Vögel sind ja oft erstaunlich intelligent – Raben können komplexe Probleme lösen (auch wenn ich mir bei dem dort gezeigten Video nicht sicher bin, ob da ein “Kluger-Hans-Effekt” ausgeschlossen wurde, immerhin sitzt da ja ein Mensch dabei), auch Papageien sind oft sehr intelligent. Das ist insofern erstaunlich, weil sie ja – verglichen zum Beispiel mit vielen Primaten – oft sehr kleine Köpfe und entsprechend auch kleine Gehirne haben.
Eine zeitlang hat man angenommen, dass es nicht so sehr die absolute Gehirngröße ist, die über die Intelligenz von Tieren entscheidet, sondern eher die Größe relativ zum Körper. Da schneiden Vögel dann oft nicht so schlecht ab – das Verhältnis Gehirnmasse zu Körpermasse ist bei ihnen oft so etwa 1:15, während es beim Menschen eher 1:50 ist. Aber auch Mäuse kommen auf ein Verhältnis von 1:40, obwohl sie ja nicht intelligenter sind als Menschen. (Oder doch?) Und generell ist es auch nicht wirklich einzusehen, dass ein kleineres Lebewesen weniger Hirnzellen braucht, um dieselbe kognitive Leistung zu vollbringen – auch wenn die Analogie Gehirn-Computer nicht besonders gut ist, wäre es trotzdem erstaunlich, wenn die Rechenleistung eines Gehirns unabhängig von der Zahl der Rechenelemente wäre. Und tatsächlich weisen viele neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass beispielsweise bei Primaten die absolute Zahl der Neuronen über die Intelligenz entscheidet.
Das wirft natürlich die Frage auf, wie Vögel es mit ihren absolut gesehen ja relativ kleinen Gehirnen schaffen, trotzdem so schlau zu sein. Die Antwort darauf ist gleichermaßen simpel wie verblüffend: in ihren Gehirnen sind die Neuronen einfach deutlich dichter gepackt. Das Gehirn eines Stars beispielsweise (also eines Vogels, nicht eines Fernsehstars… obwohl…) wiegt etwa 1.9 Gramm und ist damit ziemlich genau so schwer wie das einer Ratte. Es enthält aber mehr als doppelt so viele Neuronen. Dieses Bild hier zeigt die Abhängigkeit für viele verschiedene Arten:
Aus Olkowicz et al., s.u.
Aufgetragen ist die Masse des Gehirns gegen die Zahl der Neuronen. Wenn ihr also wissen wollt, welche Tiere bei bestimmter Gehirnmasse viele Neuronen haben, müsst ihr bei diesem Wert eine horizontale Linie verfolgen (ich hätte die Auftragung andersherum logischer gefunden). Dann seht ihr, dass insbesondere die roten und grünen Datenpunkte (die zu Singvögeln und Papageien gehören) weiter rechts liegen, die Zahl der Neuronen ist also bei gleicher Gehirnmasse deutlich größer. Ihr seht übrigens auch, dass auch bei Primaten die Dichte der Neuronen insgesamt größer ist als bei anderen Säugetieren (Nagetiere und Huftiere), und dass die Dichten bei Primaten und anderen Vögeln (die schwarzen Datenpunkte) etwa vergleichbar sind.
Natürlich kann man auch noch etwas genauer hinschauen – schließlich haben nicht alle Teile des Gehirns dieselbe Funktion. Dieses Bild hier zeigt die Gehirne unterschiedliche Vögel und Säugetiere jeweils im Vergleich. Dabei ist das Gehirn ähnlich wie Gallien in drei Teile geteilt: der grüne Teil ist das “Pallium” (ich bin mit der Hirnanatomie nicht so richtig vertraut, aber das ist wohl die Hirnrinde), dann gibt es das Kleinhirn (Cerebellum) in rot und den Rest des Gehirns in gelb. Unten im Bild seht ihr den jeweiligen Anteil der Neuronen in den drei Abschnitten, wobei im grünen Teil, also dem Pallium, die absolute Zahl der Neuronen angegeben ist:
Aus Olkowicz et al., s.u.
Ihr seht, dass gerade im Pallium die Zahl der Neuronen bei den Vögeln sehr groß ist und dass das Pallium generell einen größeren Anteil am Gesamthirn hat als bei Säugetieren.
Allerdings ist das zumindest nicht bei allen Vögeln so ausgeprägt. Eulen und Emus beispielsweise (die auch untersucht wurden) hatten kein so deutlich vergrößertes Pallium und – wie man ja auch schon im Bild oben sah – generell eine kleinere Dichte der Neuronen. Singvögel und Papageien zeigen also eine Weiterentwicklung zu besonders leistungsfähigen Gehirnen, die sich für sehr hohe kognitive Leistungen eignen. Und generell spielen diese Vögel intellektuell vermutlich in der gleichen Liga wie Primaten.
Aber auch beim Emu ist die Dichte der Neuronen ja schon höher als bei den meisten Säugetieren. Das bedeutet, dass auch diese Vögel, die sich evolutionär von den anderen untersuchten Vögeln ja schon sehr früh getrennt haben, tendenziell intelligenter sind, als man nach der absoluten Gehirngröße vermuten würde, wenn man Säugetiere als Maßstab heranzieht. Das wirft natürlich – für mich, in der Arbeit steht dazu nichts – die Frage auf, wann sich die höhere Neuronendichte entwickelt hat. Vielleicht ja schon bei den Vorfahren der Vögel, also den Dinosauriern? Die haben ja bekanntlich sehr kleine Gehirne (jedenfalls die meisten) – aber wer weiß, vielleicht waren auch deren Neuronen schon etwas dichter gepackt als man bisher annahm. (Man sollte sicherlich mal, falls das nicht schon wer getan hat, die Gehirne von Krokodilen näher unter die Lupe nehmen. Die sind ja auch deutlich schlauer, als man früher dachte.)
Papageien und Singvögel zeigen auf jeden Fall, dass man nicht unbedingt ein absolut großes und schweres Gehirn braucht, um viele Neuronen (und damit viel “Prozessorleistung”) unterzubringen – unsere Säugetiergehirne sind einfach nicht so effizient gepackt.
Olkowicz, Seweryn, et al. “Birds have primate-like numbers of neurons in the forebrain.” Proceedings of the National Academy of Sciences (2016): 201517131.
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