Im Raum
Es war einmal ein kleines Krabbeltier mit dem Namen Anna Meise. Anna lebte auf einer großen Ebene. Diese trug den schönen Namen “Region für Ameisen und Mehr”, kurz RAUM. Im Raum konnte Anna krabbeln, wohin sie wollte. Um nicht die Orientierung zu verlieren, wenn sie herumkrabbelte, um ihre Freundinnen zu besuchen, malte sie ein großes Gitter auf die Ebene. Die Linien dieses Gitters waren senkrecht zueinander, die Abstände der Linien maß Anna sorgfältig mit einem Maßband aus, damit sie alle gleich lang waren. So konnte Anna vier Richtungen definieren: Norden, Süden, Osten und Westen.
Wenn Sie wissen wollte, wie weit es zur Wohnung ihrer Freundin Berta Meise war (die östlich von ihr wohnte), brauchte sie nur abzuzählen, wie viele Linien des Gitters sie zurücklegte:
Genauso funktionierte es, wenn sie in Richtung Norden oder Süden unterwegs war, auch dort konnte sie Gitterlinien zählen. Um von einer Gitterlinie zur nächsten zu kommen, brauchte Anna immer die gleiche Zeit, weil sie mit konstanter Geschwindigkeit krabbelte – so wusste sie, dass die Gitterlinien in Richtung Nord-Süd genau denselben Abstand hatten wie die in Ost-West-Richtung.
Eines Tages lernte Anna Clara Meise kennen. Clara wohnte nordöstlich von ihr, drei Gittereinheiten nach Osten, vier nach Norden. Wenn Anna Clara auf dem kürzesten Weg besuchen wollte, ging sie natürlich nicht erst nach Osten, dann nach Norden (7 Gittereinheiten), sondern direkt nach Nordosten (etwas mehr nach Osten als nach Norden). Anna fragte sich aber, wie weit es denn nun bis zu Clara war – es war sicher kürzer als die 7 Gittereinheiten, aber sie wusste nicht, wie sie das ausrechnen sollte.
Da traf sie die weise Pythagomeise. Die erklärte ihr: “es ist ganz einfach, das herauszufinden. Erst malst du ein Quadrat für die Ost-West-Richtung, dann eins für die Nord-Süd-Richtung. Dann malst du ein Quadrat, das eine Fläche hat, die gleich der Summe aus diesen beiden Quadraten ist, dessen Kantenlänge ist gleich der Entfernung, die du gehen musst.”
So fand Anna heraus, dass der direkte Weg zu Clara genau 5 Gittereinheiten lang war.
Anna und Clara wurden schließlich ziemlich beste Freundinnen. Clara fand es aber doof, dass sie auf dem Weg zu Anna immer so viele Linien des Gitters überkreuzen musste. Deshalb malte sie sich ein eigenes Gitter, in dem der Weg von ihr zu Anna genau entlang einer der Gitterrichtungen verlief. Damit sie alle Wege und Entfernungen so messen konnte, wie es die Pythagomeise erklärt hatte, musste sie auch die andere Richtung passend verdrehen. So sah das Ergebnis aus:
Anna und Clara gingen häufig im RAUM spazieren. Oft gingen sie zunächst in eine Richtung, dann in eine andere, um schließlich wieder nach Hause zurückzukehren:
Bei diesen Spaziergängen fanden sie folgendes heraus: Wenn sie von einem Punkt auf ihrem Gitter zu einem anderen wollten, dann war der direkte Weg immer der kürzeste. Sie konnten für jeden direkten Weg immer ein passend gedrehtes Gitter malen, bei dem die Strecke, die sie gehen mussten, genau entlang einer Gitterlinie lag. Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten war also eine Gerade.
Eines Tages fragte sich Anna: “Wo lande ich denn wohl, wenn ich in alle möglichen Richtungen genau eine Gittereinheiten krabble?” Anna probierte es aus und malte alle diese Punkte auf:
Heraus kam ein gebogener Strich.
“Hübsch”, dachte Anna, “das ist also ein KRabbel-Einheits-Intervall-Strich. Am besten nenne ich das kurz einen ‘Kreis’.”
Kommentare (625)