Tja – eigentlich wollte ich euch mit diesem Post nur kurz frohe Weihnachten wünschen (was ich natürlich auch tue).

Aber dann sah ich heute morgen diese Nachricht hier:

Voraussichtlich keine Volltexte von Zeitschriften des Elsevier-Verlags ab dem 1.1.2017

Was meinen Forschungsalltag – verglichen mit meiner Zeit während der Promotion vor mehr als 20 Jahren – heute wirklich stark vereinfacht, ist der Online-Zugriff auf die meisten wissenschaftlichen Publikationen. Früher füllte man Fernleih-Anträge aus und wartete dann einige Zeit (meist ein oder zwei Wochen), bis das gewünschte paper im Postfach lag; heute kann man Veröffentlichungen direkt im Internet lesen. Anfang des Jahres habe ich einen Übersichtsartikel geschrieben und dabei etwa 100 oder mehr Veröffentlichungen gesichtet, das wäre früher mit extrem viel Arbeit verbunden.

Aber dank der Probleme mit dem Elsevier-Verlag (die ihr im verlinkten Artikel nachlesen könnt), ist es damit ab 2017 wohl erst Mal vorbei.

Wenn man bedenkt, dass Verlage wie Elsevier letztlich nur deshalb funktionieren, weil Wissenschaftlerinnen kostenlos (z.B. als Gutachterinnen) für die Zeitschriften arbeiten (mal ganz davon abgesehen, dass man als Autorin auch nahezu die gesamte Arbeit der Artikelerstellung übernimmt und ein digitales Dokument einreicht, das in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand druckfertig gemacht werden kann), dann ist es schon ziemlich dreist, was die Verlage für ihre Veröffentlichungen verlangen.

Wie sehr mich der Verlust des Zugriffs tatsächlich einschränken wird, bleibt abzuwarten – immerhin kann man ja auch die Autorinnen der jeweiligen paper direkt anschreiben und um eine Kopie der Arbeit bitten; das dauert zwar etwas länger, ist aber vermutlich immer noch schneller und einfacher als eine Fernleihe in Papierform.

Vermutlich wird es irgendwann eine Einigung geben – aber bis dahin ziehe ich für mich erst mal die Konsequenz, Gutachten für Elsevier-Zeitschriften abzulehnen; meine nächsten Veröffentlichungen reiche ich wohl auch lieber woanders ein.

Trotz dieses kleinen Ärgernisses wünsche ich euch allen auf jeden Fall ein Frohes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr.

 

Kommentare (24)

  1. #1 Kai
    24. Dezember 2016

    Die Alternative ist Open-Access. Doch momentan haben wir den worst-case. Die Unis zahlen Unsummen an die Verlage um Zugriff auf die Journals zu erhalten, und zusätzlich noch Unsummen für OpenAccess um eigene Paper dort zu veröffentlichen.

    Und die Verlage lagern nahezu sämtliche Arbeit an die Wissenschaftler aus, die kostenlos für sie arbeiten.

  2. #2 volker
    Waakirchen
    24. Dezember 2016

    Ich bedanke mich für die freundlichen Weihnachtsgrüße, und grüße alle zurück (die von mir gegrüßt werden wollen).
    Wenn mir irgendjemand aus dem blog eine besondere Weihnachtsfreude machen möchte, dann wäre es die Beantwortung folgender Frage: Woher weiß der Mond eigentlich, dass die Erde da ist? Ernsthaft: Was ist das Wirkprinzip der Gravitation? Nun kommt mir nicht mit dem Gummituch-Analogon und dem gekrümmten Raum. Ja, ja, die Massekugel liegt in einer Raumkuhle und rutscht daran runter, wegen der Gravitation. Und das Gras ist grün, weil es grün aussieht. Im Ernst: Welche Kraft schiebt oder zieht massebehaftete Teilchen zusammen? Was ist das Wirkprinzip?? Gleiche Frage zu geladenen Teilchen, die sich je nach Ladung abstoßen oder anziehen. Oder zu magnetisierten Teilchen. Könnte es sein, dass außer mir Dummkopf sogar einige Physiker das nicht (noch nicht) schlüssig erklären können?

  3. #3 Johann
    24. Dezember 2016

    Wie wahr, Elsevier ist wirklich ein Grauen. Wissenschaft sollte frei zugänglich sein. Das Problem ist aber auch, daß OpenAccess sich erst langsam durchsetzt, zuviele alte Köpfe müssen zuvor gewaschen und überzeugt werden.

  4. #4 MartinB
    24. Dezember 2016

    @volker
    Es gibt keine Gravitationskraft (jedenfalls in der herkömmlichen Interpretation der ART) – der Mond bewegt sich im freien Fall auf der geradesten Linie, die in der Raumzeit möglich ist. (Siehe Teil 5 der Raumzeitkrümmungsserie und Teil 3 der neueren serie “Von Einstein zu Newton”).
    Das ist die beste Beschreibung der “Gravitation”, die wir haben.

    Bei den anderen Kräften vermiteln Felder (Austauschteilchen) die Wechselwirkung.

    Ich vermute, du machst den Fehler, von der Physik Erklärungen aben zu wollen – aber die Physik erklärt nicht, sie beschreibt (und das ziemlich gut):
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/31/kann-die-physik-die-welt-erklaren/

    Ebenfalls frohe Weihnachten

  5. #5 MartinB
    24. Dezember 2016

    @Johann/Kai
    Das Problem ist meiner Ansicht nach auch und vor allem, dass der Umstieg auf Open Access für die beteiligten Wissenschaftlerinnen viele Nachteile hat:
    OpenAccess-Zeitschriften sind oft Autorinnenfinanziert, das hat zur Konsequenz
    1. dass arme Institutionen sich das nicht leisten können
    2. dass man schnell in die Nähe zu Bezahljournalen gerät, die alles drucken.

    Und solange bei Einstellungen etc. auf Impact-Faktoren geachtet wird, ist ein Boykott von großen Verlagen gerade für junge Wissenschaftlerinnen karriereschädigend.

  6. #6 Ernie
    24. Dezember 2016

    Frohe Weihnachten Frau Martin, lassen sie sich die Weihnachtszeit nicht durch solche Verlage vermiesen.

    Ich bin mir sicher sie als Wissenschaftlerin, werden bestimmt genug andere Verlage finden, die ihre Arbeit vernünftig veröffentlichen werden.

    Ein gutes Neues Jahr!

  7. #7 MartinB
    25. Dezember 2016

    @Ernie
    Ja, für mich ist das vermutlich kein Problem – außer vielleicht bei Konferenzen, die ihre Proceedings in Elsevier-Journalen veröffentlichen, da muss ich mich dann entscheiden.
    Allerdings bin ich auch a) alt und b) in gesicherter Position, so dass ich mir über meine Karriere nicht viele Gedanken machen muss.

  8. #8 adent
    25. Dezember 2016

    @Johann
    Nicht nur Elsevier ist gruselig, bei Springer gibt es nahezu nichts open access. Wie Martin schon schrieb, es ist eine Frechheit für eine eigene Publikation 2-3.500 Euro zu bezahlen, nahezu die gesamte Arbeit zu machen (ausser ein minimales Lektorat) und dann noch für das Lesen anderer Publikationen ebenfalls bezahlen zu müssen.
    Das ist moderne Sklaverei :-), allerdings sind die gänzlich open access “Zeitschriften” nicht günstiger.

  9. #9 Laie16
    25. Dezember 2016

    MartinB,
    Zuspruch von einem Laien. Bleiben Sie so fleißig wie bisher!

  10. #10 Withold Ch.
    25. Dezember 2016

    Dabei hätte Elsevier so ein schönes Firmenlogo … aber an die Trauben kommt man nicht mehr ran …

    Die Macht dieser Wissenschaftsverlage ist historisch aus der Nähe gebildeter Buchdrucker zu den Gelehrten gewachsen, hat sich über all die Zeit zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell entwickelt und stellt heute ein reines Zweckbündnis dar.

    Und die Diskussion könnte, leicht variiert, mit dem bekannten Satz “It’s the business, stupid” beendet werden.

    Auf der andern Seite nur allzu verständlich, dass sich Gelehrte nicht ohne Not mit Papiermühlen, Bleisatz oder Heidelberger Druckmaschinen beschäftigen mochten.

    Das Ärgernis nun besteht meiner Ansicht nach “ein wenig” auch darin, dass die Universitäten heutzutage zwar fähig sind, die besten Informatiker auszubilden, aber anscheinend es nicht schaffen, sich untereinander zum Zwecke einer digitalen Publikationsplattform mit open access entsprechend erflolgreich zu vernetzen.

    (Apropos Ärger: Aus meiner früheren Zeit als Editor bei einem renommierten Medizinbuchverlag habe ich allerdings auch die andere Seite kennengelernt, ab und zu auch die Unfähigkeiten oder Zumutungen in sprachlicher und terminbezogener Hinsicht vieler Autoren, um es gelinde auszudrücken …

    Meistens aber war es ein gut funktionierendes Dreiecksgeschäft: Wissenschaftler veranstalten Kongress, holen Sponsoren an Bord (aus Pharma- oder technischen Medizinalindustrie) und finden einen Verlag, der die Papers in einem Kongress-Band oder einem Journal veröffentlicht.

    Natürlich kann die Veröffentlichung und Distribution der übrigen wissenschaftlichen Arbeiten nicht immer in dieser Weise elegant quer-finanziert werden. Daher dann eben die Druckkostenbeiträge und für alle übrigen die Preisschranken.)

    Schöne Festtage allerseits!

  11. #11 MartinB
    25. Dezember 2016

    @WithholdCh.
    Meiner Ansicht nach liegt das gar nicht so sehr an der Unfähigkeit, sich zu vernetzen. Dass Wissenschaftlerinnen erfolgreich solche Plattformen bauen können, sieht man ja an sowas wie arXiV.
    Meiner Ansicht nach ist das Haupt-Problem, dass eben für Karrieren Veröffentlichungen in klassischen begutachteten Fachzeitschriften als Kriterium herhalten. Ist vermutlich ähnlich wie mit den VHS-Videos oder Windows: Wenn sich erst mal ein Standard durchgesetzt hat, dann ist es schwer, ihn loszuwerden, egal, ob er gut ist oder nicht.

  12. #12 Withold Ch.
    25. Dezember 2016

    @ MartinB

    Stimmt, an arXiV hatte ich nicht gedacht.

    Auch hier stellt sich letzten Endes wieder die Frage der Finanzierung, nämlich wie bis jetzt durch die Universitäten, dh durch die öffentliche Hand.

    Das herkömmliche Verlagsmodell, privatwirtschaftlich auf Profit ausgerichtet, dürfte aber angesichts der immer wieder drohenden Sparrunden nicht so schnell auszuhebeln sein.

    … dass eben für Karrieren Veröffentlichungen in klassischen begutachteten Fachzeitschriften als Kriterium herhalten.

    … klassischen begutachteten … scheint mir noch vornehm ausgedrückt.

    Geht es trotz säkular nicht auch hier um “höhere Weihen”, oder nüchtern betrachtet, um die menschlichen Probleme von Hierarchie, Einordnung und Belohnung? … – Sicher nicht so schlimm wie die früheren “placet”, “imprimatur” und “index” …

  13. #13 MartinB
    25. Dezember 2016

    @WithholdCh.
    “um die menschlichen Probleme von Hierarchie, Einordnung und Belohnung?”
    Natürlich tut es das, das versuche ich doch zu sagen. Es wird eben auf die Veröffentlichungen in fachzeitschriften geschaut und Elsevier-zeitschriften spielen da dank hoher Verbreitung und Impact-Faktoren eben eine große Rolle; und deswegen sind Wissenschaftlerinnen letztlich gezwungen, diese Zeitschriften zu nutzen und für sie zu reviewen (weil ja auch da Frage “Wo haben Sie schon Reviews geschrieben”? immer wichtig ist).

  14. #14 Withold Ch.
    25. Dezember 2016

    @ MartinB

    Alles klar.
    Dann trotzdem viel Erfolg im “publish-or-perish”-Wissenschaftsbetrieb … :)-

    Zum “Impact-Faktor”, dieser Zahl, welche den “kommerziellen Fallout einer intellektuellen Bombe” bemisst, noch dieser Link

  15. #15 anderer Michael
    26. Dezember 2016

    Nur mal theoretisch gefragt.
    Ich bin Mediziner, schreibe eine bahnbrechende Arbeit mit tiefgreifenden nobelpreisverdächtigen Erkenntnissen. Lasse die von Expertinnen gegenlesen. Dann schreibe ich alle medizinischen Institute der Welt per E-Mail an, weise auf meine Arbeit hin.
    Diese Arbeit habe ich auf meiner Institutsinternetseite veröffentlicht, mit allen relevanten Daten und der Meinung der Expertinnen. Jeder auf der Welt kann sich diese Arbeit für umsonst runterladen.
    Niemand bezahlt irgendetwas, meine “Internetveröffentlichung” ist ebenfalls kostenfrei.
    Wo ist das Problem? Oder sind meine Gedanken naiv und realitätsfern?
    Das Problem , in bekannten Journalen veröffentlichen zu müssen als Wissenschaftlerin, habe ich jetzt mal ignoriert.
    Das würde zunächst wahrscheinlich nur funktionieren,wenn man sowieso schon einen Namen im Wissenschaftsbetrieb hat.

  16. #16 MartinB
    26. Dezember 2016

    @michael
    du bist ja nicht allein auf dernwelt. Selbst wenn es dir für deine karrierenegal ist, hast du doch doktorandinnen etc., für die es extrem wichtig sein kann, diese veröffentlichung in einer fachzeitschrift zu haben.
    Mal davon abgesehen, dass das “ich schicke es an leute und lasse es prüfen” eben kein etabliertes Verfahren ist.
    In unserer aktuellen Welt funktioniert es so nicht.
    obwohl dinge wie arxiv natürlich ein bisschen in diese richtung gehen.

  17. #17 roel
    *******
    27. Dezember 2016

    @MartinB Für Weihnachtsgrüsse bin ich etwas spät dran. Aber einen guten Rutsch ins neue Jahr wünsche ich Dir, Deiner Familie und Deinen Lesern.

    Passend zu Elsevier: Das Magazin nature hat “Ten people who mattered this year” gekürt. Unter diesen “Nature’s 10” ist ALEXANDRA ELBAKYAN die das SCI-HUB gegründet hat. Siehe: https://www.nature.com/news/nature-s-10-1.21157#/elbakyan

  18. #18 Aveneer
    27. Dezember 2016

    In diesem Zusammenhang könnte man noch Alexandra Elbakyan erwähnen, die ja immerhin für die „Nature Publishing Group“ zu den 10 bedeutendsten Wissenschaftler*innen im Jahr 2016 gehört.
    PS: Bist du dir sicher, dass das immer „legal“ ist, wenn man auf eine Anfrage die „Original Publikation“ als PDF zur Verfügung stellt?

  19. #19 Aveneer
    27. Dezember 2016

    Ich hatte es vor “roel” geschrieben – aber meine Verbindung war wohl langsamer. 😉

  20. #20 roel
    c+1
    27. Dezember 2016

    @Aveneer Entschuldigung!

  21. #21 anderer Michael
    27. Dezember 2016

    MartinB und Adent
    Mal eine Frage. Ich hatte nur eine einzige veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit in einer renommierten Fachzeitschrift vor Jahrzehnten, nämlich meine Promotion.War damals ungewöhnlich. Ich bin ehrlich, es lag nicht an der hohen Qualität, sondern es war auch Glück im Spiel und vielleicht der Umstand, dass ich bei einem Physiker promoviert habe, der seine Aufgabe als Betreuer im Gegensatz zu manchen seiner medizinischen Kollegen sehr ernst nahm und als Ziel immer eine Veröffentlichung hatte.
    Damals kostete es nichts. Ich sparte richtig Geld, weil ansonsten hätte ich um die 90 Exemplare der Doktorarbeit auf eigene Kosten drucken lassen müssen.

    Für Farbfotos Kostenzuschuss um 400 Mark, Schwarzweiß um 150 Mark. Meine Frau hatte zwei Veröffentlichungen, die Kosten für Photos zahlte das Institut ( sie promovierte als Medizinerin bei einem Biologen und bekam , das auch noch bezahlt als Studentin).

    Jetzt lese ich, man müsse 2000-3500 Euro für die Veröffentlichung bezahlen.
    Aus eigener Tasche?
    Wenn ja, wie sollen das die Doktorandinnen mit ihren Hilfskraft- und Halbtagsstellen bewerkstelligen? Und wenn jemand Karriere machen möchte, braucht sie doch viele Veröffentlichungen. Irgendwann ist so eine Nachwuchskraft pleite.

    Ich hoffe, ich nerve nicht mit solchen naiven Fragen.

  22. #22 MartinB
    28. Dezember 2016

    @aveneer
    Privat darf man Kopien der eigenen veröffentlichung meines wissens immer teilen, das schließt mailanfragen ein. Früher bekam man ja zu dem zweck 25 oder 50 kopien des papers vom verlag.

    @anderer michael
    Normalerweise bezahlt die jeweilige uni die veröffentlichung, aber dafür muss natürlich auch geld da sein. Für institute z.b. in der 3. Welt eine weitere hürde zur veröffentlichung…

  23. […] Martin weist nochmals auf das Problem hin, dass er und viele andere ab 2017 keinen Zugriff mehr auf Elevier-Publikationen haben. Dieser Verlag ist – wie letztlich alle Wissenschaftsverlage auch – in die Diskussion gekommen, weil sie die kostenlose Arbeit der Autoren und Reviewer nutzen um Milliardengewinnen einzufahren. Und es immer schwerer machen, an die Inhalte zu kommen. […]

  24. #24 David Marjanović
    13. Januar 2017

    allerdings sind die gänzlich open access “Zeitschriften” nicht günstiger.

    Manche schon. PLOS ONE kostet die Hälfte, PeerJ viel weniger.