Heutzutage wird das Konzept der “relativistischen Masse” in der Physik meist nicht mehr verwendet. Das “m” in der Gleichung E=mc² ist dann die Ruhemasse; wenn sich das Objekt bewegt, kommt ein zweiter Term zur Gleichung hinzu und sie sieht so aus:

E^2=m^2c^4+c^2p^2\  (*)

Dabei ist p der Impuls. In der klassischen Physik nach Newton ist der Impuls das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit – in der Relativitätstheorie muss man für den Impuls entweder die relativistische Masse nehmen, oder man schreibt die Impulsgleichung explizit mit dem zusätzlichen Faktor gamma, also

p = m_{rel} v = \gamma m v

Wie gesagt wird heutzutage meist die letzte Schreibweise verwendet.

Verwendet man die Gleichung (*) von oben, dann gilt E=mc² also nur, wenn das Objekt in Ruhe ist, ansonsten kommt ein extra-Term hinzu. Man könnte also versucht sein zu sagen “Die Gleichung E=mc² enthält die kinetische Energie nicht.”

Das wiederum ist aber auch problematisch.

Betrachten wir dazu wieder unsere Schokoladentafel. Wir tun sie in einen Topf und erwärmen sie vorsichtig, bis sie schmilzt. Da wir der Schokotafel beim Erwärmen Energie zugeführt haben (denn Wärme ist ja eine Form von Energie), muss nach E=mc² ihre Masse zugenommen haben. (Eine so genaue Waage, die das messen kann, gibt es allerdings nicht.) Aber wo steckt die zusätzliche Masse in der Schokoladentafel?

Wärme ist ja letztlich nichts anderes als die Bewegungsenergie von Atomen und Molekülen – wenn wir ein Objekt erwärmen, dass bewegen sich die Teilchen (Atome oder Moleküle) im Objekt schneller und haben mehr Energie. Die zusätzliche Energie in unserer Schokotafel steckt also in einer zusätzlichen Bewegungsenergie der Teilchen darin. Greifen wir ein beliebiges Schokoladenmolekül (ja, ich weiß, dass Schokolade aus vielen Bestandteilen besteht und dass es keine chemische Substanz namens Schokolade gibt, ist hier nur der Einfachheit halber) heraus, dann bewegt es sich nach dem Erwärmen schneller als vorher. Für dieses Schokoladenmolekül würden wir unsere Gleichung (*) von oben verwenden – seine Energie ist gegeben durch mc² und durch die  Energie durch die Bewegung. Für das einzelne Molekül ändert sich aber in unserer Logik die Masse nicht, weil Masse immer Ruhemasse ist.

Betrachten wir aber all die vielen Schoko-Moleküle zusammen, dann gilt zwar für jedes einzelne, dass sich seine Ruhemasse nicht ändert – für die Schokoladentafel als ganzes, die sich ja relativ zu uns nicht bewegt, sieht es trotzdem so aus, also wäre die Ruhemasse größer geworden.

Ähnlich ist es zum Beispiel auch mit der Energie von elektromagnetischen Feldern. Stellt euch zum Beispiel einen Plattenkondensator vor:

kondensator1

Der besteht aus zwei Metallplatten, die man elektrisch aufladen kann. Zwischen den beiden Platten bildet sich dann ein elektrisches Feld (im Bild grün). Zum Aufladen des Kondensators braucht man Energie – also steckt im Kondensator auch Energie. Betrachtet man den Kondensator als Ganzes, dann hat seine Masse mit dem Aufladen etwas zugenommen. Die zusätzliche Masse kommt von der Energie im elektrischen Feld, insofern ist die Energie des Feldes einer Masse äquivalent. Man würde aber trotzdem nicht sagen, dass ein elektrisches Feld eine “Ruhemasse” hat, obwohl es zur Ruhemasse des Gesamtobjekts “Kondensator” beiträgt.

In der Physik ist es oft so, dass Konzepte nicht immer ganz scharf sind und dass man – je nach Problemstellung – Begriffe etwas unterschiedlich definiert. In der Praxis ist zwar (fast) immer klar, wie die Konzepte zu handhaben sind und welche Vorhersagen sich aus der Theorie ergeben, aber eine ganz scharfe Definition der Begriffe, die in allen Zusammenhängen passt, ist trotzdem oft schwierig. Das gilt eben auch für die Gleichung E=mc² – wie genau man sie interpretiert, hängt davon ab, welchen Massebegriff man verwendet, und das ist nicht so einfach, wie man denken könnte. Ich hoffe, dass ihr jetzt ein wenig klarer sehr, wo die Fallstricke sind.

Nachdem wir die Gleichung E=mc² nun ziemlich intensiv angewandt haben, um zu sehen, was sie bedeutet, stellt sich natürlich noch eine andere Frage: Woher kommt die Gleichung eigentlich? Folgt sie direkt aus der Speziellen Relativitätstheorie, wie man ja oft lesen kann? Die Antwort darauf ist auf jeden Fall einen dritten Teil wert. (Auf den ihr aber vermutlich noch etwas warten müsst.)

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Kommentare (22)

  1. #1 Niels
    7. Juli 2016

    Woher kommt die Gleichung eigentlich? Folgt sie direkt aus der Speziellen Relativitätstheorie, wie man ja oft lesen kann?

    Ja? Oder übersehe ich etwas?
    Willst du auf die Notwendigkeit der Annahme der Gültigkeit der Energie- und Impulserhaltung hinaus?

  2. #2 MartinB
    8. Juli 2016

    @Niels
    Die auf jeden Fall, aber auch dann ist es immer noch alles andere als trivial. Man sieht ja öfter die “Herleitung” aus dem Viererimpuls, aber die nimmt letztlich schon an, was man reinsteckt – mir geht es vor allem darum zu zeigen, dass es sooo einfach nicht ist.

  3. #3 Ludger
    8. Juli 2016

    Und was bedeutet die Gleichung E=mc² für die Masse eines Photons?

  4. #4 MartinB
    8. Juli 2016

    @Ludger
    Sorry, ist das nicht deutlich geworden?
    Wenn man für m die Ruhemasse nimmt, dann sagt mir die Gleichung, dass das Photon eben keine Ruhemasse/Ruhenergie hat.
    Wenn man für m die relativitische Masse nimmt, dann kann ich dem Photon entsprehcend eine Masse zuordnen (und z.B. verstehen, warum ein Photon auch auf Schwerefelder reagieren muss).

  5. #5 Laie
    8. Juli 2016

    Danke für den Beitrag, dieser und der letzte waren für mich sozusagen “the missing link”. An die Massenzunahme durch Wärme hätte ich nicht gedacht. Damit wir klar, dass kurz nach dem Urknall (nach Abtrennung der Gravitation) der Rest wegen hoher Temperatur ziemlich schwer gewesen sein musste.

    Ich nehme mal an, in Strom-durchflossenen Spulen muss es ebenfalls zu einer (ganz leichten) Massenzunahme des magnetischen Feldes kommen.

    Physikalisch unmöglich, irgendwo im leeren Raum eine Masse herzuzaubern. Für den theoritischen Fall dies wäre möglich: Würde sich die Gravitation auch mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten?

    Könnte man die Masse von elektrischen und magnetischen Feldern nicht als Begründung dafür sehen, dass sich elektromagnetische Wellen wegen der in ihr steckenden Bewegungsmasse? nicht Lichtgeschwindigkeit überschreiten können?

  6. #6 Ludger
    8. Juli 2016

    @ MartinB #4
    Das heißt, dass die relativitische Masse des Photons im Vakuum in Abhängigkeit von der Lichtfrequenz in kg angegeben werden darf?

  7. #7 MartinB
    8. Juli 2016

    @Laie
    In einer durchflossenen Spule steckt entsprechend Energie im Magnetfeld, so wie im Plattenkondensator auch.

    “Würde sich die Gravitation auch mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten? ”
    Würde sie nicht nur, tut sie auch (siehe die Gravitationswellen).

    “Könnte man die Masse von elektrischen und magnetischen Feldern nicht als Begründung dafür sehen, dass sich elektromagnetische Wellen wegen der in ihr steckenden Bewegungsmasse?”
    Nein, weil das keine Ruhemasse ist. Und um sich mit Überlichtgeschwindigkeit zu bewegen, bräuchte man nach der SRT eine imaginäre Masse (Tachyonen, dazu gab’s mal 2011 hier nen Artikel).

  8. #8 MartinB
    8. Juli 2016

    @Ludger
    Kann man sicher machen – ist nicht wahnsinnig sinnvoll für irgendeine Überlegung, aber verboten ist es nicht.

  9. #9 Laie
    10. Juli 2016

    Hab mal inzwischen bei den Tachyonen nachgelesen, schaut nicht gut aus, sowas zu finden. Schade, Überlichtgeschwindigkeit wäre ja mal recht spannend. Wahrscheinlich wird uns eine lokale Aufhebung der Lichtgeschwindigkeit nicht so leicht gelingen, ohne dass uns das Universium um die Ohren fliegt! 🙂
    Ist Vakuum wie ich wo las metastabil, bzw. ein falsches Vakuum? Falls ja, könnte es auf einmal irgendwo zum Absinken auf einen niedrigeren Energieniveau kommen, und sich so ne Blase ausbreiten?

  10. #10 MartinB
    11. Juli 2016

    @Laie
    “Ist Vakuum wie ich wo las metastabil, bzw. ein falsches Vakuum?”
    Ist durchaus denkbar, aber klare Hinweise darauf gibt es meines Wissens nicht.

  11. #11 Alderamin
    12. Juli 2016
  12. #12 Herr Senf
    12. Juli 2016

    Da kann man rechnen was man will, nur merken wird’s keiner.
    Sollte per Fluktuation eine solche Blase entstehen, wird sie sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie kommt also gleichzeitig mit ihrer Information an, diese kann ihr nicht vorauseilen. Das war es dann, keiner kann mehr die Rechnungen diskutieren.

  13. #13 Alderamin
    13. Juli 2016

    @Herr Senf

    Wäre aber ein schöner Tod. Man würde nichts davon spüren können, denn kein Nerv leitet Schmerz so schnell, wie man disintegriert wäre. Mache mir deswegen keine Sorgen, besser kann’s ansonsten nicht enden.

  14. #14 Laie
    13. Juli 2016

    @MartinB,

    danke für die Erklärungen, ich hoffe auch, dass das Universum stabil bleibt, weil ich mir nicht sicher bin, ob sich Leben nach einem Phasenübergang in einem “echten Vakuum” neu bilden könnte. Wie ist der Inhalt des Hinweises von Alderadmin zu beurteilen?

    @Alderadmin,
    Mist, nicht mal auf das Universium kann man sich verlassen! Die freigesetzte Energiemenge wäre ja enorm, und was wäre das? Reine Strahlung, welcher Art?
    Gäbe es dann noch Atome? Oder neue Naturgesetze?
    Was für mich rein intiutiv gegen eine weiter spontane Zustandsänderung spricht, ist die Tatsache, daß sich die Urkraft recht schnell nach dem Urknall aufgespaltet hat, und der Rest zu lange stabil war, um es sich noch anders zu überlegen…
    Oder ist das ungefähr so, unterhalb der Quant-Zeit gabe es mal ein Universium, bis sich dann ein metastabiler Zustand änderte, und davon nix mehr übrig blieb? (Als Laie darf ich so fantasieren! 🙂

  15. #15 Alderamin
    13. Juli 2016

    @Laie

    Die freigesetzte Energiemenge wäre ja enorm, und was wäre das? Reine Strahlung, welcher Art?

    Beim letztenmal war das so 😉 Elektromagnetische Strahlung, so intensiv, dass daraus Quarks und alle anderen möglichen Teilchen entstanden.

    Gäbe es dann noch Atome? Oder neue Naturgesetze?

    Atome: möglicherweise nicht. Neue Naturgesetze: vermutlich schon. Vielleicht neue Teilchen, die sich ganz anders verhalten. Dafür gibt’s aber noch keine Theorie, da kann man nur spekulieren.

    Oder ist das ungefähr so, unterhalb der Quant-Zeit gabe es mal ein Universium, bis sich dann ein metastabiler Zustand änderte, und davon nix mehr übrig blieb?

    Es gibt da verschiedene Hypothesen, nichts genaues weiß man nicht. Eine häufiger kolportierte Variante lässt in irgendeinem Vorläuferuniversum durch eine Quantenfluktuation zufällig ein Stückchen falsches Vakuum entstehen, dass sie sofort inflationär ausdehnt. In dem inflationären Raum (der dann jedoch m.W.n. das Vorläuferuniversum nicht vernichtet hat, sondern seinen eigenen Raum schuf) entstand dann unser Universum als Blase nicht-inflationärer Expansion, und wohlmöglich noch unzählige weitere solche Blasen, bei einer niemals mehr endenden Inflation.

    In anderen Varianten endet die Inflation doch überall. Ideen gibt’s genug, alleine der Nachweis fällt schwer. Insbesondere ohne eine Theorie der Quantengravitation. So schwer, dass die meisten Physiker die Multiversumstheorien als unphysikalisch ablehnen.

  16. #16 MartinB
    14. Juli 2016

    @LAie
    “Wie ist der Inhalt des Hinweises von Alderadmin zu beurteilen?”
    Wenn Alderamin das schreibt, wird’s stimmen.

  17. #17 Alderamin
    14. Juli 2016

    @Martin

    Wenn Alderamin das schreibt, wird’s stimmen.

    Nur mit Kontrollstempel von Niels. 😉

    Dass die Higgs-Masse ein instabiles Vakuum nahe legt, ging durch die Presse. Stephen Hawking hatte sich auch dazu geäußert. Ohne Quantengravitation ist das alles ein wenig spekulativ.

    Dann hoffen wir mal, dass es keine primordialen Schwarzen Löcher von 30 bis 170 Gramm Masse gibt, die demnächst zerfallen… oder wenigstens keine im Umkreis von 100 Lichtjahren…

  18. #18 Nostradamus
    14. Juli 2016

    Test

  19. #19 Nostradamus
    14. Juli 2016

    Ich (ein Gast) habe gerade zufällig im “Trigger-Blog” gesehen, dass es hier noch andere “Gast”-Accounts gibt. Werde diesen also nicht mehr verwenden.
    Vielleicht kann ja mal jemand kurz erklären, wie ich einen unverwechselbaren Avatar hie in die Kommentarfunktion platziere.

  20. #20 MartinB
    14. Juli 2016

    @Nostradamus
    Einfach bei gravatar mit der mail, die du hier einträgst, registrieren.

  21. #21 Laie
    18. Juli 2016

    Irgendwie tät’ mich das schon stören, wenn das Universium so um die fast 14 milliaraden Jahre brauchte um mich und andere tolle Menschen auszuspucken, um dann zu sagen, “Das war alles umsonst, jetzt kommt was anderes.” 🙂

    Könnte man nicht irgendwelche andere Teilchen finden, die dann trotz der paar fehlenden GeV den Rest irgendwie stablilsiert. Es gingen ja im Falle eines Falles sämtliche Forschungsergebnisse und auch schwarze Löcher verloren? Oder bleibt die Information doch irgendwie erhalten, wie es auch durch die Steven-Hawking-Strahlung erklärt wird?

    Wer garantiert in einem Blasen-Bildungs-Falle für echtes Vakuum, dass das nicht wie in der Inflations-Blasen-Phase etwas überlichtschnell transformiert?

  22. […] ist das γ ein Faktor, der so von der Geschwindigkeit abhängt und den ich im zweiten teil des Artikels schon eingeführt […]