Drüben bei Geograffitico hat Jürgen ja vor kurzem gefragt, ob Klausuren noch zeitgemäß sind. Ich will hier sogar noch einen Schritt weitergehen und fragen, ob sie es je waren oder ob sie ein Beispiel für eine klassische Denkfalle (oder sogar drei) sind, in die wir gern hineintappen.

Der Irrtum der eindimensionalen Quantifizierbarkeit

Der Sinn einer Klausur ist ja, zu messen, was eine Schülerin* oder Studentin gelernt hat. Das Wissen als solches ist natürlich ziemlich komplex – nehmen wir als Beispiel ein bisschen Oberstufenmathematik wie Integralrechnung, dann gibt es vielleicht Formeln zu lernen (wie berechne ich die Stammfunktion eines Polynoms) ein paar nette Sätze (Mittelwertsatz oder Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung), Flächenberechnungen, Anwendungsaufgaben etc. Wir packen ein entsprechendes Sammelsurium an Aufgaben in eine Klausur, verteilen die Punkte entsprechend (dazu gleich mehr) und lassen die Schülerinnen dann versuchen, die Aufgaben in einer bestimmten Zeit zu lösen. Das Ergebnis werten wir dann aus und jede bekommt eine Note.

*Ja, auch heute wieder im generischen Femininum, wie immer, ja, regt euch drüber auf, wenn ihr müsst, aber bitte hier.

Wenn man die Klausur ausarbeitet, dann muss man wie gesagt auch Punkte verteilen. Auch da sieht man, dass die scheinbar objektive Zahl, die am Ende herauskommt, eben auch willkürlichen Entscheidungen unterliegt – gebe ich für die einfache Antwort einen Punkt? Oder einen halben? Stelle ich viele Aufgaben, so dass die Zeit knapp ist (und diejenigen einen Vorteil haben, die schnell arbeiten oder ganz banal schnell schreiben können) oder lasse ich so viel Zeit, dass auch die, die gern ein wenig nachdenken oder nicht alles auswendig gelernt haben sondern sich manche Sachen während der Klausur selbst herleiten, genügend Zeit haben? Stelle ich schwere oder leichte Aufgaben oder mische beide?

An Hand der Note können wir dann etwas über das Wissen aussagen – aber tatsächlich nur sehr wenig. Eine 3 zum Beispiel kann dadurch zu Stande kommen, dass die Schülerin brav alle Formeln auswendig gelernt und richtig angewandt hat, oder dadurch, dass sie zwar nichts gelernt hat, aber einige der Textaufgaben auf kreative Weise gelöst hat. Oder nehmen wir an, zwei Schülerinnen haben beide eine 4 bekommen. Da in vielen Klausuren 50% für eine 4 ausreichen (jedenfalls an der Uni), ist es also denkbar, dass das Wissen der beiden vollkommen disjunkt ist und die eine genau das weiß, was die andere nicht weiß.

Diese sehr komplexen Sachverhalte versuchen wir in eine einzige Zahl zu packen – eben die Note. Dass dabei viel Information auf der Strecke bleibt, ist eigentlich offensichtlich. Die Annahme, man könne Wissen als eine einzige Zahl fassen, so dass man genau sagen kann, welche Schülerin wie viel besser ist als welche andere, ist eigentlich offensichtlich falsch. (Deswegen versucht man ja auch in Grundschulen, mit ausformulierten Zeugnissen zu arbeiten – was zwar besser ist, wenn man z.B. liest “rechnet sicher im Zahlenraum bis 100, hat aber Schwierigkeiten bei der schriftlichen Addition”, dann weiß man mehr als wenn da nur “2” steht, aber auf Grund der großen Zahl an Schülerinnen, die eine Lehrerin hat, endet es in vielen Fällen dann doch mit Standardsätzen, weil auch Lehrerinnen nur endlich viel Zeit haben.)

Ein Problem ist hier also die Annahme, dass wir eine einfache Zahl verwenden können, um “Wissen” zu beschreiben. Und das ist in anderen Bereichen noch wesentlich schwieriger – wenn ich zum Beispiel schriftliche Texte aus meinem Präsentationsworkshop bewerte, lässt eine mäßige Note nahezu gar keine Rückschlüsse mehr zu, was denn nun das Problem war: Schlechte Formulierungen? Unlogische Gliederung? Sprunghaftes Niveau? Zwei Texte mit gleicher Note zum selben Thema können vollkommen unterschiedlich ausfallen.

Die leichtere Frage

Was wir eigentlich tun, wenn wir eine Klausur bewerten, ist ähnlich zu dem, was bei Daniel Kahnemann (“Thinking – fast and slow”) “Aswering an easier question” heißt. Eigentlich wollen wir die gesamte Komplexität des Wissens einer Schülerin bewerten. In einer Zeit, wo es vielleicht nur eine Handvoll Schülerinnen pro Lehrerin gab, war das sicher einfach – jede Lehrerin wusste genau, was ihre Schülerinnen konnten und was nicht. (So ist es heute noch z.B. bei Doktorarbeiten – da weiß man als Betreuerin ziemlich genau, was am Ende rauskommt, weil man die Doktorandin und ihre Arbeit über Jahre intensiv begleitet hat.)

Mit vielen Schülerinnen, die man bewerten muss, ist das aber so einfach nicht mehr möglich. Und deswegen sucht man eben nach einer anderen Möglichkeit, das Wissen zu quantifizieren und landet bei der Idee einer Prüfung. Diese findet unter künstlichen Bedingungen statt, die nicht unbedingt dem entsprechen, was die Schülerinnen wirklich an Wissen und Fähigkeiten brauchen (darauf zielte ja auch Jürgens Text ab), aber sie sind eben einfach durchzuführen und auszuwerten.

Wir ersetzen also die schwierige Frage (“Was weiß die Schülerin und wie ist ihr Wissen zu bewerten”) durch eine deutlich einfachere (“Wie schneidet sie bei der Klausur ab?”)

Das Messproblem

Aus der Quantenmechanik wissen wir, dass die Messung das Ergebnis beeinflussen kann. Das ist das so genannte Messproblem. Ein ähnliches Problem (naja, die Ähnlichkeit ist nur sehr entfernt…) haben wir bei der Klausur auch. Wenn wir nämlich am Ende eine Klausur schreiben, um daraus eine Note abzuleiten, dann müssen wir die Schülerinnen natürlich auch auf die Klausur vorbereiten. Plötzlich geht es nicht mehr primär um die Vermittlung all des Wissens, das wir eigentlich gern vermitteln wollen, sondern wir konzentrieren uns darauf, das zu vermitteln, was sich auch in einer Klausur abfragen lässt. (Ich versuche, mich zumindest ein wenig gegen diesen Trend zu sperren und halte ab und zu auch mal meinen “Warum es in dieser Vorlesung nicht darum geht, Sie auf eine Klausur vorzubereiten”-Vortrag, aber ganz vermeiden lässt sich so etwas natürlich nicht, das wäre dann wieder unfair den Studis gegenüber.)

Was wir beibringen, ändert sich also so, dass wir uns darauf konzentrieren, genau die Dinge beizubringen, die am Ende auch abfragbar sind. Kreative Lösungen, lange komplexe Gedankenketten, die sich in einer Klausur schwer unterbringen lassen, die Fähigkeit, eine Lösung in einem Dialog zu finden oder sich fehlendes Wissen per Recherche anzueignen, können dann dabei schon einmal unter den Tisch fallen. (Auch das hat Jürgen ja angemerkt.) Hinzu kommt dann noch, dass das Korrigieren einer Klausur ja auch Zeit kostet – die Versuchung ist also groß, die Aufgaben so zu stellen, dass sie sich schnell korrigieren lassen, auch wenn dabei dann vielleicht solche Aufgaben, die viel darüber aussagen, ob jemand etwas wirklich verstanden hat, unter den Tisch fallen.

Klausuren beruhen also letztlich auf einer Verkettung von drei fragwürdigen Schritten: Wir nehmen an, dass die Größe, die uns interessiert, sich mit einer Zahl beschreiben lässt, wir versuchen diese Annahme zu realisieren, indem wir uns ein entsprechendes Messverfahren ausdenken und müssen dann unsere Vorgehensweise so ändern, dass sie diesem Messverfahren angemessen ist.

Aktien

O.k., ich geb’s zu, von Aktien verstehe ich nicht viel (für Werte von “nicht viel” gleich “praktisch nichts”). Aber ich sehe hier einen ähnlichen Mechanismus wirken. Aktuell dienen Aktien ja letztlich dazu, ein Unternehmen zu bewerten. Dahinter steckt schon mal die Annahme, dass eine solche eindimensionale Bewertung möglich ist – Fragen wie Umweltverträglichkeit, Arbeitsklima oder zusätzliche Sozialleistungen für Mitarbeiterinnen zeigen schon, dass das durchaus eine problematische Annahme ist.

Dann geht es um die Frage, wie man den finanziellen Wert des Unternehmens feststellt. Letztlich natürlich dadurch, dass man prüft, was Menschen bereit sind, für das jeweilige Unternehmen (bzw. Anteile an diesem Unternehmen) zu bezahlen. Das führt dann aber dazu, dass es nicht mehr primär darum geht, was ein Unternehmen tatsächlich wert ist, sondern zunächst eher darum, was ich glaube, dass es wert ist. Aber da der Aktienkurs ja nicht durch mich allein gemacht wird, sondern durch alle, die mit Aktien handeln, muss ich mich für erfolgreiches Handeln nicht wirklich fragen, was die Aktie mir wert ist, sondern was ich glaube, dass sie den anderen wert ist. Diese anderen machen aber ja genau das Gleiche. Am Ende geht es also nicht mehr direkt um den Wert eines Unternehmens, sondern darum, was Leute glauben, dass andere Leute glauben, dass ein Unternehmen wert ist. Das sehen wir ja z.B. bei der VW-Aktie – da stehen in Wolfsburg und anderswo ja nicht plötzlich nur noch halb so viele Maschinen rum wie vor ein paar Monaten. (Ja, mir ist klar, dass diese Sicht des Aktienmarktes sehr vereinfacht ist – falls sie wirklich grob falsch sein sollte, beschwert euch in den Kommentaren.)

Auch andere Zahlen in der Wirtschaft, beispielsweise Indices, können unter dem Messproblem leiden. Mehr dazu findet ihr beim World Financial Review. Aber ehe ich noch mehr über Wirtschaft schreibe und noch mehr Wirtschaftsexpertinnen sich die Haare raufen, wechsle ich lieber schnell das Thema,

Rankings

Rankings, zum Beispiel von Unis, sind ja auch sehr beliebt. Auch sie unterliegen denselben Problemen. Da ist zum einen die Idee, man könne Unis entlang einer eindimensionalen Achse vergleichen. Um das Ranking zu erstellen, guckt man sich ja sehr viele Zahlen an (ähnlich wie es viele Klausuraufgaben gibt), gewichtet diese und bildet daraus ein Ergebnis. Dabei herrscht letztlich Willkür dabei, welche Zahlen ich wie heranziehe. Wie gewichte ich die Wohnsituation von Studis gegen die Qualität des Mensaessens oder die Wartezeit auf einen Platz in einem Labor? Für die einzelne mag dann am Ende die Gewichtung ganz anders ausfallen, als es ein Ranking vorgibt. Bei uns in Braunschweig zum Beispiel geht die Anerkennung von Kursen im Ausland meist recht problemlos – wenn ihr also ein halbwegs stressfreies Auslandssemester plant, dann seid ihr bei uns vielleicht besser aufgehoben als an einer Uni, die in anderen Bereichen besser punktet.

Und manche Dinge lassen sich vielleicht auch gar nicht oder nur schwer quantitativ erfassen. Wie ist die Lernatmosphäre an der Uni, wie wohl fühlt man sich dort? Klar, kann man mit Umfragen herauszufinden versuchen, aber auch hier sieht man schon, dass die Versuchung groß ist, die einfachere Frage zu stellen und eben diejenigen Dinge zum Ranking heranzuziehen, die man leicht quantifizieren kann. Wenn man sich nur auf Umfragen verlässt, dann läuft man auch Gefahr, dass z.B. die Uni gut abschneiden, an denen tendenziell eher gute Noten vergeben werden – was am Ende auch nicht zielführend ist, denn dann schlägt das dritte Problem zu, das Messproblem.

Die Leute, die an Unis arbeiten, sind ja auch nicht doof und gucken sich an, wo ihre Uni im Ranking steht und warum. Und wenn dann herauskommt, dass eine andere Uni besser abschneidet, weil dort z.B. bessere Noten vergeben werden, ist die Versuchung natürlich groß (nein, bei uns an der Tu gab es bisher keine Aufforderung, gute Noten zu vergeben), gleichzuziehen und die Klausuren einfacher zu machen (wie leicht das ist, haben wir ja oben gesehen). Klingt ja erst mal positiv – bis ihr dann in dem Auto sitzt, das von den Leuten konstruiert wurde, die an ihrer Uni wenig gelernt haben, weil es eine Noteninflation gab… Denn eigentlich ging es ja darum, an der Uni etwas beizubringen und nicht darum, Noten zu verteilen. Die Messung beim Ranking beeinflusst dann also wieder das, was an der Uni passiert.

Der Mechanismus, den ich für die Klausuren skizziert habe, ist also anscheinend gar nicht so selten: Wir wollen etwas Komplexes quantifizieren, um das zu tun suchen wir nach quantifizierbaren Messgrößen die mit dem, was uns eigentlich interessiert, hoffentlich eng zusammenhängen, die aber eben nicht identisch sind, und weil wir dann wissen, dass diese Messung so stattfindet, ändern wir unser Verhalten, um es an genau diese Messung anzupassen. Wahrscheinlich fallen euch noch deutlich mehr ähnlich gelagerte Beispiele ein – die könnt ihr ja gern in die Kommentare schreiben.

Kommentare (75)

  1. #1 AndreasMa
    5. November 2015

    Bei Aktien ging es ja nie darum, wirklich einen objektiven Wert des Unternehmens zu finden, sondern einen in dem Moment gültigen Preis.
    Aber die Erkenntnis, dass der Glaube, was andere glauben, den Preis treibt, ist wichtig. Denn daran sieht man, dass Aktienkurse stark selbstreferentiell sind und von Glauben abhängen.
    Täglich wird von den Priestern dieses Glaubens Zahlenmystik im öffentlichen Fernsehen zelebriert, und das Witzige ist:
    Wenn nur genügend daran glauben, verhält sich der Aktienkurs als Gott tatsächlich so, was wohl ein Alleinstellungsmerkmal unter den Religionen ist.

  2. #2 MartinB
    5. November 2015

    @Andreas
    “Bei Aktien ging es ja nie darum”
    Ist das so? ich dachte, am Anfang hätte man solche Unternehmensanteile einigermaßen direkt nach dem Unternehmenswert festgelegt.

  3. #3 CM
    5. November 2015

    Einfach und gut geschriebener Artikel. Danke.

    Zwei Bemerkungen:

    Ist das so? ich dachte, am Anfang hätte man solche Unternehmensanteile einigermaßen direkt nach dem Unternehmenswert festgelegt.
    Bei der Emission von Aktien wird versucht das Marktumfeld abzuschätzen. Natürlich spielt dabei auch der “Unternehmenswert” eine Rolle. Aber was ist dieser Wert? Warum steigt er z. B. in den letzten Jahren überdurchschnittlich im Vergleich zum Wachstum der Volkswirtschaften? Viele meinen: Weil Geld so billig ist und andere Anlageformen zu wenig Rendite verheissen. Da sind Anleger auch bereit schlechter Verhältnisse von Unternehmenswert zu Rendite zu akzeptieren, denn die Rendite ist bei Aktien oftmals immer noch höher als bei Rentenpapieren.

    Und:
    (So ist es heute noch z.B. bei Doktorarbeiten – da weiß man als Betreuerin ziemlich genau, was am Ende rauskommt, weil man die Doktorandin und ihre Arbeit über Jahre intensiv begleitet hat.)
    Der Witz ist gut! (Jedenfalls erklären sich die hohen Abbruchsquoten beispielsweise nicht durch ein durchschnittliches zu Viel an Betreuung. Und umgekehrt: Wie oft habe ich schon gedacht, dass dies eine gute Arbeit wird und dann doch der schriftliche Ausdruck und logische Stringenz mies waren.)

  4. #4 Dr. Webbaer
    5. November 2015

    Es geht bei “Klausuren” und Ähnlichem um die Qualifizierbarkeit von Gelerntem.
    Diese erfolgt näherungsweise, ausschnittsartig und an die Interessen der Prüfer gebunden, angeblich oft auch an höherartige Interessen, an die der Gesellschaft manchmal.
    Keine Ahnung wie diesbezüglich oft angemessene Kritik etwas an der Sicht ändern kann, dass derartige Prüfung mit sich anschließendem Qualifikationsnachweis nötig [1] ist.

    BTW, Aktien und ähnliche Teilhaberverhältnisse spielen in einer anderen Liga, das sind Wetten (um einmal das Fachwort zu nennen) oder Versuche an Unternehmen teilzunehmen.

    MFG
    Dr. W

    [1]
    ‘Alternativlos’ sozusagen, der Schreiber dieser Zeilen kommentiert ja im “Mutti-Land”, lol.

  5. #5 Dr. Webbaer
    5. November 2015

    @ Herr Dr. Bäker :

    ich dachte, am Anfang hätte man solche Unternehmensanteile einigermaßen direkt nach dem Unternehmenswert festgelegt.

    Sofern sich der definierte oder angestrebte und per Anteil ausgeteilte Unternehmenswert am Markt so umsetzen lässt.
    Manchmal scheitert auch so ein IPO (das Fachwort), wenn sich nicht genug Käufer finden; ischt ein schwieriger Prozess, der sehr ausgefeilt ist, den Emissionskurs zu bestimmen ist eine Kunst an sich, insofern vertrauen sich Unternehmen, die nun, going public (das Fachwort) gehen auch einer Bank ihres Vertrauens an, die i.p. Werbung passend promoviert (und ganz schön teuer ist, Opa W war bei solchen Veranstaltungen schon mal dabei).

    MFG
    Dr. W

  6. #6 Niels
    5. November 2015

    Ich war extrem froh, dass in meine Diplomnote nur mündliche Prüfungen und die Diplomarbeit eingingen.
    In mündlichen Prüfungen kann man meiner Meinung nach deutlich besser zeigen, ob man etwas verstanden hat, als wenn man vor vier ziemlich willkürlich ausgewählten Klausuraufgaben sitzt.

    Dafür hängt die Note bei mündlichen Prüfungen natürlich extrem vom Prüfer ab, ist also eigentlich auch keine faire Lösung…

  7. #7 Dr. Webbaer
    5. November 2015

    @ AndreasMa :

    Bei Aktien ging es ja nie darum, wirklich einen objektiven Wert des Unternehmens zu finden, sondern einen in dem Moment gültigen [1] Preis.

    Um einmal das Fachwort zu nennen: den Marktpreis.

    Der Markt ist nicht mit einem wie auch immer gearteten ‘Gott’ zu vergleichen, gar zu verwechseln, der Markt ist “Du und ich” [2], adressiert ist hier die Menge und deren Verständigkeit und deren Präferenz(-verhalten).

    Die Aufklärung nutzt insofern die Menge und deren Vernunft und den dbzgl. Markt, genau das ist ihr Erfolgsrezept.
    Geht natürlich nur bei bestimmter vorliegender Kultur und mit hoch komplexen Systemen, loge.

    MFG
    Dr. W

    [1]
    ‘Gültig’ ist was gilt, vgl. mit ‘gelten’ – die Formulierung war OK, danke.

    [2]
    Geduzt werden sollte hier nicht, der Schreiber dieser Zeilen meidet zudem auch die Rede in der ersten Person Singular (und Plural), es liegt eine Metapher vor.

  8. #8 Chemiker
    5. November 2015

    Das Problem der „Prüfungs­optimierung“ war bei uns im Studium als Schein­wissen, weil man einen Schein dafür bekommt (ja, für jede einzelne Prüfung gab es ein Zeugnis, ich weiß nicht, ob das heute auch noch so ist).

    Im Endeffekt war das Problem aber gar nicht so groß, weil fast alle Prüfun­gen münd­lich abzulegen waren. Voraus­gesetzt, der Prüfer ist kein Idiot (kam vor, war aber nicht die Norm), hat der nach 30 bis 60 Minuten Prüfung eine ziemlich klare Vorstellung davon, was der Prüf­ling weiß. Die Frage ist natürlich, ob er das ins Zeugnis schreibt oder ob ihm vor einer Wieder­holung der Prüfung so graut, daß er den Studenten lieber mit einem Genügend wegschickt.

    Mit den meisten Prüfern waren die Prüfungen sehr angenehm, manchmal lautete die erste Frage auch „Tee oder Kaffee?”. Trotzdem gab es einige Studenten, die zwar kompetent waren, die aber trotzdem mit heftigem Lampen­fieber zu kämpfen hatten und manchmal auch daran scheiter­ten — im Lauf der Jahre bekam man aber Routine.

    Insgesamt halte ich die mündliche Prüfung für das deutlich bessere Verfahren.

  9. #9 MartinB
    6. November 2015

    @CM
    Mit “am Anfang” meinte ich “damals, als man die ersten Unternehmensanteile erfunden und verkauft hat”.

    “Der Witz ist gut!”
    War eigentlich kein Witz. Ich bin zumindest in meiner Promotion exzellent betreut worden und gebe mir Mühe, auch für meine Doktorandinnen da zu sein, wann immer ich gebraucht werde. Und was die schriftliche Ausarbeitung angeht – dafür spricht man ja detailliert über den Entwurf.
    Gibt es denn bei Doktorandinnen hohe Abbruchquoten?

    @Niels, Chemiker
    Bei mündlichen Prüfungen gibt es dafür andere Probleme. Als ich noch Prüfungsbeisitz gemacht habe, habe ich es öfters erlebt, dass die Prüferin bei zwei Studis diejenige deutlich besser bewerten wollte, die einfach gesprächiger war, auch wenn beide das gleiche wussten.
    Seit ich selber Prüfungen mache, merke ich, dass man als Prüferin versuct ist, die Studierenden irgendwie zur Lösung hinzuführen – aber wenn man dann 5 Minuten braucht,damit sie die frage dann doch beantworten können, dann muss man sich hinterher fragen, wie man das bewerten soll. (Inzwischen mache ich so was einfach nicht mehr, muss man ja auch erst lernen…)
    Und drittens ist es auch schlicht eine Frage der Menge – ich erinnere mich an meine mündliche Informatik-Prüfung. Die professorin hatte 600 mündliche Prüfungen abzunehmen, dazu gab es etwa 15 Prüfungen pro Tag im 30-Minuten-Takt. Ich hatte zwischendurch bei der Prüfung mehrfach den Eindruck, ich hätte auch über das Wetter reden können, weil sie eh nicht in der Lage war, mir wirklich zuzuhören.
    Trotzdem denke ich auch, dass gerade bei Fachgebieten, wo es ums verstehen komplexer Zusammenhänge geht, eine mündliche Prüfung besser ist – aber gut ist sie auch nicht wirklich…

  10. #10 MartinB
    6. November 2015

    Ich sehe gerade, dass Jürgen (der mehr von Wirtschaft versteht) die Aktiengeschichte weiter vertieft hat:
    https://scienceblogs.de/geograffitico/2015/11/06/noten-und-werte-eine-fortsetzungsgeschichte/

  11. #11 Ulfi
    6. November 2015

    Ich kann die Kritik noch immer nicht ganz nachvollziehen. Natürlich ist klar, dass in einer Note nicht alle Informationen drin sind, aber das ist nicht Aufgabe der Note. Die Aufgabe der Note ist zu zeigen, wie der Prüfende die Fähigkeiten des Prüflings einschätzt, mit dem Prüfungsstoff zu arbeiten.

    Im Universitätsbereich ist man sich dem häufig nicht so klar, aber es gibt an Schulen für Klausuren strenge richtlinien dafür was abgefragt werden muss und was für Anforderungen eine Note hat. Wenn der Prüfende an einer Schule nur Wissensreproduktion verlangt, das heisst eingeübte aufgaben mit leicht anderen Zahlen abfragt, dann darf er für diese Prüfung eigentlich keine bessere Note als 3 vergeben. Es ist relativ klar definiert, dass man zum Beispiel für eine 2 zeigen muss, dass man den unterrichtsstoff in neuen aufgabenstellungen anwenden kann und für eine 1 muss man selbstständig neues Wissen erarbeiten.

    Natürlich gibt es dann Fälle wo zwei Schüler eine 3 kriegen, wo der eine gut in Wissensreproduktion ist und der andere gut in den kreativen Aufgaben, aber schlussendlich haben beide ihre Mängel und das zeigt die Note an.

    Ich gehöre nebenbei zu den Schülern die tendentiell durch Klausuren benachteiligt wurden, weil ich zwar kreativ und intelligent, aber auch schlampig und faul war. Meine Schrift war unleserlich; da ich nie geübt habe, habe ich rechenfehler gemacht; die Endergebnisse waren fast nie richtig, aber der Lösungsweg war korrekt(wenn auch nicht-standard). Und dafür kriegt man dann eine Note zwischen 2 und 4. In der Uni wurde es dann besser – einfach weil der Stoff interessanter war.

  12. #12 MartinB
    6. November 2015

    @Ulfi
    Eigentlich sagst du es selbst:
    “dafür kriegt man dann eine Note zwischen 2 und 4.”
    Du hattest also Noten zwischen 2 und 4 – das sagt über deine Fähigkeiten nahezu nix, anders als der Absatz davor, aus dem man einiges über Dich weiß.

    Die Note soll ja auch eine Idee geben, wie fähig jemand ist (jedenfalls weiß ich nicht, was Noten sonst sollen) – rein nach den Noten wärst du also für ein Studium mit viel Mathe nur bedingt geeignet (und jemand, der nicht so viel wirklich versteht, aber brav alle Regeln gelernt hat, hat vielleicht sogar bessere Noten), aber anscheinend passt es ja trotzdem. Und das zeigt doch auch, dass die Noten letztlich nicht das aussagen, was wir eigentlich wissen wollen.

    ” Es ist relativ klar definiert, dass man zum Beispiel für eine 2 zeigen muss, dass man den unterrichtsstoff in neuen aufgabenstellungen anwenden kann und für eine 1 muss man selbstständig neues Wissen erarbeiten.”
    Naja, wie man sich innerhalb von ein paar Minuten mal eben schnell “neues Wissen erarbeiten” soll, ist mir ehrlich nicht so klar – da müssen die Aufgaben schon genau so gestellt sein, dass das geht (oder zu gehen scheint). Was dann zu Problem 2 führt – ich messe das, was sich leicht (innerhalb einer Klausurzeit) messen lässt.

  13. #13 Dr. Webbaer
    6. November 2015

    Liest sich ganz gut, so kann verglichen werden:

    So wie Aktienmärkte einen Anreiz schufen, “Wert”papiere mit möglichst hohem Aktienpreis zu produzieren, die nicht unbedingt durch echte Werte gedeckt sind, schafft ein Bildungssystem, das zu sehr auf die Messbarkeit von Leistung abstellt, ein System, das nur an der Produktion von Testergebnissen interessiert ist. In beiden Fällen bleiben die eigentlichen Ziele, also die Schaffung von etwas, das einen Wert in sich hat, auf der Strecke. (Quelle)

    Zynisch formuliert lösen sich die beiden verglichenen Systeme spätestens beim “Messerfolg” von ihren ‘eigentlichen Ziele[n]’ und dies ist zwingend so.
    Hängt damit zusammen, dass der “eigentliche Wert” von Unternehmen und Bildung schwierig zu bestimmen ist, subjektiv, einem permanenten Diskurs unterworfen.
    Ganz klar wird das bei Wettbüros, die im Web bereitstehen, so etwas zum Beispiel, Wettbüros sind oft näher an dem, was eigentlich ist, als Analysten mit ihren Umfragen.

  14. #14 mar o
    6. November 2015

    Zu den mündlichen Prüfungen gab es bei uns in der Fachschaft immer Gedächtnisprotokolle von Studis, die die Prüfung bei dem Professor schon gemacht haben. Da viele der Professoren immer ähnliche Fragen gestellt haben, war es für eine gute Note auch da schlauer, sich intensiv auf diese Prüfungsfragen vorzubereiten, als sich kreativ mit dem Thema auseinanderzusetzen.

    Letzendlich ist das wieder das Problem, was schon ein paar mal angeklungen ist: wenn die Lehrenden sich nicht genug Zeit nehmen (können?), ist es einfach schwierig, das Wissen der Schüler einzuschätzen.

  15. #15 lindita
    6. November 2015

    Schulranking. Da wir kein dreigliedriges Schulsystem haben, müssen wir nach Ranking suchen. Unsere Tochter hat eine Klasse wegen ihrer Leistungen übersprungen (ohne Pauken oder sonst irgendeinen Druck), deshalb haben wir entsprechend nach einer starken Schule gesucht, damit sie sie auch fordert. Jaben zwar eine Schule gefunden, die in der Liste auf den oberen Plätzen stand, ist unsere Tochter immernoch die stärkste aus ihrer Klasse. Ranking ist zwar eine Sache, aber wie das Kind individuell reagiert ist auch eine Sache für sich.

  16. #16 MartinB
    6. November 2015

    @mar o
    Ja, das gab es bei uns auch. Und eine Kommilitonin fiel dann böse auf die nase, als dann in ihrer Prüfung zum ersten mal von den sonst immer gleichen Fragen komplett abgewichen und sehr abstruse Dinge gefragt wurden…

  17. #17 Dwon
    6. November 2015

    Bei den Noten hat man noch das Problem, dass man den Lehrer (und den Schüler) kennen muss um die Note einordnen zu können:
    In meiner Schulzeit hatte ich in Mathe immer eine 1 im Zeugnis. Nur in einem Jahr eine 6! Ursache war, dass der Lehrer viel mehr Wert auf die mündliche Leistung gelegt hat – am liebsten hätte er die vorgeschriebene Prüfung wohl auch weggelassen; HÜs gab es keine. Die meisten Mathelehrer ziehen hingegen die mündliche nur ran, falls sie glauben die Schüler sind besser als die schriftliche Note den Anschein hat.
    Dann gibt es noch Lehrer die 0 Punkte geben, wenn die Lösung falsch ist. Sprich am Ende falsch gerundet waren 0 Punkte – richtiger Rechenweg egal.

    Thema: Vorbereitung auf Prüfung
    Im Studium wurden wir fast ausschließlich auf die Prüfung vorbereitet, dass ging so weit, dass die Fragen mit Antworten diktiert wurden (!) und eine Zusatzfrage kam um die Noten zu streuen… In der Schule hingegen wurde mehr Wert auf Wissensvermittlung gelegt. Hin und wieder auch fürs Leben statt aus dem Lehrplan. Zudem gibt es dort die Möglichkeit von der Gesamtnote abzuweichen, falls der Lehrer der Meinung ist der Schüler sei eigentlich besser.

  18. #18 MartinB
    6. November 2015

    @Dwon
    “dass ging so weit, dass die Fragen mit Antworten diktiert wurden”
    Krass. Obwohl es auch bei mir in den 80ern eine Professorin gab, die in der mündlichen zwei Übungsaufgaben aus dem bekannten Fundus an 100 Hausaufgaben zog, und die musste man dann vorrechnen…

    “falls der Lehrer der Meinung ist der Schüler sei eigentlich besser.”
    Ja, ich erinnere mich noch an einen Chemie-LK, wo schriftlich 12, mündlich 13, Endnote 14 gerechnet wurde.

    Noten sind oft eben reine Willkür.

  19. #19 lindita
    7. November 2015

    @Dwon
    “In meiner Schulzeit hatte ich in Mathe immer eine 1 im Zeugnis. Nur in einem Jahr eine 6! Ursache war, dass der Lehrer viel mehr Wert auf die mündliche Leistung gelegt hat “

    Das kann nicht sein, schriftliche Arbeiten sind für alle einsehbar, selbst wenn mündlich nichts gesagt wird, und schriftlich eine Eins rauskommt, kann es nie eine 6 werden (ausser der Lehrer Wert auf sein eigenes “Gelaber” legt und man dort die logischen Schritte nicht begreift und dann auch schriflich nicht mehr klar kommt )

    Ich finde Benotung schon hilfreich. Es gibt Lehrer, die strenger benoten, und es gibt welche, die ein Auge zudrücken (würde mal sagen “auf die Stärke” gucken). Ich war zwar immer froh, wenn ich nicht die Strengen hatte (ausser in Mathe, da mag ich echt kein “Gelaber” drum rum), aber die Strengen Lehrer haben mir eine andere Perspektive auf mein Können bzw. Nichtkönnen ermöglicht. Es ist doch auch wichtig zu wissen, was man nicht kann. Somit objektiviert sich ein Wert. Im Leben muss man auch mit verschiedenen Menschen klarkommen, die dich unterschiedlich bewerten.

    Eigentlich ist es immer fair, wenn die Note gut ausfällt, und immer unfair, wenn schlecht. (wir wollen nie die eigene Fehlbarkeit, was menschlich ist, wahrhaben)

    Schon in der Schule wusste ich, wenn nichts gelern und nichts verstanden, da kann mir auch keine längere Prüfungszeit und kein grosszügiger Lehrer helfen. Dann habe ich eben eine schlechte Note, weil mir gerade etwas anderes wichtig war.

    Das Problem ist nicht die Bewertung an sich, sondern die Erwartungen von Aussen an mich. Ich kann mit meiner schlechten Note klar kommen, aber die Eltern, die Lehrer, die Gesellschaft nicht. Lieber werde ich ein erstklassiger Bäcker, als drittklassiger Arzt. Aber solange “die da oben” (die “Wertvollen”) meinen, sonst wird man wie “die da unten” (die “Wertlosen”) enden, wenn man auf Teufel komm raus keine guten Noten hat, dann wird die Gesellschaft sich weiterhin in eine verlogene Selbsteinschätzung drängen lassen.

    Wenn die Noten blos ein Klassenkampf sind und es geht weniger ums Lernen, dann ja, da kann man sich aufregen und sich unfäir behandelt fühlen, und versuchen noch mehr Verlogenheit in ein System reinzubringen, so dass wir überall nur drittklassige Ärzte kriegen.

    Meiner Tochter versuche ich immer den Druck zu nehmen. Sie kann auch so gut in jungen Jahren sein, auch so leicht alles handhaben, man weiss nie, ob und wann es “klick” machen kann, und plötzlich kommt man nicht mehr weiter, dadurch wird man nicht weniger wert sein.

    Was mir noch am Herzen liegt ist, wenn ich heute studieren könnte, würde ich es machen. Heute hätte ich die Lust dazu und die Lebenserfahrung. Mit 18J. habe ich “Effi Briest” nicht verstanden, ich habe rein formal zwar die Analyse gemacht, aber halt einfach die Worte von jemand anderem wiederholt (dem Lehrer z.B.). Heute würde ich viel Theorie auf Anhib besser verstehen. Man sollte die Schule lebenslang ermöglichen, wo jeder rein und rausgehen kann in jedem Lebensalter ob als Kind oder Erwachsener. Also keine festen Lebensintervalle. Und wenn ich als Kind lieber bei Erwachsenen gesessen habe, dann auch solche Mischklassen zu bestimmten Themen und mit Noten auch. Ist natürlich mein Ideal.

  20. #20 MartinB
    7. November 2015

    @lindita
    ” Es ist doch auch wichtig zu wissen, was man nicht kann. ”
    Ja, aber wie hilft dabei eine simple “4”? Viel besser wäre docheben, genau erklärt und aufgelistet zu bekommen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen. Dass es sinnvoll ist, das Können zu bewerten, bestreite ich ja nicht – aber dass diese Bewertung sich in einer Zahl niederschlagen soll, finde ich unsinnig.

    “Eigentlich ist es immer fair, wenn die Note gut ausfällt, und immer unfair, wenn schlecht. ”
    In der Grundschule habe ich mal gegen eine 1 in Musik protestiert, weil ich die absolut ungerechtfertigt fand (die Lehrerin sah es aber anders und hat dann versucht, mich zu überzeugen). Und meine Kunstnoten verdankte ich auch nur der Tatsache, dass der Kunstlehrer mich mochte…

  21. #21 lindita
    7. November 2015

    @ MartinB

    “Ja, aber wie hilft dabei eine simple “4″? Viel besser wäre docheben, genau erklärt und aufgelistet zu bekommen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen.”

    Ich hatte kein Problem damit Noten zu verstehen. Meine Arbeiten waren “Rot” genug, um zu erfahren, wo die eigenen Schwächen sind.

    Bei meiner Tochter brauche ich auch nur ihre Arbeiten anzugucken, um zu sehen, wo sie was nicht verstanden hat. Es ist sogar besser, weil ich den kompletten Denkvorgang herleiten kann und damit unterscheiden kann, ob die Ursache ein Denkfehler, Strukturfehler, Flüchtigkeitsfehler, komplettes Unverstehen oder elementares Nichtlernen ist (ist vielleicht die Aufgabe des Lehrers das herauszufinden, aber ich weiss, was zuhause los ist und kann besser schlussfolgern)

    Wobei bei uns mit Punkten gearbeitet wird. Jede Aufgabe hat eine Anzahl von Punkten und am Ende steht dann “13/15” (dreizehn von fünfzehn möglichen) z.B.

    Und im Zeugnis stehen Prozente ( keine Noten) – die eigenen und es gibt noch prozentualler Durchschnitt der Klasse zum Vergleich. (das ist nämlich sehr hilfreich zur Orientierung, weil man hat schon Bedenken, ob die Schule nicht zu leicht ist, aber wenn man Klassendurchschnitt von 50% sieht und der des Kindes 95%, dann habe ich als Mutter mehr Vorstellung vom abgefragten Niveau der Schule)

    Sekundarstuffe fängt bei uns ab 12J an. Am Anfang dieser Stuffe wird klar gesagt worauf, wann und zu welchem Verhältnis wert gelegt wird Z B dass die ersten 2 Jahre gleichermassen das Wissen und die Disziplin bewerten. Wenn die Bücher nicht rechtzeitig eingebunden sind, dann ist es egal wie super du in Tests bist, es beinflusst die Punkte zu 50%. In den oberen Klassen zählt dann ausschliesslich das Wissen.

    Ich denke, mehr Struktur für die Lehrer und Schüler, mehr klare Übersicht ist für alle Beteiligten hilfreich, denn dann selbst trotz individuell subjektiver Abweichungen, würde es nicht nach Willkür aussehen.

  22. #22 lindita
    7. November 2015

    Schüller

  23. #23 lindita
    7. November 2015

    nein doch Schûler

  24. #24 rolak
    7. November 2015

    sehr hilfreich zur Orientierung

    Allerdings nur zur Orientiereung, wessen Benotung besser ist, lindita – und hier im thread geht es darum, ob die Benotung respektive Bewertung via Klausur überhaupt angemessen ist, wenn es um die Beurteilung von Fähigkeit geht.

    Schüller

    Da hätteste beinahe alles versalzen…

  25. #25 MartinB
    7. November 2015

    @lindita
    “Bei meiner Tochter brauche ich auch nur ihre Arbeiten anzugucken, um zu sehen, wo sie was nicht verstanden hat.”
    Aber dazu brauchst du ja gerade nicht die Note am Ende, sondern eben die Detail-Info, wo was gehakt hat.

  26. #26 lindita
    7. November 2015

    @ rolak
    “Allerdings nur zur Orientiereung, wessen Benotung besser ist,”

    Wenn das eigene Kind nicht viel ins Lernen zuhause investiert und trotzdem irgendwie was schafft, fragt man sich, welches Niveau die Schule hat. Ich dachte immer, wer nicht stundenlang an Hausaufgaben sitzt, der nichts lernt. Und deshalb seiht man an den Prozenten der ganzen Klasse (wobei noch nach jedem Fach unterteilt), wie realistisch meine Einschätzungen bezüglich des eigenen Kindes und der Schule sind. Aber es stand ja nicht im Vordergrund meiner Schreibe.

    Wobei…

    Als ich mit 11 nach Deutschland gekommen bin, war ich in einem Jahr besser als die ganze Stuffe zusammen, Aber das war die Hauptschule. Eine Eins auf einer Hauptschule ist ungleich einer Eins auf dem Gymnasium um Vielfaches. Und da ich alle drei Gliederungen durchgemacht habe, kenne ich den ungefähren Wert. Deshalb, JA, Noten können unsinnig sein, wenn schon die Schulen sich gravierend im Niveau unterscheiden.

    @MartinB
    Aber dazu brauchst du ja gerade nicht die Note am Ende, sondern eben die Detail-Info, wo was gehakt hat.

    Ob nun die Note, Punkte oder Prozente, ich frage esrt danach. Ich sehe im Überblick Prioritäten, ohne dass ich jede Arbeit im Detail durchgehe. Für mich ist es einfacher. Genauso arbeiten wir auch in der Firma, erst Zahlen, dann Analyse. Das nennt sich meiner Meinung nach “Effizienz”, wir haben keine Ziet für unnötiges Verhalten.

    Daniel Kahnemann habe ich auch gelesen (kann nur weiterempfehlen), eine Analyse nimmt viel Energie in Anspruch, deshalb sind alle Methoden gut, um diese Haushalten zu können, das heisst auch intuitives Notenbild

  27. #27 lindita
    7. November 2015

    Noch eine Idee.

    Gymnasium: Note 1 bis 6
    Realschule : Note 3 bis 9
    Hauptschule: Note 6 bis 12

    So oder so änlich sollte die Realität aussehen (vielleicht ein wenig zu hart, aber dennoch)

  28. #28 MartinB
    7. November 2015

    @lindita
    “Das nennt sich meiner Meinung nach “Effizienz”, wir haben keine Ziet für unnötiges Verhalten. ”
    Ich finde an einer detaillierten und individuellen Bewertung von Schülerinnenleistungen nichts “unnötig”, auch wenn sie ineffizient ist. Klar, unsere aktuellen Systeme geben das nicht her – eigentlich sollte ich (oder vielleicht eine Mentorin für jede Studentin) bei meinenVorlesungen alle paar Wochen individuel mit jeder Studentin reden und sehen, wo es hakt, aber die Zeit dafür habe ich eben nicht. Das ist aber meiner Ansicht nach ein Problem des Systems, kein Vorteil.

  29. #29 lindita
    7. November 2015

    Ich vertstehe immer noch nicht, wo das Problem ist. Bei einer geschriebenen Arbeit wird ja etwas erwartet. Fehler werden am Rand kommentiert, Man kann sich Verhältnissmässigkeit verschiedener Fehlereigenschaften vorrechnen.

    Rechtschreibung: (kann zu 60%) macht 10% des Wertes aus
    Grammatik: (kann zu 80%) macht 20% des Wertes aus.
    Arbeitstruktur: (kann zu 50%) macht 30% des Wertes aus
    Analyse (kann zu 70%) macht 40% des Wertes

    Mit der kurzen Randnotiz zur Kategorie, da braucht man den Menschen nicht persönlich kennen.

    Bei der Klausurbenotung ist es ehe zu spät. Näherer Kontakt ist beim Lernen nötig, damit man sieht, wie man dem Kind was besser beibringt.

  30. #30 lindita
    7. November 2015

    und ich finde, es sollte sogar jemand ganz Fremdes die Klausuren objektiv bewerten, unabhängig vom mündlichen “Honigschmieren” wärend des Unterrichts und unabhängig vom Namen “Mohammed”

  31. #31 lindita
    7. November 2015

    während

  32. #32 MartinB
    7. November 2015

    @lindita
    “Mit der kurzen Randnotiz zur Kategorie”
    Auch da siehst du doch selbst, dass die Endnote allein eben wenig aussagt.

    “die Klausuren objektiv bewerten”
    Ich glaube nicht, dass es möglichist, Klausuren objektiv zu bewerten. Das maximum, was sich erreichen lässt, ist “gerecht”, d.h., dieselben kriterien für alle. Aber “objektive” Maßstäbe, die man so festlegen kann, dass unterschiedliche Leute zum selben Ergebnis kommen, wird es nich tgeben (dazu gibt’s ja auch was im Buch von Kahnemann – z.B. die Geschichte mit der Abhängigkeit der Häufigkeit von Begnadigungen von der Zeit, wo die Richterinnen zuletzt was gegegessen haben).

  33. #33 Dr. Webbaer
    7. November 2015

    Multiple Choice ist eigentlich gar nicht so schlecht, sie nimmt das Subjekt aus der Bewertung heraus, so dass (scheinbare) Objektivität entstehen könnte.

    Das Problem bei MC ist, dass heutzutage mit der Veröffentlichung oder zumindest der mündlichen und skizzierenden Weitergabe der Frage-Positionen gerechnet werden kann, was den dbzgl. Ansatz zuverlässig zu verhunzen in der Lage ist.

    MFG
    Dr. W

    PS:
    ‘Gerechtigkeit’ im Sinne fachlicher bis sittlicher Richtigkeit ist in Bezug auf den Lehrer nicht möglich.
    U.a auch deshalb nicht, weil der Proband besser als der Lehrer sein könnte.
    Näherungsweise lässt sich hier einiges machen, korrekt.

  34. #34 lindita
    7. November 2015

    @MartinB
    Kann man bei objektiv falscher Note auch Einspruch einlegen?

    Man sollte das nicht so hinstellen, als ob da allein die Endnote stehen würde, wo doch ein Paar Zeilen drüber die ganze korrigierte Klausur steht

    Genau, das mit den Richtern (ich finde es amüsant mit den “rinnen”, mich persönlich stören solche Formalien, egal wie sie enden, nicht)…

    Man könnte dies zur Kenntnis nehmen und maximale Routine herstellen – keine Klausuren bewerten, bevor das Gehirn keine Glucose gefuttert hat.

    Und unbeteiligte Prüfer wäre ein Anfang, weil schon mal die Möglichkeit der Bevorzugung von Schûlern wegfällt. Z B wie es beim Kahnemann mit der Frage nach VIPs war, nur weil sie den (ausgedachten) Namen schon mal irgendwo gehört haben, müsste er ein VIP sein.

    Trotzdem, nichts ist objektiver als eine schriftliche Prüfung,

    Auch schriftlich ausgedrückte Bewertung ist eine Wertung. Eine 5 eine “Mangelhaft”, oder eine seitenlange Umschreibung einer Mangelhaft. Es bleibt doch dasselbe. Problem der Objektivität bleibt dasselbe.

    Und wenn wir gar nicht bewerten? Wer soll dann bewerten? Ist es mir egal ob ich zu einem “mangelhaften” Arzt mit Hauptschulabschlus gehe? Er kann sein Diplom per Internet bestellen und erst in der Praxis zeigen, was er drauf hat?

    Wir werten doch ständig und jeder sollte seine Pflichtwertung erfüllen und nicht alles auf das Kettenende (Verbraucher zB) verschieben.

  35. #35 MartinB
    7. November 2015

    @lindita
    Ich verstehe ja, dass man irgendeine Form der Bewertung braucht, und ich behaupte ja auch nicht, dass ich eine bessere Lösung weiß, wie man eine große Zahl an Schülerinnen oder Studentinnen bewerten soll.
    Die Probleme von Klausuren, die ich oben angeführt habe, sind aber trotzdem da – und gerade das Problem, dass man am Ende eben für die Klausur trainiert wird, statt für das, worum es eigentlich geht , ist ja auch wahrlich nicht neu (“non vitae, sed scholae discimus”).

  36. #36 BreitSide
    Beim Deich
    7. November 2015

    @lindita #21: Es ist doch völlig egal, ob man mit Zahlen, Prozenten, Buchstaben oder wie auch immer bewertet, es ist immer eine eindimensionale Bewertung. DAS ist doch der Punkt.

    Wenn schon, dann vielleicht verschiedene Kategorien wie
    – Erkennen des Problems (nicht trivial, “Thema verfehlt” ist nicht selten),
    – Richtiger Rechenweg,
    – Richtiges Ergebnis,
    – Logische Korrektheit,
    – Schnelligkeit
    usw.

    Auf die Spitze wird das Ganze ja getrieben durch die “Diplomnote”, die sich ja wieder aus vielen Einzelnoten zusammensetzen, Praktika, Diplomarbeit usw. Die sich dann nochmal aus verschiedenen Noten, Scheinen usw. zusammensetzen. Zum Glück werden die verschiedenen Einzelnoten im Zeugnis wenigstens ausgewiesen.

    Ist das heute noch ähnlich? Ich steck da nicht mehr so drin.

  37. #37 lindita
    7. November 2015

    @ MartinB
    und gerade das Problem, dass man am Ende eben für die Klausur trainiert wird, statt für das, worum es eigentlich geht

    Genau, aber meiner Meinung nach liegt es am Unterricht selbst. Ich habe ja ein Beispiel mit “Effi Briest” gebracht. In erster Linie wird Analyse gemacht. Ich erinnere mich nur an “die Schaukel” von all dem, womit ich es zu tun hatte. Irgendwelche Symbole und Metapher. So viel, wie dort jeder reininterpretiert, fragt man sich schon, ob der Autor selbst das so gesehn hat.

    Aber das Eigentliche dieses Buches hat mir der Lehrer (es war eine “Sie”) nicht vermitteln können. Ja, damals hatte ich die Lebenserfahrung nicht, das sollte ein Lehrer bedenken und mich auf meinem Niveau die Situation im Roman nachfühlen lassen (zu viel verlangt?).
    Was dann bei einer Klausur passiert, ist wurscht, habe die Analysen gelernt und die Lehrers Kommentare.
    Warum jetzt Klausuren plötzlich das Problem sind?
    Daher weht der Wind nicht.

    Ok, ich habe vielleicht jetzt ein Aha-Erlebnis. Du meisnst, wären die Klausuren anders gestaltet, weniger auf einfachstmögliche Bewertung, dann würde der Unterricht anders verlaufen?

    Ich denke, wenn mich das Buch wirklich berührt hätte, würde ich jede Analyse von mir aus, und nicht von Lehrers Lippen, schaffen, Der kann immernoch meine Standartklausur bewerten, aber ich weiss mehr, der Lehrer weiss, dass ich mehr weiss. Doch es ist egal, es ist ein Bonus, der jedem Lehrer wichtig sein müsste, dass seine Schüler in kriegen, Auch wenn es in einer Klausur nicht gerade ersichtlich ist, und deshalb vielleicht gar nicht bewertbar. Oder nur weil es in einer Klausur nicht vorkommt, muss hier nicht Schluss mit Bildung sein.

    Ich habe meiner Tochter mit 2 1/2 das Alphabet beigebracht und mit drei das Lesen, und das war ein kleines Kind. Man spürt doch, ob das Kind das Spiel begreift oder nicht, dann kann man eventuell die Taktik ändern. So würde ich es mir von meinen Lehrern wünschen. Ok, man müsste schon so individuell wie möglich mit den Schûlern umgehen, dafür braucht man Zeit und Geld. Doch es bleibt immernoch ein Bonus für mich, es ist nicht das Hauptwissen, was erst wenn nötigt einfach “trainiert” werden muss.

    Noten sind dann eben der formale Spiegel, und weit von der Realität nicht wirklich entfernt, (beziehe es auf mich, fand die Bewertung immer fair und nachvollziehbar).

  38. #38 lindita
    7. November 2015

    @ BreitSide

    Wenn schon, dann vielleicht verschiedene Kategorien wie
    – Erkennen des Problems (nicht trivial, “Thema verfehlt” ist nicht selten),
    – Richtiger Rechenweg,
    – Richtiges Ergebnis,
    – Logische Korrektheit,
    – Schnelligkeit

    Ja, wenn es ersichtlich ist, es kostet keine Minute mehr es einfach dazuzuschreiben, Evetuell als Randnotiz, die Note kann ja trotzdem bleiben, wenn man weiss, wie sie zusammengestetzt ist.

    Ich hatte immer das Problem, dass ich meine Gedanken nicht strukturieren konnte, hatte viel zu sagen, am Ende war es so ein Chaos, dass nur ich den Faden sehen konnte. Das wurde mir zwar immer gesagt, aber die Einsicht kam spät, habe dann eine aus meiner Sicht “langweilige” Klausur geschrieben und Voila, die gute Note.

    Meine Wertung war “langweilig” und “interessant” – nicht “strukturiert” oder “chaotisch”. Könnte mich mal jemand darauf aufmerksam machen? Weil ich wusste nicht, was sie von mir noch haben wollten, es hat da kein klick gemacht.

  39. #39 MartinB
    8. November 2015

    @lindita
    “Du meisnst, wären die Klausuren anders gestaltet, weniger auf einfachstmögliche Bewertung, dann würde der Unterricht anders verlaufen? ”
    Ja, das ist mein Punkt Nummer drei oben.

  40. #40 Wollmeister
    Hamburg
    8. November 2015

    Ich sehe sofort ein, dass Noten eine starke Vereinfachung darstellen bzw. nicht immer das Richtige messen. Das liegt nicht nur an der Messmethode selbst, sondern auch an ihrer konkreten Anwendung. Wenn ich z.B. nur Wissensfragen stelle, dann messe ich nur Fleiß und Gedächtnis, nicht Kreativität oder Intelligenz. Dennoch vermisse ich ein wenig den konstruktiven Gegenvorschlag. Wie soll es sonst gehen? Dein Gegenbeispiel “Promotion”, in dem ein langer, regelmäßiger und enger Kontakt zu seiner sehr guten Einschätzbarkeit des individuellen Stärken-Schwächen-Profils führt, ist wegen der persönlichen Beziehung auch sehr subjektiv und bringt andere Gefahren mit sich. Ein wichtiges Element für eine Lösung des Problems scheint mir ein multidimensionaler Ansatz zu sein: eine Note in einer Klausur ist nicht wirklich aussagekräftig. Aber mehrere Noten in mehreren Klausuren, in mehreren Fächern, bei mehreren Lehreren, ergeben dann doch ein halbwegs objektives Bild. Ähnliches kennt man aus der BWL von Kennzahlen: jede Kennzahl für sich genommen ist eine Vereinfachung und angreifbar. Aber wenn mehrere verschiedene Kennzahlen einen Gegenstand aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, dann steckt in ihrem Mittelwert doch eine Information. Um ein Beispiel aus meiner eigenen Profession zu bringen: eine vergeigte Strafrechtsklausur sagt überhaupt nichts aus. Aber die Gesamtnote und der Studienverlauf hängen auch nicht von einer einzigen Note ab, sondern von schriftlichen und mündlichen Leistungsnachweisen in verschiedenen Rechtsgebieten und bei verschiedenen Dozenten. Darin steckt dann doch wieder eine halbwegs objektive Information.

  41. #41 MartinB
    8. November 2015

    @Wollmeister
    “Wie soll es sonst gehen? ”
    Ich denke, dass es legitim ist, Probleme eines existierenden verfahrens aufzuzeigen, auch wenn man keine Lösung für diese probleme hat. Der Artikel soll zum Nachdenken anregen und an einem Beispiel zeigen, wie man schrittweise etwas anderes tut, als eigentlich gewollt war.

    “Aber mehrere Noten in mehreren Klausuren, in mehreren Fächern, bei mehreren Lehreren, ergeben dann doch ein halbwegs objektives Bild.”
    Es ergibt sich ein Bild dafür, wie gut man Klausuren löst – ob das ein gutes Bild darauf gibt, was man wirklich kann, ist ja genau einer der Kernpunkte hier.
    Klausuren schaffen immer künstliche Bedingungen und künstliche Zwänge – und gerade in Jura ist es doch so (oder war zumindest zu meiner Studienzeit so), dass die meisten beim repetitor landen, weil das, was vermittelt wird, nicht zu dem passt, was man in der Klausur braucht.

  42. #42 Markus
    8. November 2015

    Sehr schöner Text!

    Bei Klausuren an Unis kommt dann auch noch dazu, dass die Aufgaben von Mitarbeitern gestellt werden. Die wechseln ständig und entsprechend fehlt es an Erfahrung. Irgendwann weiß man, dass ein Mitarbeiter für eine Rechenaufgabe , die 20min kosten soll, maximal 5min brauchen darf. Eine Sache, die von frischen Kollegen gerne völlig ignoriert wird, obwohl man es häufig genug sagt.
    Dazu kommen dann noch die Kollegen, die fachlich nicht unbedingt viel auf dem Kasten haben und sich über dämlich schwierige Aufgaben profilieren müssen. Keine Ahnung, warum das so sein muss, aber es hat System.

    Aber alles in allem passt das Notensystem doch wunderbarin das allseits beliebte gut-oder-schlecht-programm. Zwischenstufen und respektvolle Diskussion bei der man strukturiert alle Argumente aller Standpunkte analysiert, sind ja mittlerweile ja auch total verpönt. Wer nicht plakativ und polarisierend argumentiert, wird gar nicht mehr ernst genommen. Alles muss immer auf einen Wert reduziert werden. Alle Probleme müssen immer mit einer einfachen Lösung möglichst schnell gelöst werden. Egal, wie komplex sie sind. Intensive Auseinandersetzung war früher mal. Wahrscheinlich gibt es bald auch nur noch zwei noten…

    Früher war halt alles besser 😉

  43. #43 BreitSide
    Beim Deich
    8. November 2015

    Auch die Zukunft war früher besser (frei nach Valentin Ludwig Fey) 😆

    Was noch dazu kommt, sind die Praktika und -Arbeiten (Bachelor-, Master-…). Dort werden ja noch ganz andere Fähigkeiten erprobt. Deren Benotung (wie subjektiv sie auch immer sein mag) bringt m.E. noch ein weiteres Stück Realität in die Bewertung der Kandidatin.

  44. #44 MartinB
    9. November 2015

    @Markus
    Also ich mache die Klausuren zu meinen Vorlesungen selbst, dann weiß ich wenigstens sicher, dass sie passen.
    “Aber alles in allem passt das Notensystem doch wunderbarin das allseits beliebte gut-oder-schlecht-programm.”
    Zu dem Thema hab ich auch noch nen Textentwurf rumfliegen…
    @BreitSide
    Ja Praktika und -Arbeiten sind auch in meinen Augen eher angemessen zur Benotung. Aber da spielt dann wieder die persönliche Komponente rein – gerade bei studentischen Arbeiten ist es oft schwer, die wirklich korrekt zu bewerten, weil sehr viele Faktoren eingehen, die nicht alle von der Studentin zu verantworten sind (was hat schlicht nicht geklappt, wie anspruchsvoll war das Thema usw.). Aber solche Arbeiten sagen trotzdem mehr aus als ne Klausurnote, das sehe ich auch so.

  45. #45 Earonn
    9. November 2015

    Wie ketzerisch wäre eigentlich der Vorschlag, das Testen darauf, wer wie gut ist und dementsprechend mit welchem Gehalt wo anfängt, die Firmen übernehmen zu lassen?

    Im Moment können diese sich auf die Vorarbeit an der Uni verlassen, und wenn das ähnlich wie außerhalb der Unis läuft, wird dann der Neuzugang sowieso entsprechend eingearbeitet.
    Falls die Note eine falsche Aussage über die Bewerberin macht (sie besser darstellt, als sie ist), kann man im schlimmsten Fall immer noch auf eine Entlassung hinarbeiten. Aber die Kosten der Einschätzung trägt dennoch die Uni.

    Wenn jetzt die diversen Arbeitgeber selbst die Tests bezahlen müssten, würden diese vermutlich auch qualitativ besser werden, damit fürs teure Geld nicht der falsche Akademiker eingestellt wird. Das gilt übertragen natürlich auch für andere Berufe, obwohl es zumindest bei den Fernsehtechnikern tatsächlich so war, dass wir mit Bestehen der Gesellenprüfung eher als “größtenteils harmlos” galten, aber immer noch davon ausgegangen wurde, dass wir viel zu lernen hätten.

    Mag jemand die Idee weiterspinnen, oder hab ich was Entscheidendes übersehen?

  46. #46 MartinB
    9. November 2015

    @Earonn
    “hab ich was Entscheidendes übersehen?”
    Ich sehe nicht, dass das viel hilft – sowas in der Art gibt es ja schon als Assessment-Center, und die Konsequenz ist, dass man halt vorher ein Assessment-Center-Training macht…
    Wäre in dem Fall glaube ich nicht anders.

  47. #47 Earonn
    9. November 2015

    Naja, die Idee war, Aufwand und Kosten auf diejenigen zu verschieben, die davon profitieren wollen. Und die dann entsprechend motiviert wären, gute, halbwegs brauchbare Tests zu entwerfen – Assessment Center für alle, sozusagen.

    Aber war vielleicht auch nur eine halbgare Idee.

  48. #48 SSRMKK
    Hanau/MKK
    9. November 2015

    MartinB: volle Zustimmung, was die Problemanalyse angeht. Als Praktiker (am Gymnasium) habe ich allerdings die Erfahrung gemacht: Auch wenn es theoretisch unmöglich sein sollte, Noten mit sinnvollem Aussagegehalt zu vergeben, funktioniert es in der Praxis gut (nicht ideal aber gut).
    Du sprichst einige Kriterien für die “Güte psychometrischer Leistungstests” (Jargon aus dem Studium) an, die da lauten: Objektivität, Reliabilität und Validität (insbesondere “Konstruktvalidität (man misst, was man zu messen beabsichtigt)).
    Nun sollte es in der Theorie unmöglich sein, eine reliable Klausur zu konzipieren, denn um die Reliabilität einer solchen Klausur festzustellen, müsste man sie 5 mal schreiben lassen und jede Schülerin sollte jedes Mal dasselbe Ergebnis erreichen. Dass man dies nicht macht / machen sollte und dass das (bei einer reliablen Klausur) zu erwartende Ergebnis nicht eintritt, wird neben Verweis auf praktische Gründe auch mit “Lerneffekten” und mit “Ermüdungseffekten” begründet. So ließe sich also – in der Theorie – niemals die Reliabilität einer Klausur feststellen. Jetzt kommt noch dazu – wie in der Quantenmechanik -, dass eine solche Messung die meisten Individuen nicht unbeeinflusst lässt (was nicht nur erlaubt sondern geradezu erwünscht ist: Wer erinnerte sich nicht an die Intensität der Auseinandersetzung (unter Klausurbedingungen!) mit der einen oder anderen Aufgabe? oder an gewisse Dinge, die man *in* einer Prüfungssituation erstmals richtig verstanden hat?)
    Ok, ich sehe gerade, ein wirkliches Argument warum es in der Praxis möglich sein sollte, reliable Klausuren zu konzipieren, habe ich nicht gebracht … wenden wir uns lieber der (Konstrukt-)Validität zu 😉
    Man sagt in der Theorie, Kompetenzen würden “operationalisiert” (v.a. indem man “Indikatoren” für sie benennt). Das klingt furchtbar kompliziert, aber in der Praxis, runtergebrochen auf eine konkrete Lerngruppe und ein konkretes Stoffgebiet, so lautet jedenfalls alle Erfahrung, kann man sehr wohl Aufgaben konstruieren. Mal ein Beispiel:
    “Gegeben sind (konkret) 3 Punkte, Aufgabe: Geben Sie eine Gleichung der Ebene, auf der diese Punkte liegen, in Normalenform an.”
    Ich würde mich schwer tun mit dem Beweis, dass diese Aufgabe geeignet ist zu testen, ob jemand “das Konzept ‘Ebenen(-gleichungen) in Normalform’ verstanden” hat. Ich würde mitgehen bei der Behauptung, dass das Nichtlösenkönnen dieser Aufgabe nicht zwingend bedeutet, dass der Kandidat nicht über die genannte Kompetenz verfügt. Aber wenn umgekehrt jemand eine korrekte Lösung präsentiert, dann habe ich doch einen starken Indikator dafür, dass er oder sie tatsächlich das Konzept verstanden hat.
    Lange Rede / kurzer Sinn: Ich kann die theoretischen Gründe gegen Klausuren nachvollziehen, halte sie aber für praxisirrelevant.

    Der Aussage “Ein Mensch *sollte* nicht auf eine Zahl reduziert werden” kann ich zustimmen.
    Der Aussage, dass es völlig unmöglich sein sollte, dies zu tun, würde ich nicht zustimmen. Ich meine mal gehört zu haben, dass die Abi-Durchschnittsnote ein guter Prädiktor für die Diplom-(oder dergleichen)Note ist, im Sinne von: einen besseren Prädiktor konnte bislang niemand angeben.

  49. #49 SSRMKK
    Hanau/MKK
    9. November 2015

    Noch ein anderer Gesichtspunkt: Während viele Leute – berechtigte – Argumente gegen Noten vorbringen, wird im Bereich sportlicher Wettbewerbe selten die Sinnhaftigkeit von Rankings bestritten. Man mag einwenden, dass die Zeit, die jemand für einen 100-Meter-Sprint benötigt, leicht (und objektiv, reliabel und valide) gemessen werden kann, oder dass es relativ gut möglich ist festzustellen, welche Mannschaft ein Fussballspiel gewonnen hat, während die Schul- und Hochschulwelt komplexer ist. Das würde ich nicht bestreiten, sehe hier aber nur einen quantitativen Unterschied: Im Gegensatz zum Sprint und zum Fussball hat mal als Schüler 10 Jahre (mit sekundärer oder tertiärer Ausbildung 18 Jahre) Zeit, um seine Leistungen zu zeigen (was etwas mehr ist als die 10 Sekunden bzw. die 90 Minuten).
    Zum Thema verbal ausformulierte Zeugnisse möchte ich noch eine Erfahrung mit Arbeitszeugnissen, die ich gemacht habe, anführen: Ich erhielt also das Zeugnis und bei der Übergabe wurde mir dann erläutert: “diese Formulierung bedeutet ‘3’, jene Formulierung bedeutet ‘2’” usw. Na toll, dachte ich, da hätte man mir auch gleich ein Zeugnis mit verschiedenen Noten in verschiedenen “Fächern” – wie in der Schule – geben können.

  50. #50 MartinB
    10. November 2015

    @Earonn
    Hatte ich durchaus so verstanden – aber wie gsagt, das Problem, dass “Tests” vermutlich nicht wirklich gut darin sind, vorherzusagen, was jemand kann (ich kenne durchaus Leute, die im Studium mit Prüfungen jeder Art massiv zu kämpfen hatten und hinterher sehr erfolgreich promoviert haben), wird dadurch nur verschoben, nicht gelöst.

    @SSRMK
    Dein Beispiel mit der Gleichung für die drei Punkte bringt es eigentlich schön auf den punkt. Ja, wer das Lösen kann, der zeigt, dass sie es verstanden hat (oder dass sie zu Hause in Vorbereitung auf die Klausur sehr viele Aufgaben gelöst/auswendig gelernt hat, auch ohne das Ganze wirklich zu verstehen).
    Was sagt es uns aber, wenn jemand es nicht lösen kann? Nicht verstanden? Im Ansatz verrechnet? Prüfungsangst und Blackout? Gibt alles 0 Punkte.
    Und warum sollte das Lösen solcher Aufgaben unter Stressbedingungen etwas damit zu tun haben, wie jemand generell (unter Realweltbedingungen) solche Aufgaben lösen kann? Also dann, wenn ich keinen Prüfungsstress habe. Wenn ich auch mal ne Tasse Tee trinken kann, um den Kopf freizubekommen, weil ich mich gerade festgebissen habe.

    “Wer erinnerte sich nicht an die Intensität der Auseinandersetzung (unter Klausurbedingungen!) mit der einen oder anderen Aufgabe?”
    Vermutlich die meisten, die erfolgreich studiert haben – die anderen, die unter Stressbedingungen nicht so intensiv denken können, haben wir nämlich bereits erfolgreich aussortiert.

    Und es stellt sich natürlich auch die Frage, ob die Fähigkeit, die Ebenengleichung zu lösen, wirklich das ist, was Mathematik ausmacht. All die vielen und beliebten populärwissenschftlichen Mathebücher, die es gibt, zeigen, dass Mathe auch etwas ganz anderes sein kann (und dann auch Leuten Spaß machen kann, die es in der Schule nicht mochten).

    Ich will damit *nicht* sagen, dass man in der Schule keine Gleichungen lösen soll – aber ob so etwas unbedingt so massiv im Vordergrund stehen soll und es nicht doch besser wäre, mathematisches Denken zu lehren, weiß ich nicht. Nur lässt sich das halt nicht in Klausuren abfragen…

    Beim Sport ist es was anderes – der spricht ja gerade unseren Drang an, uns zu messen (oder das von Stellvertreterinnen erledigen zu lassen). Schule ist aber kein Wettkampf, hoffe ich, und wenn am Ende alle ne 1 hätten, wäre hoffentlich niemand traurig.

    “Zum Thema verbal ausformulierte Zeugnisse ”
    Ja, das hatte ich ja oben auch schon geschrieben.

  51. #51 SSRMKK
    Hanau/MKK
    10. November 2015

    MartinB, nur ein Aspekt: “Ja, wer das Lösen kann, der zeigt, dass sie es verstanden hat (oder dass sie zu Hause in Vorbereitung auf die Klausur sehr viele Aufgaben gelöst/auswendig gelernt hat, auch ohne das Ganze wirklich zu verstehen).”
    Mit diesen Worten beschreibst Du doch das ganze Problem. Was heißt denn, etwas “wirklich verstehen”?
    (Meine kurze Antwort (für mich und meine Praxis), ich glaube, die Philosophinnen nennen das “pragmatisch”: Wenn jemand das o.g. Problem lösen kann, dann *hat* er es verstanden! (Mein Kontext sind solche Sachen wie der Turing-Test oder https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesisches_Zimmer). Es ist meines Erachtens schlicht nicht sinnvoll, zwischen “wirklich verstanden” und “Verständnis wird nur mimikriert” zu unterscheiden, jedenfalls solange nicht, bis wir in der Lage sind, in die Köpfe unserer (Hoch-)Schülerinnen hineinzugucken.)

    Zum Thema (Prüfungs)Stress: Gemeinhin definiert man “Leistung” als Arbeit je Zeit. Da das Thema, glaube ich, *Leistungs*tests vulgo Klausuren sind, ist es m.E. nur folgerichtig, dass man auch bei Klausuren nur endlich viel Zeit zugesprochen bekommt. Gegenprobe: Wenn Zeit das (einzige) Problem mit Klausuren wären, dann dürfte es ja eigentlich keine Haus-, Seminar-, Diplom- oder Doktorarbeit geben, die nicht mit “1” bewertet wird, oder?
    (Totalrelativierung: Ich hasse es, Aufgaben unter Zeitdruck zu lösen 😉 ).

  52. #52 MartinB
    10. November 2015

    @SSRMKK
    Also ich erlebe es relativ häufig, zumindest wenn Wissen abgefragt wird, dass jemand zwar Antworten reproduzieren kann, aber nicht mehr. Und dass man die Lösung von vielen Aufgaben auswendig lernen kann, ohne dass man sie wirklich verstanden hat, halte ich auch für möglich. Die Grenzen sind natürlich schwer zu ziehen, und wenn jemand ne echte Transferaufgabe lösen kann, dann hat sie es verstanden, da stimme ich schon zu.

    Problem ist ja auch eher der Umkehrschluss: Wenn jemand die Transferaufgabe nicht lösen kann, hat sie es möglicherweise trotzdem verstanden – es fehlte gerade die richtige Idee, der Zeitdruck war zu hoch etc.

    ” ist es m.E. nur folgerichtig, dass man auch bei Klausuren nur endlich viel Zeit zugesprochen bekommt.”
    Ja, das hilft dann aber denen, die schnell arbeiten. Die Fähigkeit, das zu tun, geht damit in jedem Fach in die Note ein. Wenn jemand sehr klug ist, alles versteht, aber einfach langsam ist, dann hat sie in allen Fächern damit ein Problem. (Da gab’s doch mal das schöne Buch “die Entdeckung der Langsamkeit”).

    ” Gegenprobe: Wenn Zeit das (einzige) Problem mit Klausuren wären, dann dürfte es ja eigentlich keine Haus-, Seminar-, Diplom- oder Doktorarbeit geben, die nicht mit “1″ bewertet wird, oder?”
    Genau andersherum: Weil es auch andere Arbeiten gibt, die nicht mit 1 bewertet werden, sieht man, dass “Zeit” ein *zusätzlicher* Faktor ist, der in Klausuren bewertet wird. (Wobei Hausarbeiten, gerade in der Schule, andere Ungerechtigkeiten mit sich bringen – nicht alle Kinder haben Eltern, die bei Fragen oder einer recherche helfen können.)

    “Ich hasse es, Aufgaben unter Zeitdruck zu lösen”
    Hat mich in Klausuren nie gestört – aber bei meinen Klausuren an der Uni konzipiere ich immer für 90 Minuten und gebe 120 Minuten Zeit – es beklagen sich dann sehr selten Leute, dass sie wegen Zeitmangel nicht klarkommen. (Trotzdem ist der Notenschnitt nicht überragend.) Ich glaube, es ist ein sehr beliebter Fehler bei Lehrenden, anzunehmen, dass das, was für einen selbst passt, für alle passt. Ist allerdings schwer, sich davon zu lösen.

  53. #53 Hobbes
    10. November 2015

    Da ich gerade recht wenig Zeit habe:
    Wer noch etwas Grundwissen über die historische Entwicklung von Aktien haben will:
    https://www.boerse.de/grundlagen/markt/
    Die Geschichte von Aktien ist etwas kompliziert. Ganz stark vereinfacht ist eine Aktie eine Wette auf die Zukunft. Also auch nur Geld. (Sprich Tauschgut auf Vertrauensbasis)

  54. #54 MartinB
    10. November 2015

    @Hobbes
    Danke für den Link.

  55. #55 SSRMKK
    Hanau/MKK
    10. November 2015

    MartinB, mir ist nicht ganz klar, ob Du Klausuren ganz abschaffen würdest und ob Du den (Klausur-)Noten jegliche Aussagekraft absprechen willst, oder ob Du nur hier und da Verbesserungsmöglichkeiten siehst (was sicher mehrheitsfähig wäre).

    Ich meine schon, dass Noten (die sich im Bereich der Schule (leider(*)) nicht nur aus Klausurnoten zusammensetzen) eine gewisse prognostische Aussagekraft besitzen (zumindest im MINT-Bereich): Mathe oder Physik studieren? Mit Grundkurs 4 Punkten? Eher nicht. Mit Leistungskurs 13 Punkten? Durchaus.
    ((*): Aus Praktikerinnensicht sage ich “leider”, weil – den einschlägigen Verordnungen entsprechend – auch “individuelle Entwicklungen” berücksichtigt werden müssen, und weil ich es für schwierig halte, die “mündlichen Leistungen” zu “messen”).
    (Die “Berücksichtigung individueller Entwicklungen” würde es theoretisch erlauben, diesselbe Leistung zweier Schülerinnen einer Lerngruppe unterschiedlich zu bewerten; da sträube ich mich.)

    Noch zum Faktor Zeit: Wie ich schon sagte, ist Zeitdruck bei mir persönlich nicht gerade förderlich für die Kreativität. Dennoch fürchte ich, dass wir, die wir nun einmal in Raum und Zeit leben, diesen Faktor nicht völlig ausklammern können. Ich meine schon, dass Schule und Hochschule, wie ich sie kenne, auch den Langsamen ihre Chancen gibt: Hausaufgaben, Hausarbeiten etc. Ich kenne es auch im Schul- und Hochschulbereich, dass es oftmals mündliche (Teil-)Prüfungsformen gibt, bei welchen man das Prüfungsthema ganz offiziell wochenlang im Voraus kennt (z.B. mal bei mir Einsprechthema im Grundstudium: “Die Cauchysche Integralformel” oder bei den Präsentationsprüfungen im Rahmen des Hessischen Abiturs).

  56. #56 MartinB
    10. November 2015

    @SSMRK
    Nein, jegliche Aussagekraft würde ich Klausuren nicht absprechen. Ich vermute, dass jemand, die eine Klausur mit ner 1 besteht, sich im betreffenden fach einigermaßen behaupten können sollte. (Obwohl ich auch schon mal erlebt hat, dass jemand überall einsen hatte und dann in Studien- und Diplomarbeit nur wenig erfolgreich war.)
    Aber ich glaube umgekehrt, dass eine schlechte Note kein Ausschlusskriterium sein muss – wie gesgat, ich kenne Leute, die selbst im Studium mit jeder Klausur und Prüfung gekämpft haben und dann erfolgreich promoviert haben.

    “auch den Langsamen ihre Chancen gibt:”
    Hängt sicher sehr vom fach ab – im Maschinenbau gibt’s fast nur Klausuren. In mündlichen Prüfungen in der Physik habe ich aber auch oft erlebt, dass Studis, die dasselbe wussetn, unterschiedlich beurteilt wurden, weil die eine flüssig erzählte und die andere sich alles aus der nase ziehen ließ.

  57. #57 BreitSide
    Beim Deich
    10. November 2015

    Mit der Zeit ist das auch so eine Sache. Auch ich sträube mich gerne gegen Zeitdruck, aber in der beruflichen (und auch in der privaten) Welt leben wir praktisch immer unter Zeitdruck. Auch wenn mir das überhaupt nicht gefällt.

    Für jemand, der extrem langsam und extrem gut denkt, wird es sicher auch berufliche Nischen geben. Wenn er aber nur extrem langsam denkt…

    Der, der vor Respektpersonen (Prüfern, Kunden, Vorgesetzten…) flüssig sprechen kann, wird sicher eher Karriere machen als der, der sich alles aus der Nase ziehen lässt. Der wird dann vielleicht ein erfolgreicher Laborhamster. Aber sicher mit weniger Gehalt. Bei gleichem Wissen natürlich.

  58. #58 MartinB
    11. November 2015

    @BreitSide
    Ja, dann soll man aber ehrlich sein und sagen “Klausuren prüfen auch und vor allem, wie gut jemand unter Zeitdruck arbeitet.” Und dann macht es nicht so viel Sinn, daraus ne Note für bestimmte Fächer abzuleiten…

    “wird sicher eher Karriere machen als der, der sich alles aus der Nase ziehen lässt.”
    Aber Klausuren sollen doch nicht testen, wer mal karriere macht. Sonst können wir – da hinreichend gut belegt ist, dass große und gut aussehende Menschen deutliche Vorteile bei der Kariere haben – Klausuren auch durch nen Metermaß und ne Umfrage bei Facebook ersetzen 😉

    Letztlich geht es mir vielleicht vor allem um Ehrlichkeit – eine Mathe-Klausur testet eben nicht nur (und in manchen Fällen nicht mal primär) die mathematischen Fähigkeiten, sondern eben auch sowas wie Schnelligkeit, Freiheit von Prüfungsangst, Fähigkeit, sich nicht ablenken zu lassen etc.

  59. #59 Holger Schanz
    Magdeburg
    11. November 2015

    Also ich bin ein Böser, der immer noch Klausuren schreiben lässt, weil ihm nichts besseres einfällt. Ich habe Alternativen versucht und versuche es auch weiter, aber die scheitern zumindest bei meinen Randbedingungen (untere Semester FH, Ingenieurstudiengänge, zu viele Studenten, um alle persönlich zu kennen) an praktischen Problemen.

    Erstens ist da der Zeitaufwand für mich. Darüber ist schon genug gesagt worden, das muss ich nicht wiederholen.

    Zweitens ist meine Erfahrung, dass alle Prüfungsformen, bei denen die Prüflinge nicht so gut wie möglich von der Außenwelt “isoliert” werden nur messen, wer am besten betrügt. Wenn es gewünscht wird, kann ich das gern mit Details untermauern, aber es ist ja auch nicht schwer zu verstehen. Jede Aufgabe, die man einem Erstsemester zumuten kann hat so oder ähnlich schon mal jemand gelöst und es kommt nur daruf an, die Lösung im Netz zu finden. Oder wenn man das nicht kann, fragt man den Mitbewohner.

    Drittens verstehe ich aber auch das am häufigsten genannte Argument gegen Klausuren nicht ganz, dass nämlich Klausuren keine realistische Leistungsbewertung erlauben und man die Fähigkeiten eines Menschen nicht auf eine Zahl reduzieren kann. Das stimmt. Aber das Problem lässt sich doch durch eine adäquate Interpretation der Zahl lösen. Jedem sollte klar sein, dass zumindest die Nachkommastellen der Note keine Aussagekraft haben. Andererseits kann man kaum abstreiten, dass eine Klausurnote einen gewissen Trend ausdrückt. Jemand der eine 1,0 hat, wird mit hoher Wkt auch bei allen anderen Bewertungen besser abschneiden, als jemand, der die Klausur nicht bestanden hat. In der Physik ist es doch auch so, dass man keinen Wert exakt messen kann. Deswegen schafft man doch nicht die Messung ab sondern schreibt einfach eine Schätzung der Ganauigkeit dahinter.

  60. #60 MartinB
    11. November 2015

    @Holger
    “Also ich bin ein Böser”
    Ehtlich gesagt, ich hasse es, wenn jemand aus einem text der Art “X zu tun, hat probleme weil” herausliest “wer X tut, ist böse”. Und ja, ich lasse auch Klausuren schreiben – das muss mich aber nicht daran hindern, das verfahren mal zu hinterfragen.

    Was das Betrügen angeht – im zeitalter von Smartphones, auf denen ich ganze Skripte haben kann, kann ich in jeder Prüfung aufs klo gehen und dort alles nachlesen, was ich nicht weiß, oder mir per WhatsApp kurz nen paar Tipps von Leuten holen, die das fach besser können. Das ist in meinen Augen wenn dann ein Argument *gegen* eine Klausur.

    Was die Aussagekraft angeht, dazu habe ich oben und in diversen Kommentaren eigentlich meine Meinung deutlich gesagt. Kurz: eine gute Note lässt Rückschlüsse zu, eine schlechte eher nicht.

  61. #61 MartinB
    11. November 2015

    Man kann es vielleicht auch mit nem Anna-Karenina-Prinzip ausdrücken: Um ne 1 zu bekommen, muss alles stimmen (einschließlich des fachwissens, das geprüft werden soll). Stimmt eine Komponente aber nicht, wird die Note schlechter – der Rückschluss, dass die komponente das fachwissen war, ist nicht zulässig.

  62. #62 Holger Schanz
    11. November 2015

    Bzgl. Smartphone und Klo. Mir ist bewusst, dass das im Prinzip möglich ist. Aber es passiert nicht. Erstens geht praktisch nie jemand aufs Klo. Zweitens kann man zwar sehr leicht Wissen nachschlagen, aber darauf kommts in den Klausuren nicht an, dafür ist die Formelsammlung da. Und sich einen kompletten Lösungsweg per Smartphone zu verschaffen ist auf jeden Fall schwierig. Ich sehe einfach an den Lösungswegen, dass das in unseren Klausuren nicht passiert, in unseren Hausarbeiten aber schon.

  63. #63 Holger Schanz
    11. November 2015

    Bzgl. Böser. Das war gar nicht so sehr auf Deinen Blogeintrag gemünzt. Die Idee, dass Klausuren nicht das Nonplusultra sind ist ja nicht gerade taufrisch. Es ist einfach so, dass viele Hochschuldidaktiker Klausuren als unabhängig vom Fach als rückständig ansehen, nach dem Motto, der Prof ist nur zu faul um sich eine modern kompetenzorientierte Prüfung auszudenken. Ich kann reinen Gewissens sagen, ich war nicht zu faul, ich bin nur zu dumm. Ich hab einfach noch nichts bessseres gefunden.

  64. #64 MartinB
    11. November 2015

    “Aber es passiert nicht.”
    Also ich hatte letztes Jahr eine Studentin, die zwei mal für 10 Minuten verschwand und bei genau zwei Aufgaben was halbwegs brauchbares higeschrieben hat. Kan Zufall gewesen sein. Aber früher haben wir sogar Skripte hinter der Heizung auf dem klo gefunden, würde mich massiv wundern, wenn da keiner die moderne technik nutzt.

    “Ich hab einfach noch nichts bessseres gefunden.”
    Ich auch nicht, leider.

  65. #65 BreitSide
    Beim Deich
    12. November 2015

    @MartinB: Das mit dem Metermaß ist natürlich ein schlagendes Argument. Empirisch bestens belegt.

    Statt teurer aufwendiger Bildungsoperationen könnte man diese geprüften Korrelationen noch besser nützen:
    – erhöhte Absätze,
    – Schuhgröße steigern,
    – Bart ankleben (Männer mit Bart verdienen bei gleicher Qualifikation signifikant mehr als Frauen ohne Bart).

    Spaß beiseite, da bin ich wohl direkt in die Falle der wünschenswerten Bildungsinhalte getappt. 😳

  66. #66 MartinB
    12. November 2015

    @BreitSide
    “da bin ich wohl direkt in die Falle der wünschenswerten Bildungsinhalte getappt”
    Muahaha, in die Falle gelockt, ich bin soooo bööööse

  67. #67 BreitSide
    Beim Deich
    13. November 2015

    🙂

  68. #68 X
    15. November 2015

    Hurra, jetzt wurde sogar festgestellt dass Aktien lediglich Wettscheine sind.

    Wie lange benötigt dafür die Wissenschaft? 🙂

    Lange Rede (blah blah) kurzer Sinn: Bewerten ist immer subjektiv *gähn*

  69. #69 MartinB
    15. November 2015

    @X
    “Lange Rede (blah blah) kurzer Sinn: Bewerten ist immer subjektiv ”
    Tja, wenn das alles ist, was du meinem Text entnimmst…

  70. #70 Uli
    16. November 2015

    Also *ich* bin mal von meinem Prof aufgeforsdert worden, die Klausurergebnisse zu “verbessern”, bis nicht mehr so viele durchgefallen sind.

    Fand ich eine wirklich blöde Idee, die nur viel Arbeit machte und vielen Studenten auch gar nicht half.

    Da waren nämlich plötzlich etliche Leute, die eine 4 im Hauptstudium kassiert hatten und diese Note floss auch in die Endnote des Diploms ein.
    Wären sie durchgefallen, hätten sie in der Nachprüfung evtl. eine viel bessere Note bekommen.

    Mir selber ist das nämlich auch mal passiert. Mit Pauken und Trompeten wegen Faulheit durchgefallen, dann drei Wochen gebüffelt und dann mit einer 1 wieder aus der Nachprüfung gekommen. Plus einer Lektion fürs Leben…

    Ich habe Prüfungen immer so gestaltet, daß man keine gute Note bekommen konnte, wenn man nicht kreativ war. Für stupides Wiederhlen gab es maximal eine 4.

  71. #71 Realistischer
    17. November 2015

    Wer eine Aktie kauft, wird Anteilseigentümer eines Unternehmens. Dass man die Anteile auch wieder verkaufen kann, sich darum ein Markt entwickelt, der dortige Preis dann wiederum von Banken verwendet wird um Kreditrisiken abzuschätzen, ist zum ursprünglichen Zweck eigentlich sekundär, tertiär, … und scheinbar das Wichtigste.

    Zu den Schulnoten möchte ich noch sagen: es geht garnicht darum alles in grossem Detail abzubilden. Zwei Jahre später ist das sowieso nicht mehr gültig, weil sich die Schüler hoffentlich weiter entwickeln. Worauf es ankommt ist doch nur eine sehr grobe Einschätzung der Art, jemand ist z.B. gut in Mathematik aber schlecht in Musik.

    Und noch was: das Messproblem hat natürlich nicht erst die Quantenphysik aufgeworfen.

  72. #72 artlan
    Heidleberg
    18. November 2015

    mich kann aus meiner Studienzeit ein Paradebeispiel zur Bewertung von Klausuren berichten: im BWL-Nebenstudium hatte ich mit 4 Kommilitonen eine schriftliche Gruppenarbeit – Benotung 4x sehr gut und ein nicht genügend (ich), dass nach heftiger Reklamation gnadenhalber auf ein befriedigend verbessert wurde.
    Warum kein sehr gut wie bei den 4 anderen Ausdrucken der Gruppenarbeit konnte oder wollte der Prof. mir nicht erklären.

  73. #73 MartinB
    18. November 2015

    @artlan
    Das wäre aber schon ein Fall für die Prüfungskommission…

  74. #74 artlan
    18. November 2015

    @MartinB

    Das war für über 25 Jahren und damals hiess, es ein Bemühen der Prüfungskommission wirke sich nicht unbedingt positiv auf künftige Benotungen speziell von mündlichen Klausuren aus.
    😉

  75. #75 MartinB
    19. November 2015

    @artlan
    Kopfschüttel. Anscheinend wird doch manches besser, ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen,d ass das heute bei uns so passieren könnte.