Ich geb’s zu: Der Titel hatte mich sofort erwischt. Ein Buch mit so einem Titel kann doch eigentlich gar nicht schlecht sein, oder?
Mackenzi Lees Buch ist allerdings schon eine Fortsetzung – sie ist zwar in sich halbwegs abgeschlossen, aber viele der Charaktere tauchen bereits im vorigen Buch auf, das den Titel “The Gentlemen’s Guide to Virtue and Vice” trägt. Beide Bücher spielen Anfang des 18. Jahrhunderts in Europa. Sie erzählen die Geschichte der Geschwister Montague. Der älteste Sohn Monty ist die Hauptperson des ersten Bands und ist wohl am besten als “rascal” zu beschreiben. Er ist genau der Sohn eines Adligen, der in klassischen englischen Romanen als Schreckgespenst auftaucht (wie etwa Louis Scatcherd in Trollopes “Dr. Thorne”) – trinkfreudig bis hin zum Alkoholismus, mit ständigen Affären und keinem Sinn für die Geschäfte eines englischen Lords. Im Laufe des Buches wird allerdings schnell klar, dass sein verhalten durchaus Gründe hat – Monty ist homosexuell, in seinen (zu allem Unglück auch noch dunkelhäutigen) Freund Percy verliebt und wird von seinem Vater massiv schikaniert. (Trotzdem dauerte es bis zum Ende des Buchs, das er mir halbwegs sympatisch wurde.) Im “Gentlemen’s Guide” geht es um seine turbulente und chaotische Reise durch Europa (gemeinsam mit Percy und Felicity), um alchemistische Schätze, Piraten, eine versinkende Insel und vieles mehr.
Der “Lady’s Guide” ist dann Felicitys Geschichte: Sie will Ärztin werden, verschlingt alles an medizinischer Literatur, was ihr in die Finger kommt (das leistet ihr schon im ersten Band gute Dienste) und würde gern an einer Universität studieren – im England des 18. Jahrhunderts für eine Frau natürlich undenkbar. Sie bekommt die Chance, ihr medizinisches Idol aufzusuchen und hofft, dass sie sich ihm auf einer Expedition anschließen kann. Dazu muss sie erstmal in ein deutsches Städtchen namens “Stuttgart” reisen, wo sie (begleitet von der etwas geheimnisvollen Sim) ihre alte Jugendfreundin Johanna wiedertrifft, die mit Platt verlobt ist. Und dort überschlagen sich die Ereignisse, Johanna brennt in der Nacht vor der Hochzeit plötzlich nach Zürich durch während Sim irgendwelche dunklen Pläne verfolgt. Viel dunkler sind allerdings die Pläne einer ganz anderen Person, aber ich will euch ja nicht spoilern. Auch in diesem Buch entspinnt sich eine wilde Hetzjagd durch die Welt, die schließlich irgendwo auf einer Insel im Atlantik endet und in der nicht nur (wie im Titel versprochen) Piraten, sondern auch ein Petticoat eine ziemlich wichtige Rolle spielen.
Beide Bücher sind zunächst mal gut zu lesende (und auch gut geschriebene) Abenteuergeschichten mit hohem Unterhaltungswert, quasi Popcorn-Kino in Buchform. Was sie aber auszeichnet ist die detaillierte Beschreibung der Charaktere und ihrer Wahrnehmung ihrer Welt – Vorurteile gegen Homosexuelle, Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe und Frauen sind letztlich die treibende Kraft für vieles, was in den Bücher passiert. Beide Hauptcharaktere machen im Laufe der Bücher eine Wandlung durch und müssen erkennen, dass sie vieles im Leben bisher vollkommen falsch gesehen haben.
Wenn ihr also gern englische historische Romane (mit einem Hauch von Fantasy) lest, könnt ihr hier eigentlich wenig falsch machen.
PS: Bevor dann wieder jemand rumheult oder meint, besonders schlau zu sein: Ja, ich weiß, dass ich diesen Text nicht wie sonst mit rein femininen Formen geschrieben habe. Und?
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