O.k. – eigentlich heißt die Sendung, von der ich gerade ein paar Minuten gesehen habe, Faszination Universum. Aber das, was da erzählt wurde, war zum guten Teil blühende Fantasie.
Normalerweise gucke ich keine Wissenschaftssendungen im Fernsehen – aber heute habe ich gegen 19:50 im ZDF ein paar Minuten der Sendung “Terra X – Faszination Universum” gesehen. Eingestiegen bin ich, als gerade der Übergang von der Newtonschen zur Einsteinschen Gravitationstheorie erklärt wurde. Naja, wie üblich mit dem fehlerhaften Bild von der Raumkrümmung, aber darüber rege ich mich ja schon gar nicht mehr auf… (Folgt den Links, wenn ihr wissen wollt, warum das Bild nicht korrekt ist.) Aber dann gab es einen Ausflug in die Geschichte. Es ging um den Nachweis der Lichtablenkung durch die Raumzeitkrümmung um die Sonne.
Die englische Astrophysikerin Arthur Eddington wurde also vorgestellt, die 1919 die Theorie der damals noch vollkommen unbekannten Deutschen namens Albert Einstein überprüfen wollte, so wurde es erzählt. Huh? Was? Einstein war 1919 vollkommen unbekannt? 14 Jahre nach dem berühmten “annus mirabilis”, in dem Einstein, die Grundlagen der Quantentheorie gelegt, die spezielle Relativitätstheorie veröffentlicht und die Theorie der Brownschen Molekularbewegung beschrieben hat (was letztlich ein schlagender Beweis für die Atomtheorie war). [Ja, es ist richtig, dass Einstein in der allgemeinen Öffentlichkeit insbesondere durch die ART und deren Bestätigung bekannt wurde, aber Eddington war ja nicht irgendwer, sondern Professorin der Astronomie, und hier wird die Geschichte in der Wissenschaft erzählt, und in Physikerinnenkreisen dürfte kaum jemand den Namen Einstein nicht gekannt haben.]
Anschließend wird uns erzählt, dass die junge Eddington ihre Karriere daran hängt, diese Theorie zu beweisen. Äh, klar. Die junge Eddington (zu dieser Zeit 37 Jahre alt). Die zu der Zeit Professorin in Cambridge und Direktorin des Observatoriums in Cambridge war – quasi vollkommen unbekannt. (Na gut, unbekannter als Einstein, das wohl schon, und die kannte ja auch keiner damals, wie wir gerade gelernt haben.) Es wird in dramatischen Bildern gezeigt, wie Eddington die Aufnahmen machte und dann die Fotografien während der Sonnenfinsternis mit denen ohne Lichtablenkung durch die Sonne verglich. Und dazu wird nochmal erzählt, dass Eddington ihre Karriere aufs Spiel setzte, indem sie diese Messungen machte.
Hallo? Seit wann setzt man in der Wissenschaft die Karriere aufs Spiel, wenn man eine Theorie überprüft – egal ob die sich hinterher als richtig oder falsch herausstellt? Genau das ist es, was Experimentalphysikerinnen oder beobachtende Astronominnen tun – sie messen Dinge, um Theorien zu überprüfen oder zu widerlegen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Lichtablenkung zwar ein schlagendes Argument war, aber ja nicht das einzige, auch damals nicht, immerhin gab’s da noch die Sache mit der Periheldrehung des Merkur.
Ich verstehe ja, dass man im Fernsehen Dinge vielleicht etwas dramatischer darstellen möchte, als sie in Wirklichkeit waren. Aber muss man sich Dinge wirklich einfach ausdenken – Einstein 1919 quasi unbekannt, Eddingtons Karriere wäre zerstört gewesen, wenn die ART sich als falsch herausgestellt hätte? Wer denkt sich so einen Blödsinn aus? Und warum? Und das ganze nicht bei Galileo oder Welt der Wunder, sondern im angeblich seriösen öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
Wie es in der Geschichte weiterging und was da sonst noch alles an Blödsinn erzählt wurde, weiß ich nicht – nach den knapp 8 Minuten war meine Leidensfähigkeit erschöpft. Und ich werde wohl weiterhin darauf verzichten, Wissenschaftssendungen im Fernsehen zu gucken – wenn ich Alternativrealitäten will, lese ich lieber Romane…
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