Vögel verdanken ihre fantastischen Flugmanöver ihren Federn, die ja die Tragfläche bilden. Technisch würde vermutlich niemand auf die Idee kommen, einen Flügel aus lauter einzelnen Teilstücken zu bauen, statt eine durchgehende Tragfläche zu nutzen, aber bei Vögeln funktioniert das anscheinend ganz hervorragend. Einige der Tricks hinter den Vogelfedern wurden vor kurzem entschlüsselt.

Wenn ein Vogel mit den Flügeln schlägt, dann wird der Flügel dabei permanent umgestaltet: beim Abwärtsschlagen ist er ausgebreitet, um möglichst groß zu sein (und entsprechend viel Luft nach unten zu drücken), beim Aufwärtsschlagen dagegen wird er ein wenig eingeklappt und die Flügelfläche wird verkleinert. Dabei müssen die Federn ein wenig aneinander abgleiten, sie dürfen also nicht fest miteinander verbunden sein. (Das würde eh spätestens dann ein Problem geben, wenn der Vogel landet und seine Flügel einklappen will.) Die Federn müssen sich also gegeneinander verschieben können. Auf der anderen Seite sollen sie aber natürlich trotzdem eine feste Tragfläche bilden und dürfen nicht zu weit aneinander abgleiten, denn sonst würden ja Löcher in der Tragfläche entstehen.

Hier mal ein Blick auf die Flügel von Möwen (in den hier zitierten Arbeiten wurden allerdings keine Möwen genommen, sondern Tauben, die sind doch etwas handlicher…):

Cape gulls in flight, South Africa.jpg
Von Olga ErnstEigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Man erkennt im Gegenlicht sehr schön, wie die Federn übereinander liegen – Lücken zwischen den federn würden hier (gerade in der Mitte des Flügels) die Aerodynamik stören. Vögel wie Geier haben allerdings – insbesondere an den Flügelspitzen – oft einzeln stehende Federn, das ist für Vögel günstig, die thermisch gleiten, aber hier nicht unser Thema.

Noch schöner sieht man die Federn auf diesem tollen Foto, das mir David Lentink von der Stanford University zur Verfügung gestellt hat:

Copyright: Andrew Garn

Vogelflügel brauchen also einen Mechanismus, der dafür sorgt, dass die Federn sich zwar gegeneinander bewegen können, aber trotzdem miteinander verbunden bleiben. Es könnte natürlich so sein, dass die Federn einfach etwas rau sind und aneinander reiben. Dann wäre die Kraft, die man zum Bewegen der Federn braucht, schlicht eine Reibungskraft. Das hätte allerdings das Problem, dass diese Kraft einerseits eben groß genug sein müsste, um den Flügel zusammenzuhalten, andererseits aber dann bei jedem Flügelschlag überwunden werden müsste. Das würde das Fliegen deutlich energieaufwändiger machen. Alternativ könnte es sein, dass die Federn sich verhaken, wenn sie sich gegeneinander bewegen; dann muss es allerdings einen Mechanismus geben, der die verhakten Federn dazu bringt, sich auch wieder zu “enthaken”, wenn der Vogel den Flügel einklappt.

Eine aktuelle Studie [1] hat das jetzt detailliert entschlüsselt. Falls ihr euch jetzt fragt, wozu das gut ist – zunächst mal ist es natürlich Grundlagenforschung, die man einfach macht, um Dinge zu verstehen. Aber man kann natürlich auch daran denken, dass wir vielleicht eines Tages Federn auch an technischen Tragflächen verwenden wollen, beispielsweise für kleine Robotvögel.

Beim Ein- und Ausklappen eines Vogelflügels passiert eine ganze Menge: Die Federn gleiten nicht nur aneinander ab, sondern verdrehen sich auch noch etwas, damit die äußeren Federn stärker geneigt sind als die inneren. Diese Drehung wird dabei so gesteuert – auch das wurde in der Arbeit herausgefunden – dass der Winkel der Federn linear zunimmt – die Federn weit innen drehen sich am wenigsten, die außen am meisten. Das passiert automatisch, vermutlich durch elastische Bänder, mit denen die Federn untereinander verbunden sind. Die innerste und äußerste Feder sind direkt mit dem Flügel verbunden und werden dadurch nicht bzw. stark gedreht, die Federn dazwischen drehen sich dann durch die elastischen Bänder um so stärker, je weiter Außen sie sitzen.

Die Federn sind also untereinander elastisch verbunden, aber das erklärt noch nicht, wie ein Abgleiten verhindert wird. Das kann man zunächst einmal experimentell untersuchen, indem man einfach misst, wie sich die Kraft zwischen den Federn verhält, wenn man sie gegeneinander bewegt. Dazu wurde eine Vorrichtung gebaut, bei der die Federn durch einen Motor bewegt wurden, und dann die Kraft gemessen. Wenn ihr sehen wollt, wie das geht, könnt ihr ein Video des Experiments hier sehen.

Das Ergebnis ist dabei sehr eindeutig (das Bild der Kraftkurve binde ich lieber nicht ein, Science ist in Copyright-Dingen manchmal etwas unentspannt…): Die Kraft zum Bewegen ist zunächst sehr gering, steigt dann auf einen relativ hohen Wert an, erreicht ein Plateau und fällt dann abrupt wieder ab. Der Wert der Kraft hängt dabei kaum davon ab, wie stark die Federn gegeneinander gedrückt werden – selbst wenn die Federn nur lose aneinander abgleiten, ist die Kraft trotzdem vergleichsweise groß (etwa 0,2Newton). Das spricht klar gegen eine Reibungskraft: Reibungskräfte sind ja um so stärker, je größer die Andruckkraft ist. Bei einer Reibungskraft müsste die Kraft zum Bewegen der Feder also von der Kraft, mit der sie gegeneinander gedrückt werden, abhängen, und außerdem wäre der erforderliche Reibkoeffizient extrem groß (er müsste mindestens gleich 1000 sein).

Die Federn reiben also nicht einfach aneinander, sondern verhaken sich in irgendeiner Weise. Um den Mechanismus dahinter genauer herauszufinden, wurden Federn im Computertomographen analysiert. Hier erstmal ein Schemabild einer Feder:

Feather scheme.png
Von Uwe Gille – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Entscheidend für das Verhaken sind die kleinen Fortsätze an den Federn (im Bild haben wir: 7 Federast, 8 Bogenstrahl, 9 Hakenstrahl). Die “Bogenstrahlen” (Englisch Barbules, wenn ich es richtig verstehe) haben an ihren Enden kleine Fortsätze, mit denen sie in entsprechende Ausläufer an den Federästen einer darüber liegenden Feder greifen. Auch dazu gibt es Videos, die das zeigen: CT-Scan und Hakenmechanismus.  Hier ein Screenshot aus dem Video, der das Ganze zeigt – in grau die obere Feder, in Grün die Teile der unteren Feder, rot markiert ist der Bereich, wo die Federn miteinander in Kontakt sind:

Aus [1], suppl. material

Wenn die Federn abgleiten, greifen die Haken also in die Fortsätze der Feder darüber, so dass eine Kraft erforderlich ist; beim Rückbewegen löst sich die Verbindung wieder und die Geometrie der Anordnung sorgt dafür, dass die Kraft hierfür deutlich kleiner ist.

Um schließlich auch noch zu testen, welche Auswirkungen das Verhaken der Federn auf das Flugverhalten hat (und um das ganze so cool zu machen, dass es auch in Science landet), wurde schließlich noch ein Robot-Vogel gebaut. Der erlaubte es, zu testen, wie sich die Flugeigenschaften verändern, wenn die Federn sich eben nicht verhaken, sondern Lücken zwischen ihnen entstehen.

Hier ein Blick auf den Roboflügel (nochmal Dank an David Lentink)

Copyright: Lentink Lab /Stanford University

Und hier der Robot als Ganzes (ja, echte Tauben haben keinen Propellor, es geht hier aber ja um die aerodynamischen Eigenschaften der Federn, nicht darum, den Vogelflug als Ganzes abzubilden):

Copyright: Lentink Lab /Stanford University

Und weil es so unglaublich cool aussieht (da möchte man sofort nochmal promovieren…), hier noch ein Bild des Windtunnel-Experiments:

Copyright: Paolo Woods & Gabriele Galimberti / NG Image Collection

Die Experimente zeigen, dass sowohl die elastischen Bänder, die die Federn verbinden, als auch der Hakenmechanismus erforderlich sind, damit die Federn eine durchgängige Tragfläche bilden. Ohne diese Mechanismen entstehen Lücken zwischen den Federn, die die Tragfläche unterbrechen und den Auftrieb stark verringern. Auch dazu gibt es ein schönes Video. Hier ein Bild daraus:

Aus [1], suppl. materialAus [1], suppl. materialAus [1], suppl. materialAus [1], suppl. material

Aus [1], suppl. material

Ihr seht den Flügel oben bei geringer, unten bei hoher Geschwindigkeit der Strömung. Ganz links ist die normale Konfiguration, daneben die, wenn man die elastischen Bänder oder den Verhakmechanismus ausschaltet. Eine gut ausgeformte Tragfläche bildet sich nur ganz links.

Nicht alle Vögel haben übrigens den geschilderten Hakenmechanismus. Bei Eulen sind die Haken in dieser Form nicht vorhanden, stattdessen habe sie viele kleine, haarartige Fortsätze an den Federn, die das Auseinanderspreizen der Federn allerdings weniger gut verhindern. Der Vorteil dieses Mechanismus’ ist, dass die Bewegung der Federn aneinander dadurch wesentlich leiser ist – das Bewegen von Taubenfedern ist in Sachen Geräuschentwicklung ein bisschen ähnlich zu einem Klettverschluss.

Einen kleinen Überblick über die ganze Arbeit (einschließlich eines Films des Robotvogels) gibt auch dieses Video

 

[1] Matloff et al., Science 367, 293–297 (2020)

Kommentare (4)

  1. #1 RPGNo1
    11. März 2020

    “Forscher haben [in Mynamar] ein 99 Millionen Jahre altes Stück Bernstein entdeckt, in dem der winzige Schädel eines Sauriers konserviert wurde. Er war zu Lebzeiten wahrscheinlich nur so groß wie der kleinste Kolibri – und ist damit der kleinste jemals gefundene Dinosaurier. ”

    https://www.wissenschaft.de/erde-klima/kolibri-kleiner-saurier-im-bernstein/

    🙂

  2. #2 MartinB
    12. März 2020

    @RPGNo1
    Niedlich.
    Muss ich mal das paper lesen, im Moment ist mir nicht klar, wie das Fossil einerseits so uneindeutig sein kann, dass man nicht mal grob die phylogenetische Position bestimmen kann, und andererseits anscheinend weiß, dass es sich nicht um ein Jungtier handelt.

  3. #3 RPGNo1
    12. März 2020

    Hier habe ich eine weitere Zusammenfassung zum neuen Mini-Dino gefunden.

    https://whyevolutionistrue.wordpress.com/2020/03/12/tiny-dinosaur-bird-skull-found-in-amber/

  4. #4 MartinB
    12. März 2020

    Ja, ich hab jetzt den Nature-Artikel angeguckt. Da stand zumindest drin, dass die Schädelproportione nicht zu eienm Jungtier passen (weil die Schnauze lang ist).