist es als Szene sicher o.k. (ich nörgle zwar manchmal, aber sooo pingelig bin ich dann nicht…), aber falls ihr vorhabt, nen Tanker zu stoppen, denkt ihr euch lieber etwas anderes aus.
Warnung Ich habe mir das hier alles überlegt, ohne viel Literatur zum Thema Schneiden oder Nanodrähte zu konsultieren – im wesentlichen mit ein bisschen Werkstoff-Basis-Wissen. Es mag sein, dass ich etwas wichtiges übersehen habe (oder dass meine Schätzungen zu Schiffsmasse o.ä. vollkommen daneben sind). Ich übernehme also wie üblich keine Haftung, dass hier alles zu 100% stimmt. Falls ihr Fehler findet, sagt Bescheid, dann korrigiere ich die Rechnung nochmal.
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