Die Seltsamkeiten der Quantenmechanik (QM) sind hier im Blog ja immer wieder mal ein Thema. Ein aktuelles Experiment hat jetzt auch noch so ziemlich die letzten Schlupflöcher geschlossen, die die Natur theoretisch hatte, um doch nicht ganz so seltsam zu sein.
Verschränkung
Es geht – na klar – um verschränkte Zustände. Über die habe ich schon des öfteren geschrieben (rechts bei den Artikelserien findet ihr die ausführliche dreiteilige Serie Quantenmechanik verstehen, wo ich die Verschränkung ziemlich ausführlich auseinanderdrösele), hier gibt es noch einmal eine Kurzfassung.
Heute verschränken wir Elektronen. Elektronen haben eine seltsame Eigenschaft namens Spin (die habe ich hier mal erklärt). Ihr könnt euch erst einmal vorstellen, der Spin wäre wie ein kleiner Magnet, das Elektron hat also sozusagen einen Nord- und einen Südpol. Der Spin hat die seltsame Eigenschaft, dass er, wenn ihr versucht, zu messen, wie groß er in einer bestimmten Richtung ist, entweder in diese Richtung zeigt oder in die Gegenrichtung. Wenn ich also das Magnetische Moment des Elektrons entlang einer senkrechten Achse messe, bekomme ich entweder oder . Die Pfeile symbolisieren den Spin, die komische spitze Klammer rechts mit senkrechtem Strich links steht für “Zustand”. Das ist eine praktische Konvention in der QM, schreibe ich befindet sich das betrachtete Teilchen im Zustand “blubb”.
Wir können auch zwei Elektronen betrachten (eins sitzt links, eins rechts). Dann kann ich z.B. einen Zustand haben, wo das eine Elektron den Spin nach oben hat, das andere den Spin nach unten: .
Das besondere an der Qm ist jetzt, dass Teilchen – anders als klassische Teilchen – nicht immer eindeutig in einem bestimmten Zustand sind, sondern auch in einer Überlagerung von zwei Zuständen sein können. Ein einzelnes Elektron kann sich zum Beispiel im Zustand befinden. (Expertinnenhinweis: ich spare mir hier alle Normierungsfaktoren an den Zuständen – wer sich auskennt, kann sie hoffentlich leicht rekonstruieren, wer sich nicht auskennt, ist von den nervigen Extra-Faktoren nur verwirrt.)
So ein Überlagerungszustand kann aber nicht direkt gemessen werden – messe ich den Spin des Elektrons, dann ändert sich der Zustand und ich bekomme entweder oder .
So, jetzt brauchen wir noch die Verschränkung. Dazu nehmen wir zwei Elektronen und bringen sie in einen Zustand, der z.B. so aussieht:. Die beiden Elektronen sind jetzt in einem Überlagerungszustand, aber so, dass sie beide immer denselben Spin haben. Messe ich jetzt den Spin des einen Elektrons, dann weiß ich sicher, dass das andere Elektron denselben Spin haben muss, egal was ich beim einen Elektron messe.
Die Bellsche Ungleichung
Dass zwei Objekte in einem Zustand sind, in dem ihre Eigenschaften gekoppelt sind, kann es natürlich auch in der klassischen Physik geben. Stellen wir uns eine Maschine vor, die immer paarweise zwei Kreisel herausschießt. Die Maschine schwebt in Weltall und hat keinen Drehimpuls (dreht sich also nicht), dann können wir, wenn wir den Drehsinn des einen Kreisels ansehen, sicher vorhersagen, dass der andere sich im entgegengesetzten Sinn dreht (wegen der Erhaltung des Drehimpulses).
Um die Verschränkung nachzuweisen, müssen wir etwas trickreicher vorgehen. Dazu messen wir an den beiden Elektronen den Spin entlang unterschiedlicher Achsen. Wir messen also nicht nur den Spin entlang einer senkrechten Achse, sondern auch entlang einer zum Beispiel um 45° geneigten Achse.
Nehmen wir zum Beispiel an, wir messen links entlang der Senkrechten, rechts um 45° geneigt zur senkrechten Achse. Wenn wir links messen, dann können wir nicht mehr eindeutig sagen, ob wir rechts oder messen werden, wir können aber die Wahrscheinlichkeiten dafür angeben. (Deutlich ausführlicher habe ich das im 3. teil der Qm-verstehen-Serie erklärt, eine ältere Erklärung findet ihr in diesem Artikel. Bitte nicht verwirrt sein, bei der Polarisation von Photonen, die ich in den Artikeln verwendet habe, sind die Regeln für die Winkel etwas anders als bei Elektronenspins, die Logik der Verschränkung ist aber dieselbe.)
Um die Verschränkung nachzuweisen, kann man jetzt links und rechts die Richtungen, in denen man misst, zufällig variieren und dann hinterher die Messergebnisse für die beiden Elektronen miteinander vergleichen.
Tut man das, dann bekommt man ein Ergebnis dafür heraus, mit welcher Wahrscheinlichkeit man auf der einen Seite den einen Spin und auf der anderen Seite den anderen Spin misst. Wenn wir annehmen, dass die Elektronen sich schon direkt nachdem wir ihre Zustände verschränkt haben, für einen Endzustand entscheiden, dann bekommen wir eine Obergrenze für die Wahrscheinlichkeit einer Korrelation zwischen den unterschiedlichen Ergebnissen heraus – sie kann einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Diese Obergrenze ist die berühmte Bellsche Ungleichung.
Nach den Regeln der QM darf (und sollte) die Korrelation aber größer sein als diese Obergrenze. Die QM verletzt also die Bellsche Ungleichung.
Auch wenn das kompliziert und wenig aufregend klingt, steckt dahinter doch eine faszinierende Erkenntnis über das Universum: Entweder die Messung bei einem der Elektronen beeinflusst das, was beim anderen Elektron passiert, so wie ich es ganz oben geschrieben habe – sobald ich links Spin-rauf messe, habe ich rechts auch Spin-rauf, während vor der Messung das Elektron rechts noch in einem Überlagerungszustand war. Dann haben die beiden Elektronen irgendwie mit einander “kommuniziert” in dem Sinne, dass das, was ich mit dem einen Elektron tue, beeinflusst, was das andere Elektron macht. Da die beiden Messpunkte beliebig weit entfernt sein können, ist das Universum in diesem Fall nicht-lokal – zwei Messungen können sich über belibige Entfernungen beeinflussen.
Die Alternative ist, dass das Universum doch lokal ist – dann ist es aber unmöglich, dass das Ergebnis einer Messung durch den Zustand eines Systems eindeutig festgelegt ist. Man spricht dann oft davon, dass die Theorie “nicht-realistisch” ist. Etwas ausführlicher habe ich das (und die philosophischen Seltsamkeiten, die daraus folgen) auch hier diskutiert. (Anmerkung für die ganz genauen: Eigentlich muss man statt über “realistisch” wohl über “counterfactual definite” reden, ich spare mir die feine Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen – tut der nature-Artikel übrigens auch…)
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