Im Erdmittelalter, zur Zeit der Dinosaurier, lebten in den Meeren verschiedene Sorten von Meeresreptilien. Eine Gruppe waren die Plesiosaurier. Mit den Dinos waren sie nicht besonders eng verwandt – ihre nächsten heutigen Verwandten sind Eidechsen und Schlangen. Plesiosaurier gab es in zwei Varianten – es gab die eher kurzhalsigen Pliosaurier und die langhalsigen “eigentlichen” Plesiosaurier.
Hier eine Rekonstruktion eines langhalsigen Elasmosaurus’ (sozusagen ein Prototyp für das Loch-Ness-Ungeheuer):

Elasmosaurus NT.jpg
Elasmosaurus NT“ von Nobu Tamura https://paleoexhibit.blogspot.com/ https://spinops.blogspot.com/Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Bei den Pliosauriern ist – seit der Serie “Dinosaurier – im Reich der Giganten” – der Liopleurodon sicher der bekannteste Vertreter:

Lebendrekonstruktion von Liopleurodon ferox
Liopleurodon BW“ von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com) – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons.

Im Film wurde behauptet, dass der Liopleurodon bis zu 25 Meter lang wurde – reale Exemplare erreichten wohl eher 15 Meter in der Länge, immer noch beeindruckend, aber nicht ganz so gigantisch. Die meisten Plesiosaurierarten waren aber nicht so riesig, sondern hatten Längen von einigen Metern.
Eine Besonderheit der Plesiosaurier sind ihre Flossen – heutige Landwirbeltiere, die sich wieder an das Leben im Wasser angepasst haben, haben zwei große Vorderflossen, während die Hinterflossen eher klein sind und für das Schwimmen keine Rolle spielen – so ist es bei den Robben oder auch bei den Pinguinen. Auch bei den Meeresschildkröten sind die Vorderflossen normalerweise deutlich größer als die hinteren.

Zum Schwimmen mit Flossen unter Wasser gibt es generell zwei Möglichkeiten: Alle heutigen Flossenschwimmer (Robben, Pinguine, Schildkröten) bewegen ihre Vorderflossen auf und ab, ähnlich wie Vögel es beim Fliegen tun, Durch passende Neigung der Flossen erzeugen sie einen Auf- und Vortrieb, ganz analog zum Vogelflug. Man spricht deswegen auch vom Unterwasserflug. Die zweite Möglichkeit wäre das “Rudern” – die Flossen bewegen sich im wesentlichen vor und zurück, werden beim nach vorn Ziehen flach gehalten, um wenig Widerstand zu haben, und beim nach hinten drücken möglichst stark gekippt, um viel Wasser nach hinten zu verdrängen. Beim Rudern schiebt man sich also quasi durchs Wasser.

Welche Möglichkeit die Plesiosaurier nutzten, war bisher nicht klar. Es gab einige versuche, entweder mit Modellen oder auch mit Menschen, die sich Flossen angeheftet haben; doch die Ergebnisse waren nicht besonders eindeutig, auch wenn insgesamt die meisten Paläontologinnen den Unterwasserflug sicher für die plausiblere Variante hielten. Ein Problem mit solchen Experimenten ist auch, dass man natürlich viele Annahmen machen muss, wie genau die Flossen bewegt werden – man kann zwar ein paar Varianten ausprobieren, aber nicht sehr viele, weil die Experimente ja eine Weile dauern.

Es liegt also eigentlich nahe, das Problem durch Computersimulationen zu lösen. Dort kann man viele Varianten durchprobieren und den Computer selbst die günstigste finden lassen. Und genau das wurde jetzt getan.

Dazu hat man erst mal ein besonders gut erhaltenes Skelett der Art Meyerasaurus victor vermessen und dann versucht, den Querschnitt an verschiedenen Stellen abzuschätzen:

plesiosaurus2

Aus Liu et al., s.u.

Anschließend wurde auf dieser Basis ein Computermodell erstellt:

plesiosaurus3

Aus Liu et al., s.u.

In dem Modell wurde angenommen, dass Rumpf und Flossen selbst sich als starre Körper verhalten und nur die Gelenke zwischen ihnen beweglich sind. Dann wurde das Modell an ein strömungsmechanisches Modell gekoppelt, das berechnet, wie der Plesiosaurus beim Schwimmen vom Wasser umströmt wird. Dieses Modell ist allerdings etwas vereinfacht – die Viskosität (also die Zähigkeit) des Wassers wurde vernachlässigt, was vor allem bedeutet, dass im Wasser keine turbulenten Strömungen auf treten können. (In der Physik nennt man dieses vereinfachte Modell gern “trockenes Wasser”). Diese Vereinfachung war wohl insbesondere deshalb notwendig, weil sehr viele Rechnungen durchgeführt wurden – ganz unproblematisch ist das meiner Ansicht nach aber nicht (dazu später mehr).

Ein anderes Problem bei der Berechnung der Bewegung ausgestorbener Tiere ist, dass man nie genau weiß, wie stark sich die Gliedmaßen jeweils an- oder abwinkeln ließen. Deshalb wurden unterschiedliche Bewegungsspielräume für die Flossen verwendet:

plesiosaurus4

Aus Liu et al., s.u.

Dann wurde simuliert – dazu hat man Optimierungsmethoden benutzt und den Rechner nach der optimalen Bewegung der Flossen suchen lassen. Es wurde vereinfachend angenommen, dass die Flossen im wesentlichen sinusförmig bewegt werden (nicht nur auf und ab, sondern auch vor und zurück und ebenso bei der Rotation der Flossen), aber mit der Möglichkeit, an den Extrempunkten – vor allem bei der Rotation der Flossen – eine Pause einzulegen. Außerdem wurde simuliert, wie der Plesiosaurus jeweils schwimmt, wenn er nur die Vorder-, nur die Hinter- oder beide Flossenpaare verwendet.

Das Ergebnis – zumindest für die mittlere”Gelenkigkeit” aus dem Bild oben – zeigt dieses Video:

Wie ihr sehen könnt, ist Schwimmen nur mit den Hinterflossen ziemlich unnütz, während es vergleichsweise egal ist, ob der Plesiosaurus nur die Vorderflossen verwendet oder auch die Hinterflossen dazunimmt – in beiden Fällen ist die erreichte Geschwindigkeit nahezu gleich. Die Absolutgeschwindigkeit ist dabei mit etwa 0.8m/s ziemlich klein, das liegt aber wohl daran, dass mit einer festen Frequenz der Flossenbewegung (alle zwei Sekunden) gerechnet wurde – wenn der Plesiosaurier seine Flossen schneller bewegt, wird er auch schneller.

Man erkennt im Video auch, dass das Schwimmen deutlich keine Ruder- sondern eine Flugbewegung ist. Die Flossen schlagen im wesentlichen auf und ab wie bei einem Pinguin.

Es zeigt sich also, dass Plesiosaurier vermutlich vor allem mit den Vorderflossen schwammen – die Hinterflossen waren eher zum Manövrieren und Steuern gedacht, aber nicht so wichtig für die Geschwindigkeit.

Allerdings bin ich noch nicht zu 100% überzeugt – ich würde nämlich gern wissen, wie sich das Bild ändert, wenn man eine realistischere Wasserströmung mit Turbulenz berechnet. Dann erscheint es mir durchaus denkbar, dass die Vorderflossen einen Wirbel erzeugen und die Hinterflossen diese Wirbelströmung aufnehmen und dadurch zusätzlichen Schub erzeugen. Ähnliche Tricks kennt man auch von Insekten, auch da spielt die Verwirbelung beim Flügelschlag eine wichtige Rolle. Auch wenn Wasser deutlich dichter und viskoser als Luft ist, bin ich mir nicht sicher, ob man die Turbulenzen einfach vernachlässigen darf. Bei einer Länge von so etwa 1 Meter für die Flosse und einer Geschwindigkeit von 1m/s ist die Reynoldszahl, die man als Maß nehmen kann, wie turbulent eine Strömung ist, etwa bei 1000, wen ich mich nicht verrechne. Das ist ein Bereich, wo Turbulenz eine eher geringe Rolle spielt (Faustregel ist, dass man Turbulent ab Reynoldszahlen von etwa 2000 bekommt) – bei höheren Geschwindigkeiten könnte Turbulenz aber durchaus relevant werden (die Reynoldszahl ist proportional zur Geschwindigkeit). Zumindest hätte das im Artikel mal diskutiert werden müssen – dort steht nur lapidar, dass die Viskosität von Wasser klein ist.

So oder so – dass Plesiosaurier sich beim Schwimmen vor allem auf ihre Vorderflossen verließen und dabei unter Wasser “geflogen” sind, ist sicher ein plausibles Ergebnis.

                   

Liu, Shiqiu, et al. “Computer Simulations Imply Forelimb-Dominated Underwater Flight in Plesiosaurs.” PLoS Comput Biol 11.12 (2015): e1004605.

Kommentare (6)

  1. #1 Lars Fischer
    24. Januar 2016

    Das Modell erscheint mir überhaupt nicht plausibel, vor allem weil sich dann die Frage stellt, was die Hinterflossen sollen, die ja doch nen erheblichen Widerstand erzeugen. Für Beutegreifer scheint mir die Geschwindigkeit auch arg gering zu sein. Wie du ja schon anmerkst, ist der Verzicht auf Turbulenz vermutlich das Problem an der Sache – und damit steht für mich irgendwie auch der Wert des ganzen Modells in Frage.

  2. #2 MartinB
    24. Januar 2016

    @Lars
    “Für Beutegreifer scheint mir die Geschwindigkeit auch arg gering zu sein”
    Wie gesagt, das liegt sicher an der konstant gehaltenen Frequenz – 0.5 Hz scheint mir ziemlich wenig zu sein, wenn man schnell schwimmen will.

    Und ja, das mit der Turbulenz ist sicher ein problem. Es wäre schön gewesen, man hätte am Ende zumindest die optimierte Lösung mal mit Turbulenz gerechnet. Habe gerade ein paper über das Schwimmen von Quallen wiedergefunden – da spielen turbulente Wirbel eine ziemlich große Rolle.

  3. #3 Uli Schoppe
    10. Februar 2016

    Wo kann man das über die Quallen lesen? ☺

  4. #4 MartinB
    10. Februar 2016
  5. #5 Volker
    Waakirchen
    26. Februar 2016

    Vielleicht kann man das Phänomen Gravitationswellen in der Raumzeit auch anders betrachten

    Dazu einige meiner Denkmodelle:
    1. Die Raumzeit ist eine fiktive, mathematische Größe, um die räumlichen und zeitlichen Abstände zwischen Ereignissen und Elementen wie Massenpunkte (Teilchen), Energieträgern (Quanten), Wellen etc. berechnen zu können.
    2. Gravitation ist eine Eigenschaft (Wirkung) zwischen massebehafteten Objekten, ähnlich wie Elektromagnetismus die Wirkung (Kräfte) zwischen geladenen Teilchen.
    3. Gravitationswellen könnten auch die periodische Schwankung der Gravitationskonstanten G sein, die dann sogar eine vektorielle Größe wäre. G ist meines Wissens ohnehin nicht auf einen sehr genauen Wert festgelegt, also vielleicht gar nicht so konstant.
    4. Mit einem Raum, also einem physikalisch ereignislosen -sprich leerem- Gebilde, der schwingt, habe ich nach wie vor meine Probleme.

  6. #6 MartinB
    26. Februar 2016

    @Volker
    Ich habe keinen Schimmer, warum du das hier postest, wo es um Plesiosaurier geht.
    1 und 2 sind keine Physik, nur interpretationen (wobei 2 problematisch ist, wenn du kein feldkonzept verwendest, wir wissen, dass em-Felder Energie und Impuls tragen können)
    3 ist schlicht falsch, das kann nicht funktionieren.
    4 ist ein Problem unseres Denkens, keins der Natur, die kümmert sich wenig darum, was uns konzeptionell Probleme macht.