Dass wir auch über heute lebende Tiere oft weniger wissen, als wir denken, war hier auf dem Blog schon öfters Thema (ich sage nur: baumkletternde und sich tarnende Krokodile, sozial lebende Chamäleons, Mode bei Schimpansen). Selbst Tiere, die man schon lange kennt, sind immer noch für Überraschungen gut.
Drachen zum Beispiel. Also nicht die feuerspeienden Ungeheuer, denen der Blog seinen Namen verdankt, sondern die Eidechsen mit den Tragflächen an der Seite:
By Rajeev B – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Hier seht ihr einen Drachen mit seiner Flughaut, die von einigen Rippen aufgespannt wird. Das praktische an s einer Flughaut ist, dass der Drache sie einklappen kann, wen sie gerade nicht gebraucht wird. Anders als bei Vögeln oder Fledermäusen, wo die Vorderbeine zu Flügeln umgebaut sind, sind bei den Flugdrachen die Vorderbeine voll einsatzbereit und können zum Laufen oder Klettern eingesetzt werden.
Dafür hat so eine Flughaut, die von Rippen aufgespannt wird, natürlich auch einen offensichtlichen Nachteil: Rippen haben keine besonders komplexen Muskeln und können deswegen nicht besonders gut bewegt werden. Für eine Tragfläche ist das eigentlich unpraktisch, denn gerade wenn der Drache vielleicht auch mal eine Kurve fliegen oder seinen Flug verlängern oder abkürzen möchte, dann muss er dazu die Form der Tragflächen anpassen.
Bisher dachte man, dass das eben mit Hilfe der vorhandenen Rippenmuskulatur halbwegs geht, und der Drache muss halt damit leben, dass er nur sehr wenig Kontrolle über seine Tragflächen hat. Aber wie so oft, ist die Evolution raffinierter als das.
Statt irgendwelche Extra-Muskeln zu entwickeln (woher auch), hat die Evolution einfach das Verhalten des Flugdrachens angepasst. Der nutzt nämlich nicht bloß die Muskeln an den Rippen, um die Flughaut auszubreiten, sondern ganz simpel auch seine Arme.
[So, nach etwas Komplikationen mit den Bildrechten darf ich die Bilder jetzt doch zeigen. Weitere Bilder findet ihr auch hier bei New Scientist.]
Das Bild stammt von Maximilian Dehling, der Flugdrachen in Indien beobachtet und beim Fliegen fotografiert hat. Man kann deutlich erkennen, dass der Drache seine Arme nach hinten nimmt und die Flughaut damit nach Vorn zieht. Mit den Armen und Händen kann er jetzt die Flughaut steuern und beispielsweise den Anstellwinkel oder die Neigung verändern. Außerdem kann der Drache noch seinen Rücken mehr oder weniger stark durchbiegen, um die Krümmung der Flughaut zu variieren. (Details findet ihr in der sehr gut lesbaren Arbeit, siehe unten.)
Das Raffinierte daran ist, dass hier zwei Körperstrukturen quasi zu einer zusammengefügt werden. Ich habe eine Weile überlegt; mir ist aber kein Beispiel eingefallen, wo ein Tier seine Gliedmaßen o.ä. nutzt, um einen anderen Körperteil gezielt zu bewegen – normalerweise haben bewegliche Körperteile ja selbst eine hinreichende Muskelausstattung. Falls euch ein entsprechendes Lebewesen einfällt (oder auch ein Fantasiewesen z.B. in der Science-Fiction), dann hinterlasst gern einen Kommentar.
Interessant ist das Ganze natürlich auch deswegen, weil es in der Erdgeschichte ja noch andere Reptilien mit ähnlichen Flughäuten gab, z.B. Kuehneosaurus oder Coelurosauravus:
Von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com) – Eigenes Werk, CC BY 2.5, Link
Auch bei denen ist es durchaus möglich, dass sie ihre Vorderbeine mitbenutzt haben, um die Flughäute zu steuern.
Lustigerweise habe ich beim googeln nach Bildern von Draco dieses hier (aus dem Jahr 2012)
gefunden:
By Psumuseum – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Da ist deutlich zu erkennen, wie der Drache seine Flügel mit den Vorderbeinen festhält. Manchmal muss man halt nur genau hingucken…
Dank an Maximilian Dehling für die freundliche Genehmigung, das Bild aus dem Artikel zu zeigen.
Der Artikel ist bisher nur als preprint erschienen (und entsprechend noch nicht gereviewed):
How lizards fly: A novel type of wing in animals, J. Maximilian Dehling
bioRxiv preprint first posted online Nov. 9, 2016; doi: https://dx.doi.org/10.1101/086496
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