Norddeutschland ist ja nicht gerade der erste Ort, der einem einfällt, wenn man an spektakuläre Dino-Funde denkt. Aber auch hier gab es im Erdmittelalter durchaus beachtliche Dinos. Einer davon geistert seit über 15 Jahren unter dem Namen “Monster von Minden” durch die Dino-Welt. Nun hat das Monster endlich einen Namen bekommen.
Das Monster von Minden wurde Ende des 20. Jahrhunderts in der Nähe von – wer hätte es gedacht – Minden gefunden, im dortigen Wiehengebirge. Das Wiehengebirge besteht im wesentlichen aus Gesteinen der Jurazeit (ähnlich wie das Wesergebirge, wo es ja auch spektakuläre Fußspuren gab). Kleine Erinnerung: Das Erdmittelalter teilt man in drei Zeitalter ein: Trias, Jura und Kreide, wobei die Trias das älteste ist. Das Mitteljura war vor so etwa 165 Millionen Jahren.
Im Mitteljura war die Gegend hier in Deutschland zu einem guten Teil von einem Meer mit mehr oder weniger großen Inseln bedeckt. Dort lebten Zwergdinos wie der Europasaurus, die aber dann vermutlich von größeren Raubsauriern eliminiert wurden.
Ein solcher größerer Raubsaurier (allerdings nicht der, der den Europasaurus auf dem Gewissen hatte, denn das Monster von Minden lebte früher) war das “Monster von Minden”, das jetzt den offiziellen Namen “Wiehenvenator albati” (Albat’s Wiehen-Jäger) bekommen hat. Wie schon erwähnt wurden die Fossilien schon vor über 15 Jahren gefunden, aber erst jetzt sind sie sauber und im Detail wissenschaftlich veröffentlicht.
Hier ein Bild, das zeigt, welche Überreste des Wiehenvenator gefunden wurden (der Maßstabsbalken ist 1 Meter lang):
Aus Rauhut et al., s.u.
Immerhin große Teile des Schädels, ein paar Rippen, Wirbel, Beinknochen und Teile der Hand. Nicht gerade das vollständigste Fossil aller Zeiten, aber gut genug, um den Wiehenvenator einigermaßen sicher einordnen zu können. Der vergleichsweise flache längliche Schädel zeigt schon, dass er zu den eher ursprünglichen Raubsauriern gehört, in die Gruppe der Megalosaurier. Seine Größe dürfte etwa 9 Meter betragen haben – nicht gigantisch, aber schon ein ziemlich großer Raubsaurier.
Wiehenvenator war also ein weiterer Vertreter der Gruppe der Megalosaurier – die damit noch etwas artenreicher wird, als sie ohnehin schon war. Im paper wird zunächst das Fossil detailliert untersucht, danach folgt eine Einordnung des Wiehenvenator in den Stammbaum der Raubsaurier (natürlich mit kladistischen Methoden). Wie so oft sind nicht alle Details der Verwandtschaft aufzuklären (dazu sind Fossilien doch zu unvollständig), aber Wiehenvenator ist ein enger Verwandter des schon lange bekannten Torvosaurus und des Megalosaurus aus England.
Die Arbeit widmet sich im zweiten teil der Frage, wie sehr sich die Raubsaurier ziwxhen dem mittleren und dem oberen jura verändert haben: IM mittleren Jura gab es zahlreiche Arten der Megalosaurier, im oberen Jura wurden diese dann größtenteils durch den Allosaurus und seine Verwandten abgelöst. (Tyrannosaurier gab es damals (im oberen Jura von England) nur als sehr kleine und unbedeutende Formen wie den Stokesosaurus.) Eine Analyse von Funden aus der ganzen Welt zeigt in der Tat, dass es hier einen ziemlichen Umschwung gab (es ist ja in der Wissenschaft selten verkehrt, das “was jeder weiß” auch mal quantitativ zu untersuchen):
Aus Rauhut et al., s.u.
Links seht ihr die Verteilung im mittleren, rechts im oberen Jura. Die ceratosaurier sind in beiden Fällen ziemlich unbedeutend, die Coelurosaurier sind kleine, leichtfüßge Dinos (wie zum Beispiel der bekannte Ornitholestes, aber auch Stokesosaurus gehört dazu), “incertae sedis” sind Dinos, die man nicht irgendwo einsortieren kann, weil nicht genügen gute Fossilien vorhanden sind. Bei den großen Raubsauriern gehörten im Mitteljura also die meisten Arten zu den Megalosauriern, im oberen Jura waren dagegen die Allosaurier die verbreitetsten Räuber. Etwas verkompliziert wird das Bild allerdings, wenn man noch berücksichtigt, dass man die Fossilien unterschiedlicher Fundorte vergleicht – es ist durchaus möglich, dass z.B. auch im mittleren Jura in Nordamerika Allosaurier schon sehr häufig waren, dort gibt es nur leider wenige Fundorte aus dieser Zeit.
Auf jeden Fall hat das “Monster von Minden” jetzt endlich seinen wohlverdienten Namen bekommen und seinen Platz im Dinostammbaum hat es auch gefunden.
Rauhut, Oliver W.M., Hübner, Tom R., and Lanser, Klaus-Peter. 2016. A new megalosaurid theropod dinosaur from the late Middle
Jurassic (Callovian) of north-western Germany: Implications for theropod evolution and faunal turnover in the Jurassic. Palaeontologia
Electronica 19.2.26A: 1-65
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