Der Streit um die richtige Anordnung der Rückenplatten zog sich noch ziemlich lange hin; soweit ich weiß, war man sich erst in den 90er Jahren einig, dass sie alternierend angeordnet waren, so wie in dieser modernen Rekonstruktion:
By Matthew Martyniuk – Own work, CC BY-SA 4.0, Link
Zwischendurch hatte man immerhin gemerkt, dass die Ellbogen nicht so schrecklich eingeknickt sein sollten, sondern eher gerade gehalten wurden (wäre sonst mechanisch auch echt ungünstig für das arme Tier). Dafür gab es andere seltsame Ideen, beispielsweise die, dass die Platten die Flanken des Tieres schützen sollten und deshalb flach am Körper lagen:
Stegosaurus aus dem Buch “The evolution and ecology of the Dinosaurs” (Deutsch: “Welt der Dinosaurier” von LSB Halstead, gefunden auf dem tollen Blog https://chasmosaurs.blogspot.de
Fand ich damals, als ich das Buch zum ersten mal gelesen habe, durchaus plausibel (das Buch war überhaupt toll, weil es viele biomechanische Argumente brachte und eins der ersten Dino-Bücher war, in denen Dinos echt wissenschaftlich behandelt wurden, auch wenn viele der Ideen sich später als falsch erwiesen) – aber genauere Untersuchungen der Platten zeigen, dass das so nicht funktioniert.
Eine andere ziemlich bizarre Stegosaurus-Version wil ich euch auch nicht vorenthalten – war eine der ersten, die ich (im “Was-ist-Was-Buch”) selbst gesehen habe:
Ebenfalls beim chasmosaurus-Blogspot gefunden
Hier werden die Merkmale schon arg übertrieben – und der Kopf ist auch wieder dicht über dem Boden, aber das war ja schon fast traditionell so.
Aber in den 80er und 90er Jahren stabilisierte sich das Bild des Stegosaurus ziemlich – die 19 Knochenplatten waren alternierend auf dem Rücken angeordnet, die Vorderbeine durften ausgestreckt werden und der Schwanz schleifte auch nicht mehr am Boden. Hier eine schöne Skelett-Rekonstruktion:
By Tadek Kurpaski from Pittsburgh,PA, USA – stegosaurus
Uploaded by FunkMonk, CC BY 2.0, Link
Aber auch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Denn ein neuer Stegosaurus-Fund, der letztes Jahr ausführlich beschrieben wurde, hat am Bild noch ein paar Kleinigkeiten geändert. Zum einen ist da der Hals des Stegosaurus: Der ist traditionell kurz gehalten. Das liegt daran, dass man bei bisherigen Funden nicht bei allen Wirbeln genau sagen konnte, ob sie zum Hals oder zum Rumpf gehören (die am Rumpf tragen richtige Rippen). Insgesamt gibt es vor der Hüfte 27 Wirbel – seit Marsh hat man angenommen, dass 10 davon zum Hals und die restlichen zum Rumpf gehören. Nun ist aber klar, dass der Hals drei Wirbel mehr hatte und entsprechend deutlich länger war. Entsprechend ist der Rumpf deutlich kürzer und kompakter.
Hier eine Skelettrekonstruktion (aus dem Naturkundemuseum in London), bei der ihr den längeren Hals gut erkennen könnt:
By Susannah Maidment et al. & Natural History Museum, London – Maidment SCR, Brassey C, Barrett PM (2015) The Postcranial Skeleton of an Exceptionally Complete Individual of the Plated Dinosaur Stegosaurus stenops (Dinosauria: Thyreophora) from the Upper Jurassic Morrison Formation of Wyoming, U.S.A. PLoS ONE 10(10): e0138352. doi:10.1371/journal.pone.0138352, CC BY 4.0, Link
(Stegosaurier mit langem Hals kennt man ja schon länger, seit 2009 Miragaia gefunden wurde. Warum ich darüber nicht gebloggt habe? Damals gab’s den Blog noch nicht, sorry…)
Bei der Rekonstruktion kann man sich auch sehr gut das vorstellen, was ich oben beschrieben habe: Der Stegosaurus stößt sich mit den Vorderbeinen ab und dreht sich schnell um die Hinterbeine, um seinen Schwanz optimal in Stellung zu bringen.
Für meinen Geschmack sieht der Stegosaurus so irgendwie deutlich “dinosauriger” aus als vorher. (Wenn ihr nochmal die erste Rekonstruktion ganz oben anguckt, seht ihr, dass es da auch den langen Hals gab – das war damals natürlich nur geraten, aber immerhin gut geraten.)
Eine zweite Neuerung sieht man auf dem Bild oben nicht – wohl aber in dieser Rekonstruktion von Scott Hartmann:
Bild von Scott Hartmanns deviantart-Seite, mit freundlicher Genehmigung – aber bitte nicht einfach weiterkopieren…
Die hinteren Schwanzwirbel sind von der Form her so, dass der Schwanz eine leichte Krümmung nach unten aufweist. Scott hat sich das anscheinend sehr gründlich angeschaut und es handelt sich wohl nicht um eine Verbiegung, die nach dem Tod des Tieres auftrat. Auf den ersten Blick sieht es ein bisschen seltsam und ungewohnt aus – aber es führt dazu, dass die Schwanzstacheln eher horizontal liegen und sich damit eigentlich viel besser dazu eignen, bösen Allosauriern eins auf die Beine zu hauen (siehe den Filmclip oben).
Das ist also das aktuell beste und genauste Bild des Stegosaurus. Mal sehen, wie lange es dauert, bis wir es noch einmal ändern, weil wir noch etwas Neues herausfinden…
Maidment SCR, Brassey C, Barrett PM (2015)
The Postcranial Skeleton of an Exceptionally Complete Individual of the Plated Dinosaur Stegosaurus stenops (Dinosauria: Thyreophora) from
the Upper Jurassic Morrison Formation of Wyoming, U.S.A.. PLoS ONE 10(10): e0138352. doi:10.1371/journal.pone.0138352
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