Dinosaurierspuren finde ich zwar nicht ganz so interessant wie ihre Knochen, aber sie haben einen großen Vorteil: Aus ihnen kann man direkt etwas über das Verhalten der Dinos ablesen. (Mehr über Dinospuren findet ihr auch hier, hier, hier, hier, hier und meinen eigenen kleinen Forschungsbeitrag hier – hmm, anscheinend finde ich Dinospuren doch ziemlich interessant…) Meistens aber haben diese Spuren einen Nachteil: Auch wenn sie prinzipiell Aussagen über das Verhalten von Dinos erlauben, besteht dieses Verhalten meist schlicht darin, von A nach B zu gehen. Und auch wenn man daraus vielleicht ablesen kann, wie schnell die Dinos gelaufen sind oder ob sie in Gruppen unterwegs waren, ist das alles in allem nicht so spektakulär.

Ein aktueller Spurenfund allerdings ist anders. Ziemlich anders.

Die Spuren stammen aus der Kreidezeit und wurden in Colorado gefunden, und zwar an mehreren verschiedenen Stellen. Hier ein typisches Bild der neuartigen Spur (die Farbe kennzeichnet die Höhe – leider haben die Autorinnen anscheinend nicht meinen Blog gelesen und ein böses Regenbogen-Farbschema verwendet):

scrapetrack1

Aus Lockley et al., s.u.

In blau seht ihr Vertiefungen, und ihr könnt sehr schön erkennen, dass der Dino, der die Spuren gemacht hat, nicht bloß herumgelaufen ist, sondern anscheinend im Boden gekratzt hat. Hier noch ein anderes Beispiel:

scrapetrack2

Aus Lockley et al., s.u.

Insgesamt wurden einige solcher Spuren gefunden, meist mehrere in einem einigermaßen eng begrenzten Raum. Die Spuren stammen eindeutig von zweibeinigen Raubsauriern, wie man daran erkennen kann, dass einige der Spuren deutlich drei Zehen in passenden Winkeln zeigen (welche es genau waren, weiß man natürlich nicht). Aber was habe die Dinos gemacht? Warum haben sie im Boden gekratzt?

Da gibt es zunächst mal viele Möglichkeiten. Haben sie vielleicht Nester gebaut? Das kennt man ja auch von anderen Dinos. Dagegen spricht aber, dass Nester normalerweise einen klar definierten Rand haben und auch eine einigermaßen gleichmäßige Form und Größe. Beides ist heir nicht der Fall. Man hat auch keine Spuren von Eierschalen oder sonstige Hinweise auf Jungtiere gefunden.

Auch das Graben nach Wasser – wie man es ja auch zum Beispiel von Elefanten kennt – scheidet als Erklärung eigentlich aus. Zum einen sind die Kratzer nicht besonders tief, zum anderen würde nachlaufendes Wasser die Spuren ja tendenziell verwischen und man müsste erwarte, dass die am tiefsten gelegenen Kratzer durchs Wasser ausgerundet sind. Auch nach Futter oder Beute wurde sicherlich nicht gegraben – die Kratzspuren sind ja eher breit und flach und sehen nicht aus, als wäre hier gezielt nach etwas gebuddelt worden.

Vielleicht haben die Dinos ihr Revier markiert? Das kennt man ja von Säugetieren – Bären zum Beispiel machen ja Kratzspuren an Bäumen, einige Katzenarten kratzen auch Markierungen in den Boden und kennzeichnen diese dann noch mit ihrem Urin. Zumindest letzteres konnten Dinos nicht tun – Urin gibt es bei heutigen Reptilien und Vögeln ja nicht, also gab es den bei Dinos mit ziemlicher Sicherheit auch nicht. (Übrigens einer der größten Fehler bei “Walking with Dinosaurs”, wo ein Postosuchus gezeigt wird, der mit Urin sein Revier markiert.) Und für Reviermarkierungen wären die Spuren auch ungeeignet gewesen, weil sie in einem Feuchtgebiet gemacht wurden, wo es gelegentlich Überschwemmungen gab (sonst wären die Spuren ja auch nicht erhalten geblieben). Als langfristige Markierungen waren sie also vermutlich auch nicht geeignet.

Was bleibt? Schauen wir auf nahe heutige Verwandte der Dinos, die Vögel. Da gibt es zum Beispiel die Papageitaucher

Papageitaucher (Fratercula arctica)
Puffin002“ von T.Müller – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons.

Die erzeugen beim Werben und später beim Graben ihrer Löcher oft Kratzspuren, die ganz ähnlich zu denen sind, die wir hier bei den Theropoden gesehen haben. (Das paper verspricht eigentlich ein Video als “Suplementary material 3” – dummerweise gibt es das auf der Internetseite aber nicht…?) Nachtrag: Rolak (siehe die Kommentare) hat die Video-Links gefunden (danke, rolak). Hier sieht man das Kratzen sehr schön (ab 2:40):

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Kommentare (6)

  1. #1 rolak
    16. Januar 2016

    Suplementary material 3” – dummerweise

    Ob es das richtige ist, weiß ich zwar nicht, MartinB, doch es existiert auf der besagten Seite ein link ‘Supplementary Information 3′, der zu einem pdf führt, in dessen drittem Kapitel der dritte link zu passen scheint.

  2. #2 MartinB
    16. Januar 2016

    @rolak
    Aha – auf die Idee, nen Link in nem pdf, das als Supp Mat 1 gekennzeichnet ist, als Supp mat 3 zu suchen, bin ich nicht gekommen. Wobei das Video aber kein Balzverhalten zeigt, oder?

  3. #3 rolak
    16. Januar 2016

    auf die Idee .. bin ich nicht gekommen

    Dabei liegt das doch so nahe, geradezu märchenhaft: im dritten des dritten des dritten…

    Nee, Balzverhalten sehe ich da auch nicht, paßte nur vom Titel. Im ersten clip bei 2:40 turnen es die Strandläufer allerdings vor.

  4. #4 MartinB
    16. Januar 2016

    @rolak
    Ah, danke, ja das sieht gut aus. hab’s mal oben eingebaut.

  5. #5 roel
    *****
    20. Januar 2016

    @MartinB Ich verstehe noch nicht recht, warum es wahrscheinlich Balzspuren sind. Siehe auch, diesen Chickensaur bei der Arbeit: https://www.shutterstock.com/video/clip-1397131-stock-footage-a-chicken-pecks-at-some-grass-scratches-the-ground-slow-motion.html

  6. #6 MartinB
    20. Januar 2016

    @roel
    Weil die Spuren einerseits flach sind, andererseits aber an derselben Stelle mehrfach gekratzt wurde – das würde man beim Graben nach Futternicht erwarten (und so was wie Körner pickt ein Theropode ja vermutlich auch nicht, man könnte natürlich auf die Idee kommen, dass nach Magensteinen gesucht wurde, aber dann wären sicher irgendwelche Kiesel erhalten geblieben…)