Es herrscht ja hoffentlich allgemein Einigkeit, dass Dinosaurier die absolut coolsten Lebewesen sind, die je auf der Erde rumliefen. Aktuelle Forschungsergebnisse liefern einen weiteren klaren Beleg dafür: Selbst ein Säugetier wäre eigentlich lieber ein Dino gewesen…
Ja, o.k., ich fahre die leicht absurden Formulierungen etwas herunter. Aber ziemlich abgefahren ist die Sache schon.
Die Fossilien, um die es geht, stammen aus dem späten Pleistozän von Kenia, also einer Zeit vor etwa 300000-50000 Jahren. (Quasi gestern, wenn man es mit den 65 Millionen Jahren seit dem Aussterben der Dinos (von Vögeln mal abgesehen) vergleicht.) Sie gehören zu Rusingoryx atopocranion, einem Rind, das mit den Gnus verwandt ist.
Interessant an Rusingoryx ist vor allem der Schädel. Hier ein paar Bilder, oben vermutlich von einem Weibchen, in der Mitte von einem Männchen und unten von einem Jungtier.
Aus O’Brien et al., s.u.
Links seht ihr jeweils die Fossilien, rechts die Computer-Rekonstruktion aus einem Tomographen. (Wer gern Videos guckt, kann sich hier eine Animation der Scans ansehen.) In gelb ist der Luftweg eingezeichnet, der von der Nase zum Rachen führt (kurz SVT für “supralaryngeal vocal tract”). Ihr seht, dass Rusingoryx eine Art “Dom” auf dem Kopf hatte, durch den der SVT durchführt. Auffällig ist auch, dass dieser Dom bei jugendlichen Rusingoryx nur recht schwach ausgeprägt war. Erst wen das Tier älter wurde, wölbte sich der Dom weiter auf und der SVT machte einen komplizierten Schlenker durch den Schädel.
Von Säugetieren kannte man solche Strukturen bisher nicht – klar gibt es viele Arten, die auf seltsame Weise mit ihren Nasen Geräusche machen, aber so ein Dom auf dem Kopf ist neu. Oder auch nicht – denn in der Kreidezeit gab es ganz ähnliche Strukturen bei den Hadrosauriern (gern auch “Entenschnabeldinosaurier” genannt) wie etwa den Lambeosauriern.
Vergleicht man die Entwicklung jugendlicher Lambeosaurier hin zu Erwachsenen, stellt man erstaunliche Parallelen zu Rusingoryx fest – in beiden Fällen wölbte sich der Schädel stark auf und der Luftweg faltete sich entsprechend. Hier ein Vergleich – oben Rusingoryx, unten Hypacrosaurus.
Aus O’Brien et al., s.u.
Auch evolutionär besteht eine gewisse Ähnlichkeit – auf dem Weg hin zu Rusingoryx gibt es auch da Parallelen zur Evolution der Hadrosaurier.
Diese Parallelentwicklung legt natürlich nahe, dass auch die Funktion in beiden Fällen ähnlich war. Und da wir über Gnus und andere Rindviecher ja doch ne ganze Menge mehr wissen als über Dinos, kann man entsprechende Rückschlüsse ziehen. Mögliche Funktionen so eines Knochendoms sind zunächst mal die Thermoregulation – dafür ist aber das Volumen der Luftwege zu klein, für den Zweck wären sie eine deutliche Fehlkonstruktion. Zum Kämpfen eignet sich so ein Dom auch eher nicht, dafür ist er zu empfindlich. Am plausibelsten erscheint, dass Rusingoryx den langen SVT nutzte, um damit Krach zu machen, genau so, wie man es auch bei den Hadrosauriern vermutet. Dafür sprechen auch starke Muskelansätze im Bereich der Kehle.
Der Ton aus dem Dom selbst hätte eine Frequenz zwischen etwa 250 und 750 Hz gehabt (im paper steht 248-746, ich werde nie verstehen, warum Biologinnen so gern mehr zählende Stellen angeben, als sinnvoll ist…),was den Kammerton A bei 440Hz einschließt, aber niedriger ist als bei vielen anderen Säugetieren. Hinzu kommt noch der Luftweg im weichen Gewebe, den man natürlich schlecht rekonstruieren kann, der die Frequenz aber noch einmal deutlich abgesenkt haben dürfte. Entsprechend dürfte Rusingoryx einigermaßen tiefe Töne von sich gegeben haben – man kann spekulieren, ob das vor Raubtieren schützt, die eher auf höhere Frequenzen geeicht sind. Die Frequenzen, die man für Hadrosaurier abgeschätzt hat, sind übrigens in einem ähnlichen Bereich.
Insgesamt eine erstaunliche und auch ziemlich unerwartete Parallelentwicklung – schade nur, dass Rusingoryx (wie so viele interessante Großsäuger) es nicht bis in unsere Zeit geschafft hat.
O’Brien et al., Unexpected Convergent Evolution of Nasal Domes between Pleistocene Bovids and Cretaceous
Hadrosaur Dinosaurs, Current Biology (2016), https://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2015.12.050
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