Zugegeben, so ganz tagesaktuell ist das Thema nicht mehr, und ich hänge fast zwei Monate hinterher. Aber besser spät als nie – heute geht es um eine ziemliche Sensation im Bereich der Dino-Forschung.
Was ist passiert?
Über die Klassifikation von Dinos habe ich ja neulich erst sehr ausführlich geschrieben, hier noch einmal das entscheidende Diagramm, wie man sich bisher die Zuordnung der einzelnen Dinos vorstellte:
Dinosaurier-Kladogramm von Tom Holtz (Danke auch für die Genehmigung, die Bilder hier zu nutzen)
Danach zerfallen die Dinosaurier in zwei große Gruppen, die Saurischier (Echsenbecken-Dinos) und die Ornithischier (Vogelbecken-Dinos). Vögel gehören evolutionär nach dieser Logik zu den Echsenbecken-Dinos, nicht zu den Vogelbecken. Ist ein bisschen verwirrend, liegt aber schlicht daran, dass das Becken, das man zur Namensgebung heranzieht, seine Form in der Evolution mehrfach in ähnlicher Weise geändert hat – bei den Vogelbecken-Dinos und bei den Vögeln zeigen die beiden Hüftknochen Schambein und Sitzbein (Pubis+Ischium) beide nach hinten, bei den Echsenbecken zeigt das Schambein nach vorn. Bei den Ornithischiern ist das vermutlich deshalb passiert, um mehr Platz für größere Verdauungsorgane zu schaffen, die sie als Pflanzenfresser gut gebrauchen konnten, bei den Vögeln hat es möglicherweise was mit der Verlagerung des Schwerpunkts zu tun.
Wie auch immer, jedenfalls ist diese Einteilung in zwei Gruppen historisch sehr alt – eine ganze Zeit lang dachte man sogar, dass die Dinosaurier evolutionär gar nicht zusammengehören und dass die Saurischiern und die Ornithischier evolutionär nur entfernte Verwandte sind; das hat sich erst so in den 70er und 80er Jahren geändert.
Zu den Saurischiern gehören zwei große Gruppen: Die Raubsaurier (Theropoden) und die Sauropodomorpha (Langhals-Dickbauch-Dinos, wie der kleine Drache Kokosnuss sagen würde). Die Ornithischier haben eine ziemlich große Vielfalt an unterschiedlich aussehenden Gruppen entwickelt, die Panzerdinos (mit Stegosauriern und Ankylosauriern), die Vogelfüßler (Iguanodon et al. und die Entenschnabeldinos), sowie die Horndinos und Pachycepahlosaurier (die mit den dicken Knochenschädeln), die man auch als Marginocephalia zusammenfasst (auf deutsch “Rand-Am-Schädel”, weil sie halt irgendwelche Knochenauswüchse am Schädel haben).
Soweit also die bisherige Klassifikation, die seit langer Zeit in den Grundzügen anerkannt ist. Allerdings beruhten die Analysen, die diese Klassifikation bestätigen, meist auf Datensätzen, in denen vor allem weiter entwickelte Dinos verwendet wurden, um die Gruppen einzuteilen. Die neue Studie, die jetzt eine kleine Revolution verursacht hat, hat dagegen sehr viele frühe Dinos in die Analyse mit eingeschlossen und dabei auch darauf geachtet, dass die Auswahl der Merkmale, die man zum Klassifizieren benutzt, nicht schon das Ergebnis vorwegnimmt. In Wissenschaftsprosa liest sich das so:
We attempted, as objectively as possible, to score all taxa for all characters (where applicable), a level of inclusivity that is unmatched by previous studies. For example, we are, to our k nowledge, the first to score basal ornithischian taxa, such as Lesothosaurus diagnosticus and heterodontosaurids, for characters obtained from studies that focused on early theropod or saurischian relationships. In this way, we rigorously tested for anatomical similarities and differences between all of the included basal dinosaur taxa.
Insgesamt wurden 74 Arten mit 457 Merkmalen ausgewertet, das Ergebnis ist dieses Kladogramm (also ein Diagramm der Verwandtschaftsbeziehungen):
Aus Baron et al., s.u.
Schaut nicht so sehr auf die Feinheiten, sondern auf das große Bild: Die Vogelbecken-Dinos und die Theropoden fallen hier gemeinsam in eine Gruppe und sind näher mit einander verwandt als die Sauropodomorpha. Die klassische Gruppe der Saurischia (Sauropodomorpha+Theropoden) gibt es also nicht.
Das bringt die Klassifikation der Dinos natürlich ein wenig durcheinander, und man muss sich jetzt überlegen, welche Namen man den einzelnen Gruppen geben will. Die Autorinnen der Studie haben sich dafür entscheiden, den Namen “Saurischia” beizubehalten, aber jetzt alles darunter zu packen, was im Diagramm oben bei C einzuordnen ist, die Theropoden sind also explizit ausgeschlossen. Ob das glücklich ist, weiß ich nicht, das wird sicher noch ne Weile diskutiert werden. Für die neue Gruppe Raubsaurier+Ornithischia wird der Name “Ornithoscelida” wiederbelebt, ein Name, der schon 1870 von Huxley eingeführt wurde.
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