Heute nur ein kurzer Lesetipp (vielleicht sollte ich doch mal twittern, dafür wäre das ja ideal…?): “What reading like a historian can teach us about empathy“. (Leider auf Englisch…) Es geht um unterschiedliche Arten (in den Geisteswissenschaften), einen Text zu lesen. Heutzutage lesen wir ja gern kritisch: Wir suchen nach versteckten Widersprüchen, die in einem Text stecken, und versuchen daraus etwas über die Autorin des Textes herauszufinden. Oder wir suchen nach versteckten Motiven, die hinter einem Text stecken und die zu verteidigen möglicherweise das eigentliche Ziel der Autorin ist. Diese Art zu lesen hat natürlich ihre Berechtigung, gerade wenn es um politische Texte geht. Sie hat aber auch den Nachteil, dass sich die Leserin gleichzeitig zur Richterin über einen Text macht.
Historikerinnen lesen – so zumindest die Aussage des Textes (ich hoffe mal, dass das stimmt, Geschichte ist nicht meine starke Seite) – oft anders und versuchen zunächst, den Text selbst erst mal aus der Sicht der Autorin zu verstehen. Im Text wird die Frage diskutiert, ob diese “empathische” Art zu lesen nicht oft angebrachter wäre und ob harsche Textkritik nicht auch zu einem “lack of charity in public discourse” (deutsch etwa “Mangel an Nachsicht in öffentlichen Debatten”) beiträgt. Gerade in Internetmedien (hatte ich nicht Twitter erwähnt?) kann man das ja oft beobachten, es wird häufig die für die jeweilige Autorin ungünstigste und negativste Lesart einer Aussage angenommen.
Natürlich ist das Ganze eine Gratwanderung – wenn wir rassistische, sexistische oder fremdenfeindliche Äußerungen lesen, ist zu viel “charity” vielleicht auch nicht angezeigt. Man kann über die Aussage des Textes also durchaus geteilter Meinung sein und sicher auch viel diskutieren. So oder so fand ich den Text aber anregend – so richtig bewusst habe ich anscheinend noch nie über unterschiedliche “Lesemodi” nachgedacht.
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