Schlupfloch 1: Lokalität
Können die beiden Elektronen aber nicht vielleicht doch irgendwie etwas austauschen – ein Signal in irgendeiner Form, das wir nur nicht messen können? Um das auszuschließen, müssen wir die Messungen rechts und links gleichzeitig machen- da nach der Relativitätstheorie kein Signal schneller als das Licht sein kann, können die beiden dann nichts austauschen. (Jetzt könnte jemand einwenden, dass sie vielleicht Signale mit Überlichtgeschwindigkeit austauschen – das ist in der Tat nicht ausgeschlossen, aber die Theorie gilt dann, weil sie die RT verletzt, trotzdem als nicht-lokal.)
Um also die Nicht-Lokalität zu beweisen, müssen die beiden Experimente genau gleichzeitig (vornehm gesagt, um Probleme mit dem Begriff “gleichzeitig” zu umgehen: In einem raumartigen Abstand) stattfinden – und bei einer Lichtgeschwindigkeit von 300000km/s heißt das, dass wir schon ziemlich exakt sein müssen, was den Zeitpunkt der Messung angeht. Denn die beiden Elektronen in den Laboren sollen ja verschränkt sein – und so einer Verschränkung herzustellen und aufrecht zu erhalten, ist nicht einfach, ihr könnt nicht nen Haufen Elektronen jeweils paarweise verschränken, die eine Hälfte dann mit dem Paketdienst eures Vertrauens in ein anderes Land schicken und dann die Messung machen – so eine Verschränkung wird durch äußere Einflüsse sehr schnell zerstört.
Trotzdem hat es bereits vor einigen Jahren Experimente gegeben, in denen die Messung in zwei getrennten Labors stattfand, so dass die beiden Messzeitpunkte hinreichend gleichzeitig waren, um einen Signalaustausch auszuschließen.
Schlupfloch 2: Detektion
Es gibt aber noch ein zweites Schlupfloch: Um die Verletzung der Bellschen Ungleichung nachzuweisen, müssen wir ja Wahrscheinlichkeiten angucken. Und leider ist es ziemlich schwierig, zwei Elektronen miteinander zu verschränken. Man muss deshalb typischerweise sehr viele Messungen machen und dann hinterher bei der Auswertung nachprüfen, welche Elektronen verschränkt waren und dann nur deren Ergebnisse angucken.
Rein theoretisch ist es denkbar, dass ein fieser Effekt der Natur bei dieser Auslese die betrachteten Experimente gerade so auswählt, dass am Ende die bellsche Ungleichung verletzt wird. Um das zu verhindern, muss die Auswahl der zu betrachtenden Messungen unabhängig vom Endergebnis gemacht werden. (Details dazu erkläre ich gleich, wenn’s etwas konkreter wird.)
Auch solche Experimente, die dieses Schlupfloch schließen, hat man schon gemacht.
Aber theoretisch wäre es immer noch möglich, dass beide Effekte zusammenwirken – bisher gab es kein Experiment, dass beide Schlupflöcher gleichzeitig schließt, das also zum einen echte Nicht-Lokalität sicherstellt und zusätzlich auch noch dafür sorgt, dass die Messungen, die am Ende betrachtet werden, korrekt ausgewählt wurden und nichts möglicherweise fehlerhaft verworfen wurde.
Das Experiment
Aber genau so ein Experiment wurde jetzt umgesetzt. Wie so oft spare ich mir die technischen Details, wie die Elektronen im einzelnen präpariert und detektiert wurden, und konzentriere mich auf die Idee hinter dem Ganzen.
Das Experiment fand an der Uni Delft statt. Man brauchte drei Labore A, B und C genannt. A war von B 1280 Meter entfernt, C lag etwa (aber nicht genau) auf der Linie zwischen A und B, von A 493, von B 818 Meter entfernt. (Im paper ist ein Foto, aber da ist so ein dickes Copyright-Symbol drauf, dass ich mich nicht traue, es hier einzubauen.)
In den Laboren A und B wurden jeweils die Elektronen präpariert und hier fand auch die Messung der Elektronenspins statt.
Um die Elektronen miteinander zu verschränken, wurde ein raffinierter Trick verwendet, der sich “entanglement swapping in the Barrett–Kok scheme” (Verschränkungsaustausch im Barrett-Kok-System) nennt. Jedes der Elektronen wurde dazu gebracht, ein Photon (real waren es sogar viele, aber ich vereinfache hier “ein wenig”) auszusenden, so dass die Elektronen jeweils mit ihrem Photon verschränkt waren. Die beiden Photonen von A und B wurden nach C geschickt. Dort wurde an beiden Photonen eine Messung durchgeführt. Wenn die Messung dabei ein Ergebnis gibt, bei dem man die beiden Photonen nicht unterscheiden kann, dann führt das wegen der seltsamen Verschränkungsregeln dazu, dass am Ende die beiden Elektronen miteinander verschränkt sind. (Ich gebe zu, dass ich von diesem Trick bisher auch noch nie gehört habe, wer Details wissen will, findet ein paar zusätzliche Informationen im Physicsforum.)
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