Aus Bajdek et al., s.u.
Dass Tiere Häufchen hinterlassen, zählt ja nicht gerade zu den beliebtesten Fakten der Biologie (besonders dann nicht, wenn mal wieder so ein Häufchen irgendwo liegt, wo jemand reintreten kann). Aber Wissenschaftlerinnen sind ja bekanntlich hart im Nehmen und tun für’s Wissen alles – da kann man auch schon mal Häufchen etwas genauer angucken (ab 2:18)
(Ja, die Szene ist absolut albern – der Haufen ist fast so groß wie der Triceratops selbst und um ihn setzen zu können, ohne ihn plattzudrücken, müsste der Triceratops wohl einen Handstand machen. Außerdem ist die Szene ein Beispiel dafür, wie schlecht die Drehbücher bei JP durchdacht waren – im Buch wird die Geschichte mit der Krankheit (und den Häufchen) wenigstens auch aufgeklärt, sogar ziemlich clever.)
Wobei zugegebenermaßen die Häufchen, um die es hier geht, sämtliche der Eigenschaften verloren haben, die solche Objekte normalerweise unattraktiv machen – immerhin stammen sie aus dem oberen Perm, sind also mehr als 250 Millionen Jahre alt. Solche fossilen Häufchen werden auch vornehm “Koprolithen” genannt und können einige Erkenntnisse bringen. Die Koprolithen aus Russland, um die es hier geht, enthalten anscheinend sogar eine echte Sensation.
Was ist denn nun so interessant an Koprolithen? Wenn Tiere etwas fressen und verdauen, dann bleiben oft einige nicht ganz zu Ende verdauten Reste übrig, die man analysieren kann. Bei fleischfressenden Tieren können das beispielsweise Knochensplitter sein, bei pflanzenfressern entsprechend Fasern von Pflanzen. Wenn das Häufchen dann, nachdem das Tier es losgeworden ist, einigermaßen schnell z.B. von Schlamm zugedeckt wird, dann zerfällt es nicht, wie es normalerweise der Fall ist. (Freiliegende Häufchen werden ja von Insekten, Bakterien und anderen Viechern vergleichsweise schnell zersetzt.) Stattdessen kann bei der Fossilisation die organische Materie durch Mineralien (z.B. Kalziumphosphat) ersetzt werden. Interessanterweise bleibt dabei die Mikrostruktur ziemlich gut erhalten, und man kann die eingeschlossenen Teilchen wie Knochen gut vom umliegenden Material unterscheiden.
Ein Problem bei Koprolithen ist natürlich, dass man nicht genau weiß, wer sie hinterlassen hat. Auf die Urheber zurückschließen kann man nur an Hand der Größe und der enthaltenen Merkmale (wie eben Knochen oder Pflanzen). Die Koprolithen, um die es hier geht, sind nicht klein – es gibt zwei unterschiedliche Typen (A und B genannt), die bis zu 67mm lang sind (nicht ganz so groß wie der Riesenhaufen bei JP), also von einigermaßen großen Tieren stammen dürften. So sehen sie aus (der Maßstabsbalken ist 1cm lang):
Aus Bajdek et al., s.u.
Dabei gehören die Bilder A-C zum Typ A (eher länglich und etwas größer), D-F zum Typ B (eher etwas runder und ein bisschen kleiner). Da die Koprolithen vom Typ A auch viele Knochenfragmente enthalten, gehören sie sicher zu Fleischfressern. Im oberen Perm – also noch deutlich vor der Zeit der Dinosaurier – gehörten größere Fleischfresser zu der Tiergruppe, die man gern “säugetierähnliche Reptilien” nennt (auch wenn das kein Name ist, der modernen Klassifikations-Standards genügt, da sollte man von Therapsiden reden). Zu denen gehörte der bekannte Dimetrodon mit dem Rückensegel.
Einen Dimetrodon kennt man aus der entsprechenden Gesteinsschicht nicht, aber damals lebte dort Moschowhaitsia, ein etwa hundegroßer Therocephalier (wie diese Tiergruppe vornehm heißt):
“Moschowhaitsia1DB” by Dmitry Bogdanov – dmitrchel@mail.ru. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons.
(Ein weiteres Bild findet ihr hier.) Es ist also plausibel, dass die Koprolithen von Moschowhaitsia oder einem ähnlichen Tier stammen.
Diejenigen vom Typ B sind etwas kleiner. Sie enthalten weniger Knochenfragmente, die auch wesentlich stärker zersetzt sind. Das spricht dafür, dass sie von einem Tier stammen, das eine niedrigere Stoffwechselrate hatte – auch bei heutigen Krokodilen finden sich nur wenige Reste von Knochen oder Zähnen im Kot, weil die Zeit zur Verdauung sehr lang ist. Ein guter Kandidat für die Urheberschaft dieser Koprolithen ist entsprechend ein urtümlicher entfernter Verwandter der Dinosaurier, Archosaurus rossicus, dessen Überreste man ich in diesen Schichten findet:
“Archosaurus ross1DB” by Dmitry Bogdanov – dmitrchel@mail.ru. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons.
Ein weiteres schönes Bild findet hier auch wieder bei deviantart. (Falls sich jemand über den komischen Knick in der Schnauze wundert, so etwas findet man öfters bei Tieren, die Fische fressen.)
Nun ist es aber an der Zeit, zu schauen, was man denn nun tatsächlich in den Koprolithen an Überresten findet. Neben Knochensplittern wie diesem hier
Aus Bajdek et al., s.u.
findet man in den Koprolithen vom Typ A auch Fischschuppen
Aus Bajdek et al., s.u.
sowie Überreste von Gliederfüßern und einige Pflanzenteile.
Das wäre aber für mich vermutlich noch kein Grund gewesen, diesen Artikel hier zu verbloggen. Aber man findet zusätzlich auch noch das hier:
Aus Bajdek et al., s.u.
Ihr seht eine seltsame, lange und dünne Struktur (der Maßstabsbalken ist 100 Mikrometer lang). Im Querschnitt erkennt man, dass diese Struktur rund ist:
Aus Bajdek et al., s.u.
(Falls ihr euch wundert, dass die Struktur im Querschnitt einen größeren Durchmesser hat – das liegt vermutlich daran, dass man bei einem Längsschnitt ja nicht immer genau die Mitte treffen kann (steht nicht im Artikel, scheint mir aber plausibel).)
Hmm, längliche Strukturen mit einem Durchmesser so um 100 Mikrometer, die mehrere Millimeter lang sein können – was könnte das sein? (Am Kopf kratz, das schlecht rasierte Kinn kraul…) Bingo – eine plausible Erklärung ist, dass es sich um Haare handelt. Hinweise auf Haare in Koprolithen gab es auch schon vorher in Funden aus dem oberen Perm aus Südafrika – dort waren die Strukturen aber vergleichsweise kurz, so dass andere Erklärungen (wie etwa Pilze) auch plausibel erschienen.
Dass die frühen Therapsiden möglicherweise schon Haare besaßen, ist keine neue Idee – auch das Bild von Moschowhaitsia oben zeigt ja einen Pelz. Hinweise darauf hatte man aber bisher nur aus einigen Fossilien, bei denen man kleine Öffnungen am Schädel gefunden hatte, die auf Sinneshaare hindeuteten. Dafür, dass Therapsiden einen schnellen Stoffwechsel (und damit möglicherweise auch eine hohe und kontrollierte Körpertemperatur) hatten, spricht auch ihre Knochenstruktur (klickt rechts in der Tag-Wolke auf “Knochen”, da findet ihr noch nen Haufen mehr Artikel), die auf schnelles Wachstum hindeutet. Wir haben ja oben auch gesehen, dass gut erhaltene Knochenfragmente in Koprolithen generell auf schnelleren Stoffwechsel hindeuten – und der plausibelste Kandidat dafür ist hier eben auch ein Therapsid. Insofern ist es nicht unplausibel anzunehmen, dass zumindest einige Therapsiden ihre Körperwärme mit Hilfe von Haaren gehalten haben – aber so ganz eindeutige fossile Hinweise auf Haare gab es bisher eben nicht.
Die Schlussfolgerung liegt also nahe, dass schon die säugetierähnlichen Reptilien des oberen Perm endotherm (“warmblütig”) waren und einen schnellen Stoffwechsel hatten. Möglicherweise gilt das aber nur für die fleischfressenden Arten. Die damals lebenden Pflanzenfresser hatten nämlich ein Problem – sie hatten kein ausgeklügeltes Gebiss wie heutige Säugetiere, mit dem sie ihre Nahrung effizient zerkauen konnten. Das könnte bedeuten, dass sie ihre Nahrung nur recht langsam verdauten, und das wiederum spricht gegen schnellen Stoffwechsel und Endothermie.
Die fleischfressenden Therapsiden aber, von denen ja auch die heutigen Säugetiere abstammen, hatten aber anscheinend Haare und waren damit wohl warmblütig. Manchmal ist es eben doch nicht so schlecht, ein wenig im Mist herumzustochern.
PS: Ich habe die allseits beliebte und geschätzte neue Scienceblog-Technologie, Artikel in Haiku-artige Bröckchen zu zerlegen, für diesen Artikel deaktiviert. (Werde ich wohl auch in Zukunft so handhaben und allenfalls lange Artikel per Hand aufteilen.) Ich hoffe, niemand stört sich an den dadurch längeren Ladezeiten 😉
Bajdek, P., et al. 2015: Microbiota and food residues including possible evidence of pre-mammalian hair in Upper Permian coprolites from Russia. Lethaia, Doi: 10.1111/let.12156.
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