Dass die theoretische (Elementarteilchen-)Physik im Moment ein bisschen feststeckt, ist vermutlich unbestritten: Das sogenannte Standard-Modell der Elementarteilchen, das die elektromagnetische Wechselwirkung und die schwache und die starke Kernkraft beschreibt, stammt aus den 60er und 70er Jahren. Es wurde wiederholt eindrucksvoll bestätigt, beispielsweise durch die Entdeckung des sogenannten Z-Teilchens oder vor ein paar Jahren durch die Entdeckung des letzten noch fehlenden Bausteins, des Higgs-Teilchens. (Über das Higgs habe ich ziemlich viel geschrieben, am besten nutzt ihr die Suchfunktion.)

Das Standard-Modell hat zugegebenermaßen ein paar Löcher (beispielsweise fehlt eine Erklärung dafür, dass Neutrinos eine Masse haben, was man seit den 90er Jahren weiß), im wesentlichen ist es aber eine gute Beschreibung dessen, was im Reich der Elementarteilchen passiert. Die meisten Physikerinnen (ja, weibliche Form, heult, wenn ihr müsst, in den Kommentaren) sind der Ansicht, das Modell ist zu gut, denn es es ziemlich komplex und hat jede Menge freie Parameter: Zahlen, die man in das Modell einfach hineinstecken muss und für die man innerhalb des Modells keine Erklärung hat. Was ebenfalls viele stört, ist das sogenannte “fine-tuning”-Problem (Auch Hierarchieproblem genannt): Eigentlich sollte man (Details spare ich mir hier) erwarten, dass die Masse des Higgs-Teilchens sehr groß ist, viel größer als der gemessene Wert. Um doch den gemessenen Wert in der Theorie zu bekommen, muss man annehmen, dass Quanteneffekte den Wert auf subtile Weise ausbalancieren. Es ist ungefähr so, als ob ihr gleichzeitig von eurer Erbtante ein Vermögen von 1234567890 Euro erbt und durch eine Verkettung unglücklicher Umstände Schulden in Höhe von 1234567891 Euro macht, so dass ihr am Ende nur einen Euro Schulden übrig behaltet. Das wäre schon ein unglaublicher Zufall.

Die meisten Physikerinnen gehen deshalb davon aus, dass dieses “fine-tuning” durch eine fundamentalere Theorie erklärt wird. Das Problem ist nur, dass wir (abgesehen von Dingen wie den Neutrino-Massen) wenige Phänomene haben, die diese fundamentale Theorie erklären müsste und die nicht schon durch das Standard-Modell erklärt werden.

Auf der Suche nach einer solchen Theorie lassen sich viele Physikerinnen deshalb von ihrer Intuition leiten – insbesondere davon, dass sie erwarten, eine solche Theorie müsse “elegant” oder “schön” sein. Das hat in der Vergangenheit manchmal geklappt – manchmal aber auch nicht. Und genau bei diesem Problem setzt das Buch “Lost in Math” von Sabine Hossenfelder an, die manche vielleicht von ihrem hervorragenden Blog “backreaction” kennen.

Sabine “Bee” Hossenfelder ist theoretische Physikerin und beschäftigt sich vor allem mit dem Problem, die Quantenmechanik und die Gravitation (also die Allgemeine Relativitätstheorie) zu vereinen. Dieses Problem treibt die theoretische Physik ja ebenfalls um (und viele nehmen an, dass eine fundamentalere Theorie des Standardmodells auch die Gravitation mit einschließt, beispielsweise in der Stringtheorie). Und auch bei diesem Problem gibt es ähnliche Schwierigkeiten: Wir haben sehr wenige experimentelle Phänomene, die uns eine Idee geben, wie eine Theorie der Quantengravitation aussehen sollte. (Bee – ich hoffe, den Spitznamen hier zu verwenden, ist o.k. – beschäftigt sich in ihrer Forschung genau mit diesem Problem der Phänomenologie der Quantengravitation.) Entsprechend lassen sich auch hier viele von Prinzipien wie “Eleganz”, “Schönheit” oder dem vermeiden von “fine-tuning” leiten.

Allerdings haben diese Ansätze in den letzten 30-40 Jahren nicht wirklich weitergeführt. (Fans der String-Theorie lesen bitte das entsprechende Kapitel im Buch mit den beiden scheinbar alternativen Geschichten der String-Theorie…) Theorien, von denen man annahm, dass sie wegen ihrer Eleganz nahezu zwangsläufig richtig sein müssen (wie etwa die sogenannte Supersymmetrie) , wurden durch die Experimente am LHC nicht bestätigt und brauchen immer mehr Hilfsannahmen, um noch als richtig gelten zu können.

Vielleicht, so die Idee von Sabine Hossenfelder, liegt das daran, dass die Suche nach einer eleganten Theorie und alle in die Irre führt. “Eleganz” ist letztlich ein subjektives Kriterium, das sich auf das Empfinden von irgendwelchen Primaten auf einem Planeten irgendwo im Seitenarm einer Galaxis beruht und das sicherlich auch kulturell beeinflusst ist (Kopernikus wollte unbedingt Kreise in seinem Modell, weil die bei den Griechen als elegant galten). Bee deklariert aber nicht einfach “Eleganz” zum Übel und lässt es damit bewenden. Sie fragt vielmehr, was wir eigentlich darunter verstehen. Und um das herauszufinden, reist sie durch die Weltgeschichte und interviewt die Koryphäen der Physik, Leute wie Steven Weinberg oder Frank Wilczek, die einen Nobelpreis für ihre Beiträge zum Standard-Modell bekommen haben. Sie redet mit ihnen über Schönheit und Eleganz in der Physik und versucht, herauszuarbeiten, was genau man darunter eigentlich versteht. (Die Interviews wurden auf Englisch geführt, weswegen ich auch empfehlen würde, das Buch auf Englisch zu lesen, auch wenn es eine deutsche Version gibt. (Die habe ich mir nicht angeschaut, die Übersetzung mag super sein, aber Übersetzungen sind halt immer nur Übersetzungen.))

In den Interviews und ihren Überlegungen dazu beleuchtet Bee die verschiedenen Aspekte der Eleganz, macht sich intensive Gedanken über die Frage, warum wir fine-tuning als problematisch ansehen (wenn wir nur ein Universum haben und die Theorie eine Zahl braucht, warum soll diese Zahl nicht genausogut 0,0000000001 sein statt beispielsweise 3?) und wo überall in der modernen Physik Argumente von “Eleganz” und “Schönheit” verwendet werden – oft auch wenig hinterfragt.

Wie man – wenn man den Blog kennt – nicht anders erwartet hätte, sind die Argumente sorgfältig durchdacht und werden gut argumentiert vorgetragen. Hinzu kommt, dass Bee während all ihrer Überlegungen immer wieder dafür offen ist, dass das Problem gar nicht in der modernen Physik steckt, sondern dass schlicht ihr eigenes mangelndes Verständnis das Problem ist. Die Beschreibungen der Interviews und ihrer Gedanken dabei sind witzig und selbst-ironisch (Das Motto für Kapitel 10 lautet “In which I conclude that the world would be a better place if everyone listened to me”…), aber auch der Rest der Physik-Community wird scharfzüngig aufs Korn genommen, beispielsweise in Kapitel 9, wo erklärt wird, wie man neue Teilchen erfinden kann, die auf keinen Fall detektiert werden können.

Wenn wir keine Ahnung haben, wie eine fundamentalere Theorie aussehen soll, dann ist es natürlich schwierig, eine solche Theorie zu entwickeln. Aber einfach anzunehmen, dass eine solche Theorie “elegant” oder “einfach” sein muss, ist ein bisschen so, als würde man den verlorenen Schlüssel unter der Laterne suchen, weil da mehr Licht ist. Vor langer Zeit habe ich mal mit Achi Brandt darüber diskutiert. Achi meinte (und darauf hatte ich keine wirkluch gute Erwiderung): “Was wäre, wenn eure Elementarteilchen in Wahrheit so etwas wie Wirbel in einer turbulenten Flüssigkeit sind? Dann wären die fundamentalen Gleichungen kompliziert wie die Navier-Stokes-Gleichungen. Wäre es dann wirklich möglich, aus den Phänomenen auf die grundlegenden Gleichungen zurückzuschließen?” Bedenkt man, dass wir immer noch keine vollständige Theorie des turbulenten Fließens haben, hat diese überlegung durchaus ihren Wert: Könnte die grundlegende Theorie ganz anders aussehen, als wir denken und haben wir eine Chance so etwas herauszufinden? (Eine ähnliche Überlegung wurde gerade in diesem Kommentar angesprochen.)

Neben den Überlegungen zu Dingen wie Schönheit enthält das Buch auch Gedanken zur Soziologie innerhalb der Wissenschaft: Inwieweit trägt die Tatsache, dass Physikerinnen auch Menschen sind, die Karriere machen und sich mit ihren Kolleginnen gut verstehen wollen und die der menschlichen Neigung zu Fehlschlüssen unterliegen, dazu bei, dass ungewöhnliche neue Ideen möglicherweise ignoriert und Ideen, die eher mainstram sind, gefördert werden? (Im Anhang gibt es sogar eine sehr beachtenswerte Liste von Maßnahmen, was jede einzelne tun kann, um diese Probleme lösen zu helfen.)

Alles in allem ist das Buch also randvoll mit cleveren Ideen, interessanten Interviews und einem Haufen an Informationen über die moderne Physik. (Auch wenn ich hier eine kleine Kritik anbringen muss: gerade in den ersten Kapiteln werden gelegentlich Konzepte verwendet, die erst später erklärt werden; wer also gar keine Ahnung von der modernen Physik hat, mag hier stellenweise ein wenig verwirrt bleiben oder muss Abschnitte möglicherweise später nochmal lesen.) Man bekommt einen sehr guten Überblick, welche Probleme im Moment in der theoretischen Physik ungelöst sind und welche Ansätze es gibt.

Mich persönlich spricht das Buch noch aus einem anderen Grund an: Ich habe ja selbst Mitte der 90er in der theoretischen Elementarteilchen-Physik promoviert und dabei in vieler Hinsicht ähnliche Dinge erlebt und mir auch Gedanken darüber gemacht, dass die Versuche, eine Theorie jenseits des Standard-Modells zu finden, ziemlich willkürlich waren. Damals war es das berühmte 17-keV-Neutrino, für das es eine Fülle an theoretischen Erklärungen gab und das sich später als Messfehler herausstellte. Eine ähnliche Geschichte wird in “Lost in Math” erzählt: Am LHC wurde vor einigen Jahren eine relativ starke Evidenz dafür gefunden, dass da etwas nicht zum Standard-Modell passte (der sogenannte “diphoton bump”). Einen Tag nach der Präsentation der Daten gab es bereits 10 Veröffentlichungen, die das Phänomen erklären sollten. (Das sich später als statistische Schwankung herausstellte.) Ich habe mich damals gefragt, ob eine Disziplin, die zum einen wenig neue experimentelle Daten hat und die zum anderen einzelne Datenpunkte – egal wie beliebig – erklären kann, wirklich noch zu 100% wissenschaftlich ist. Müsste es bei Dingen wie dem 17keV-Neutrino nicht auch Veröffentlichungen geben, die sagen “Das 17keV-Neutrino ist mit Theorie X nicht vereinbar”? Solche habe ich damals jedenfalls nicht gesehen, soweit ich mich entsinne.  Dass ich dann von der E-Teilchen-Physik zur Materialwissenschaft gewechselt habe, lag auch an solchen Überlegungen.

Auf jeden Fall ist “Lost in Math” absolut lesenswert und für alle mit Interesse an der modernen Physik ein klares “Muss” auf der Leseliste.

Kommentare (33)

  1. #1 Markweger
    5. August 2018

    Begriffe wie Schönheit und Eleganz sind sind in der Wissenschaft einfach sinnfrei.
    Die beiden Begriffe sind eigentlich nur zum Zwecke der Beweihräucherung der Relativitätstheorie in Mode gekommen.

  2. #2 MartinB
    5. August 2018

    @Markweger
    Danke für diesen … Wortbeitrag. Immer wieder schön zu sehen, wie manche Menschen auch komplexe Fragestellungen in ihre einfache Weltsicht pressen können und sich dabei noch schlau vorkommen.

  3. #3 Daniel
    Potsdam
    5. August 2018

    Zum Thema Schönheit/Eleganz möchte ich gerne auf Jürgen Schmidhuber verweisen.
    https://people.idsia.ch/~juergen/beauty.html
    Er ist KI-Forscher von dem es auch sehr Interessante Vorträge zum Thema KI auf Youtube gibt.
    Zitat von seiner Website: Schmidhuber’s Beauty Postulate (1994-2006): “Among several patterns classified as “comparable” by some subjective observer, the subjectively most beautiful is the one with the simplest (shortest) description, given the observer’s particular method for encoding and memorizing it.”
    In diesem Sinne sollte eine schöne, vereinheitlichte Theorie ebene jene sein, die in kürzest möglicher Weise alle physikalischen Phänomene beinhaltet. (siehe auch Ockhams Rasiermesser)

  4. #4 Michael
    5. August 2018

    #2

    Nicht die Trollin füttern.

  5. #5 MartinB
    5. August 2018

    @Daniel
    Die Einfachheit wird natürlich auch im Buch stark thematisiert – es gibt aber noch weitere Aspekte, die man berücksichtigen muss. Und was “einfach” ist, ist auch nicht immer ganz einfach zu sagen – die Dirac-Gleichung sieht einfach aus,
    https://ichef.bbci.co.uk/wwfeatures/wm/live/1280_720/images/live/p0/3f/y2/p03fy2zq.jpg
    aber wenn man dann sieht, dass hinter dem d-slash in Wahrheit ein kompliziertes vektorprodukt aus nem Haufen Matritzen und so weiter steckt und dass das psi ein vierkomponentiger Spinor ist, dann ist das alles gar nicht mehr soo einfach…

    Und die Frage ist ja eben die, warum wir annehmen sollen, dass die Naturgesetze fundamental in diesem Sinne “einfach” sind. Was spricht dagegen, dass das fundamentalste Naturgesetz eine Sammlung von 48 partiellen Differentialgleichungen oder so ist? Warum soll die Natur kümmern, was für unsere Gehirne gut zu merken oder encodieren ist? Einfachheit zu definieren, ist schwer genug, aber von da aus den Schluss zu ziehen, dass die Natur in diesem Sinne einfach sein muss, ist letztlich nur Glaube, für den es kein wirklich gutes Argument gibt.

    @Michael
    Ich mag den Satz nicht. Trollen muss man entgegentreten.

  6. #6 tomW
    5. August 2018

    “wenn wir nur ein Universum haben und die Theorie eine Zahl braucht, warum soll diese Zahl nicht genausogut 0,0000000001 sein statt beispielsweise 3”

    Ach Martin, jetzt hast Du doch wirklich die Möglichkeit, die magische Zahl 42 zu verwenden, verschwendet!
    Tsss.
    😉

    P.S. Du bist ein wirklich guter Wissenschaftskommunikator. Ich lese Dein Blog immer wieder mit Freude und Interesse (auch wenn mir oft das mathematische Rüstzeug fehlt, um alles verstehen zu können. Bitte mach weiter so!

  7. #7 Spritkopf
    5. August 2018

    Das Buch habe ich schon seit Florians Rezension auf meiner Liste. Ich glaube, ich werde aber doch warten, bis im Herbst die deutsche Version herauskommt.

  8. #8 Laie
    6. August 2018

    Danke, sehr informativ. Ich hoffe, dass eine zu intensive Beschäftigung mit dem, was andere unter “Schönheit” (einer Theorie) verstehen, nicht eine ungewollte nachteilige duale Pro- oder Kontraprägung darauf verursacht.

    Ich denke, dass auch die Einstellung wie in:

    Ich habe mich damals gefragt, ob eine Disziplin, die zum einen wenig neue experimentelle Daten hat und die zum anderen einzelne Datenpunkte – egal wie beliebig – erklären kann, wirklich noch zu 100% wissenschaftlich ist.

    wichtig und richtig ist in der Wissenschaft. Die Bereitschaft das Bisherige durch neue Erkenntnisse oder aufgetretene Widersprüche in Frage zu stellen.

  9. #9 Laie
    6. August 2018

    Danke, sehr informativ. Ich hoffe, dass eine zu intensive Beschäftigung mit dem, was andere unter “Schönheit” (einer Theorie) verstehen, nicht eine ungewollte nachteilige duale Pro- oder Kontraprägung darauf verursacht.

    Ich denke, dass auch die Einstellung wie in:

    Ich habe mich damals gefragt, ob eine Disziplin, die zum einen wenig neue experimentelle Daten hat und die zum anderen einzelne Datenpunkte – egal wie beliebig – erklären kann, wirklich noch zu 100% wissenschaftlich ist.

    wichtig und richtig ist in der Wissenschaft. Die Bereitschaft das Bisherige durch neue Erkenntnisse oder aufgetretene Widersprüche in Frage zu stellen.

  10. #10 Renaud
    6. August 2018

    Mathematik hat etwas Sinnliches. Beim Goldenen Schnitt wird die Verwandschaft von Schönheit und mathematischer Logik besonders klar. Man denke an die fünf platonischen Körper. Man denke an die Eulersche Relation.

  11. #11 MartinB
    6. August 2018

    @tomW
    Stimmt, hätte ich gut machen können. Und danke für’s Lob.

    @Laie
    Ja, wer weiß, vielleicht hätte ich mit einer kritischen Einstellung auch etwas werden können in der E-Teilchen-Physik. Es gab damals aber sehr viele,die sich dann fürandere Themen zu interessieren begannen, und wenn man sich anguckt, welche Schwierigkeiten jemand wie Sabine Hossenfelder hat, eine sinnvolle Stelle in der Physik zu bekommen,habe ich es mit dem Wechsel zur Materialwissenschaft wohl doch ganz gut getroffen.

    @Renaud
    Dem stimme ich zu. Aber wir können trotzdem nicht erwarten, dass die Gesetze der Physik deswegen besonders schön sein müssen – die Sphärenmusik der Planeten mit den platonischen Körpern hat am Ende auch nicht gestimmt, obwohl sie schön war.

  12. #12 regow
    6. August 2018

    Kleines i ist vollkomen ok!

  13. #13 Renaud
    6. August 2018

    MartinB
    Bei schön dachte ich auch mehr an ihre Form.
    Nehmen wir mal die Keplerschen Gesetze. Die haben sich schnell verbreitet, weil sie einfach und damit schön sind.
    Nehmen wir das Paradebeispiel die Maxwellschen Gesetze. Das ist doch schon Poesie.
    Und wenn es Ihnen jetzt noch gelingt eine einprägsame Formel für die Verschränkung zu finden, dann leistet die Mathematik mehr als unsere Sprache.

  14. #14 Kai
    6. August 2018

    @Daniel: Tatsächlich macht KI in der Praxis genau das Gegenteil (auch weil das Finden einer einfachen Funktion extrem schwierig bzw. oft rechnerisch nicht möglich ist). Man sucht nicht nach der einfachsten Erklärung, sondern nach der robustesten. Ein Beispiel: Wenn ich 100 Formeln habe um ein Phänomen zu erklären, welche ist die richtige? Oakhams Rasiermesser würde sagen, die einfachste der 100 Formeln ist auch die richtige. Was man in der KI stattdessen macht: Man nimmt einfach alle 100 Formeln und mittelt über sie – das gibt in der Praxis oft die besten Ergebnisse.

  15. #15 MartinB
    6. August 2018

    @Renaud
    Aber gerade die Kepler-Gesetze haben das Problem, von Ellipsen zu reden, und genau die galten lange Zeit als alles andere als schön. Schönheit ist eben immer auch eine Frage der Kultur.

  16. #16 Renaud
    6. August 2018

    MartinB
    Kepler war nur seiner Zeit voraus. Sei Trendsetter !

    Teile des Kommentars wurden gelöscht, da gewisse Namen auf diesem Blog unerwünscht sind…

    MartinB

  17. #17 Bodo Eggert
    6. August 2018

    Schönheit kann auch daraus entstehen, daß man – gegebenenfalls nach einem Studium – in der Lage ist, in der Formel das wiederzuerkennen, was beschrieben wird.

    Ein Grundschüler kann mit komplexen Zahlen Nichts anfangen – ein Mathematiker liebt sie.

  18. #18 Nomo
    6. August 2018

    Im Mathlog bei den Fieldsmedaillen wird die Entdeckung des Higgs-Bosons erklärt.

  19. #19 Сhemіkеr
    7. August 2018

    Ich habe das Buch zufälligerweise erst gestern fertig­gelesen. Ich fand es sehr anregend. Die zentrale Aus­sage, daß der Sinn für Schön­heit auch viel Erlerntes und Kultur­spezifi­sches beinhaltet und des­halb kein gutes Prinzip bei der Suche nach Natur­gesetzen sein kann, kommt mir gut begründet vor.

    Die Scharfzüngigkeit der Autorin macht das Buch unterhalt­sam, auch ohne daß es deshalb zum polemi­schen Pamphlet wird. Wer dagegen sub­stanz­lose Polemik will, der kann die „Rezension“ des Buchs am Blog von Luboš Motl nachlesen (der es gar nicht gelesen hatte, sondern sich befugt sah, es anhand von Titel und Gerüchten über den Inhalt zu ver­reißen).

  20. #20 MartinB
    7. August 2018

    @Chemiker
    Ich kannte den Blog bisher nicht – ein kurzer Blick sagt mir, dass ich ihn nie wieder ansehen werde. Arroganz, Selbstbeweihräucherung und Chauvinismus machen keine sooo tolle Mischung. (Und wer das Buch gelesen hat, weiß, dass die Behauptung, Hossenfelder würde sich für schlauer als die interviewten Koryphäen halten, absurd ist.) Ich lese lieber mehr backreaction…

  21. #21 Сhemіkеr
    7. August 2018

    Motl hat früher mehr über Physik geschrieben und String­theorie zwar polemisch aber rational gegen diverse Angriffe verteidigt, aber inzwischen ist er IMHO nur mehr einen Lacher wert.

  22. #22 MartinB
    7. August 2018

    Naja, für Stringtheoretikerinnen und andere SuSy-Verfechterinnen wird die Luft langsam etwas dünner…

  23. #23 MartinB
    7. August 2018

    PS: Lustig auch, dass Motl irgendwo behauptet, Bee würde nur deshalb gegen die Physik wettern, weil ihre Forschung so belanglos ist. Er hat nen h-Index von 18, sie von 27…

  24. #24 Nomo
    7. August 2018
  25. #25 MartinB
    8. August 2018

    @Nomo
    Keine AHnung, was du mir sagen willst.
    1. Die RT ist eine physikalische Theorie, die kann man nicht “beweisen”.
    2. Der Link führt zu einem Kommentar von Frank Wappler – die sind immer zum einen in mathe-verschwurbelter, unnötig komplizierter Sprache verfasst und zum anderen physikalisch oft sehr fragwürdig, weswegen ich sie nicht mehr lese.

  26. #26 Bjoern
    8. August 2018

    @Nomo: “Im Mathlog bei den Fieldsmedaillen wird die Entdeckung des Higgs-Bosons erklärt.”

    Im Mathlog gibt es drei Beiträge zu den Fieldsmedaillien (diesens Jahres). In keinem davon wird die Entdeckung des Higgs-Bosons erklärt. Nur in den Kommentaren des ersten dieser Beiträge findet sich ein offensichtlich ziemlich verwirrter Mann, der die Entdeckung des Higgs-Bosons leugnet. (Und wo er schon so schön dabei ist, auch gleich noch die Entdeckung des charme-Quarks und diverses anderes.)

  27. #27 Aveneer
    29. August 2018

    Zur „Symmetriekritik“ und “Schönheit”. Ich hoffe das passt dazu.
    Ist es nicht so, dass in der QM gerade die Symmetrie eher „unnatürlich“ ist, da diese bei niedrigen Energien gebrochen ist.
    Symmetrie in der QM Energie benötigt/voraussetzt. Die Natur somit eher zur Asymmetrie neigt?
    Also wenn ich mich nicht irre. Und wenn ich mich nicht Irre, dann wäre es doch eher ein Verdienst der QM die Asymmetrie ins Spiel gebracht zu haben. Die ART hat es zumindest nicht.

    Gruß
    Aveneer

  28. #28 MartinB
    29. August 2018

    @Aveneer
    So pauschal würde ich das nicht sehen – es ist ja nicht so, als würden alle Symmetrien immer gebrochen werden.

  29. #29 MartinB
    29. August 2018

    PS: Und der Trick ist ja auch eher, dass man sagt, dass die Natur “eigentlich” symmetrisch ist und diese Symmetrie nur gebrochen wird; man nutzt also schon die Symmetrie als fundamentales Prinzip.

  30. #30 Aveneer
    30. August 2018

    @Matrin
    Diese „übliche“ Sichtweise/Beschreibung der QM kenne ich. In diesem Sinne mag dieser (abermals eher spontane) „inverse“ Gedanke, dass das Universum von einem symmetrischen Zustand (Plancktemperatur) in einen asymmetrischen Zustand (0 K) übergeht eine völlig abwegige Sichtweise sein. Ich leg mich da nicht fest.

  31. #31 MartinB
    30. August 2018

    @Aveneer
    Kann nicht folgen. Dass das Universum beim Abkühlen in einen zustand mit einer gebrochenen Symmetrie überging, ist ja zumindest für die elektroschwache Kraft praktisch sicher.

  32. #32 Avenner
    31. August 2018

    @Martin:
    “Zitat: Dass das Universum beim Abkühlen in einen zustand mit einer gebrochenen Symmetrie überging, ist ja zumindest für die elektroschwache Kraft praktisch sicher.”
    Ich denke ich habe nichts anders geschrieben?

    Ich meinte ja, um z.B. diesen Symmetriebruch „aufzuheben“ benötigt es riesige Mengen Energie. Und wenn ich Energie in etwas stecken muss, erscheint es mir „unnatürlicher“ zu sein.

    Ich wollte darauf hinaus, dass Symmetrie in der QM immer mit Energie verknüpft ist. Je mehr Energie desto symmetrischer erscheinen (mir) die Gesetze der Natur. Daraus folgt für mich, dass der „asymmetrische“ Zustand der energieärmste = natürlichere „wäre“.

    Du hast geschrieben: Und der Trick ist ja auch eher, dass man sagt, dass die Natur “eigentlich” symmetrisch ist.

    Ich meinte: Dass die Natur symmetrisch war und der „jetzige“ asymmetrische Zustand der energetisch günstigere, stabilere und somit „natürlichere“ ist.

    Es ging mir ja um die Aussage „Symmetrie und Schönheit“ in der QM.

    Der „schönste“ („natürlichste“) Zustand in der QM wäre ein „maximal“ asymmetrischer Zustand. 🙂

    Jörg Resag schreibt z.B. Die Symmetrie der physikalischen Gesetze wird durch den Raum indem sie wirken verletzt. Die Gleichungen sind Symmetrisch der Raum ist es nicht.

    Du meintest jedoch dass nicht alle Symmetrien gebrochen sind.
    Doch schon ohne „Symmetriebruch des Raumes“ würde es uns nicht geben.

    Ich deute es mal so, dass Raum das erste war, das infolge eines Symmetriebruchs entstand und weitere Symmetriebrüche darin folgten. Mir ist jedoch nicht ganz klar, ob die Energie des Urknalls infolge dieses Symmetriebruchs entstand (da Asymmetrie energetisch günstiger „natürlicher“ ist) oder es tatsächlich einer Abkühlung bedarf, damit „Raum entstehen“ konnte.

  33. #33 MartinB
    31. August 2018

    @Aveneer
    “Je mehr Energie desto symmetrischer erscheinen (mir) die Gesetze der Natur. Daraus folgt für mich, dass der „asymmetrische“ Zustand der energieärmste = natürlichere „wäre“. ”
    Nee, das ist ganz oft nicht so. In einem Kristall zum Beispiel ist die symmetrische Anordnung energetisch günstiger als das Chaos einer Flüssigkeit. Das gilt sehr oft so, dass der symmetrische, geordnete Zustand günstiger ist als der ungeordnete – auch ein gespanntes Gummituch ist im Energieminimum flach und damit symmetrisch.
    Es ist ja gerade das Besondere an den gebrochenen Symmetrien, dass die anders sind als man es von vielen ünlichen Systemen erwartet (mathematisch muss man dazu eine Funktion haben, die im Symmetrischen Zustand ein lokales Maximum aufweist und das ist nicht der Normalfall).

    “Die Gleichungen sind Symmetrisch der Raum ist es nicht.”
    Kann ich nicht verstehen – der Raum ist ja translationsinvariant. Bist du sicher, dass du das richtig verstanden hast?