O.k., vielleicht ist das ne komische Idee. Aber in Zeiten von Corona sollen wir ja möglichst zuhause bleiben, und gerade wenn man kleine Kinder hat, kann so ein Tag ganz schön lang werden.
Als meine Tochter klein war, habe ich ihr immer Geschichten erzählt, und dann irgendwann angefangen, die aufzuschreiben. Und ab heute werde ich jeden Tag ein Kapitel hier posten. Geeignet sind die Geschichten wohl so für das Alter 5-8, aber das könnt ihr ja selbst entscheiden. Leider hat sie niemand (außer ein paar beta-Lesern) lektoriert, falls ihr also irgendwelche Fehler oder Ungereimtheiten findet, schreibt gern einen Kommentar. So, genug geschwafelt, jetzt geht’s los.
Miranda und der Schatz der Medea
Die Entdeckung
Es war eine schöne, warme Sommernacht. Die kleine Hexe Miranda hatte schulfrei und hatte ausgeschlafen, bis die Sonne untergegangen war, denn wie alle Hexen war auch sie meist in der Nacht wach und schlief am Tag. Nun war sie mit ihrer Freundin Netti unterwegs, um unten am See schwimmen zu gehen.
„Schau mal“, sagte Netti, als sie beide auf ihren Besen über den See flogen, „unser Platz ist besetzt.“ Eine andere Junghexe, Draconia, hatte es sich an ihrem liebstem Platz, einem kleinen Sandstrand, gemütlich gemacht und plantschte dort fröhlich im Wasser herum, das im Mondlicht glitzerte.
„Lass uns einen anderen Platz suchen“, sagte Miranda. Draconia war erst vor kurzem hierhergezogen, und sie und Miranda mochten sich nicht besonders gern.
Miranda und Netti flogen also über den See und hielten Ausschau nach einem anderen Badeplatz. Es dauerte nicht lange, da wurden sie fündig: Am Fuß einer kleinen Klippe reichte das Gras fast bis zum Wasser, und obwohl Gras natürlich nicht ganz so schön war wie ein Sandstrand, war es immer noch ein hübsches Plätzchen. Also landeten die beiden und waren kurze Zeit später im Wasser.
Nachdem sie sich ausgetobt hatten, legten sie sich auf ihren Handtüchern aufs Gras und ruhten sich aus. Miranda schaute nach oben in die Sterne, die über der Klippe funkelten, und da fiel ihr etwas Merkwürdiges auf: „Schau mal, Netti, da sind Mauersteine.“
Netti sah nach oben. „Ich glaube, da ist eine Ruine“, sagte sie. „Komm.“ Schon war sie aufgestanden und dabei, die Klippe emporzuklettern. Kurze Zeit später standen Miranda und Netti oben auf der Klippe. Um sie herum wuchsen zahlreiche Sträucher und Büsche, aber zwischen ihnen konnten sie jetzt deutlich Mauerreste erkennen. Die Mauern waren verfallen und die höchste von ihnen reichte Netti nur bis zum Kinn. Sie waren völlig von Efeu überwuchert, und das war wohl auch der Grund, warum sie sie aus der Luft nicht entdeckt hatten. Zwischen den Mauern lagen große und kleine Steinbrocken herum. Hier musste einmal ein Haus gestanden haben, soviel war sicher.
„Wer hier wohl gewohnt hat?“, überlegte Miranda, und fing an, zwischen den Mauern herumzustöbern. Abgesehen von einer Maus, die sie aufscheuchte, entdeckte sie aber nichts interessantes. Sie drehte sich zu Netti um und fragte „Hast Du schon etwas…“, aber in diesem Moment verlor sie den Boden unter den Füßen. Sie hatte einen unvorsichtigen Schritt gemacht – direkt in ein Loch im Boden, das sie nicht hatte sehen können, weil es so überwuchert war.
Miranda fiel in die Tiefe. Sie stieß sich einen Arm an einer Wand an, dann krachte sie laut auf den Boden. Um sie herum war es finster. Vorsichtig versuchte sie aufzustehen. Ihr Arm und ihr rechtes Bein taten etwas weh, aber sie war nicht ernsthaft verletzt. Miranda tastete nach ihrem Zauberstab, um sich ein Hexenlicht zu zaubern, aber er war nicht da. Sie musste ihn beim Fallen verloren haben.
„Miranda, bist Du da? Geht es Dir gut?“, hörte sie von oben Nettis ängstliche Stimme.
„Ja, ich hab nur ein paar blaue Flecken, glaube ich. Aber es ist so finster hier, und ich hab meinen Stab verloren.“
Miranda tastete vorsichtig ihre Umgebung ab. Um sie herum waren lose Steine, die vermutlich einmal zu den eingestürzten Wänden gehört hatten. Als sie einen Schritt machte, fiel sie beinahe hin, weil die Steine unter ihr wegrutschten. Da sie fast nichts sehen konnte, konnte sie nicht aus dem Loch hinausklettern. „Ich kann nicht rausklettern, es ist zu dunkel hier unten“, beklagte sie sich.
„Aber was sollen wir tun?“, fragte Netti und klang verzweifelt. Netti war noch zu jung, um in die Schule zu gehen, und deshalb kannte sie nur wenige, einfach Zaubersprüche, mit denen sie Miranda nicht helfen konnte.
Miranda dachte kurz nach. „Am besten fliegst Du zu Draconia, die kann mir bestimmt helfen.“ „Ist gut.“
Miranda wartete. Es dauerte eine Weile, dann hörte sie von oben Stimmen. „Bist Du noch da?“, fragte Nettis Stimme. „Natürlich bin ich noch da.“ „Gut“, sagte jetzt Draconia, „ ich sende Dir ein Hexenlicht hinunter.“ Es dauerte einen Moment, während Miranda hörte, wie Draconia einen Zauberspruch murmelte, dann sah sie ein Licht, das von oben zu ihr herabfiel, wie ein kleiner Stern, der plötzlich heller wurde. Nun konnte sie ihre Umgebung deutlicher erkennen. Es musste einmal ein Keller gewesen sein, denn um Miranda herum waren noch die Mauern zu sehen. Auch sie hatten an einigen Stellen Löcher, wo Steine herausgebrochen waren. Überall lagen Steine, Mauerbruchstücke und Holzbalken herum, und Miranda sah, dass sie großes Glück gehabt hatte, dass sie sich beim Sturz nichts gebrochen hatte. Miranda schaute sich nach ihrem Zauberstab um. Es dauerte eine Weile, dann sah sie ihn neben einem alten, halb zerbrochenen Fass liegen. Sie versuchte über die Steine zu klettern und zum Loch zu gelangen. Schließlich stand sie unter dem Loch und konnte jetzt oben die Köpfe der beiden Hexenkinder sehen, die gespannt zu ihr nach unten schauten.
„Ich kann nicht hinausklettern, es ist zu hoch.“
„Soll ich Dir Deinen Besen hinunterwerfen?“, fragte Netti.
„Nein, zum Fliegen ist es hier zu eng. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen.“
„Kannst Du nicht ein Seil zaubern?“, fragte Netti Draconia.
„Das geht nicht. Sachen aus dem Nichts herzaubern ist ziemlich schwierig, dass können nur die großen Hexen.“
Während Miranda noch überlegte, was sie tun sollten, sagte Draconia: „Aber trotzdem, das mit dem Seil ist gar keine schlechte Idee.“ Miranda hörte, wie Draconia erneut zauberte. Sie schaute nach oben, um zu sehen, was Draconia vorhatte. Zuerst hörte sie ein leises, kratzendes Geräusch, dann sah sie, wie der Efeu, der oben am Loch wuchs, langsam größer wurde. Draconia strich mit ihren Zauberstab über die Ranken, die nach unten in den Keller zu wachsen begannen.
„Ein Pflanzenwachszauber“, sagte Miranda beeindruckt, „gute Idee.“
Während sie darauf wartete, dass der Zauber beendet war und sie herausklettern konnte, schaute Miranda sich im Keller um. Vorher war sie dazu viel zu aufgeregt gewesen, aber jetzt, wo sie wusste, dass sie bald herausklettern konnte, begann sie, neugierig zu werden. Man konnte nur noch wenig von dem erkennen, was hier einmal gelagert gewesen war, denn die Steine, die von oben heruntergestürzt waren, hatten das meiste verschüttet und durch die Löcher in der Kellerdecke hatte es hereingeregnet. In einer Ecke stand noch ein weiteres, halb zerschlagenes Fass, es gab ein Paar Säcke und viele zerbrochene Flaschen, in einer anderen Ecke lagen Bretter, die wohl einmal zu einem Schrank gehört hatten, und an einer Wand unter ein Paar Steinen stand schrägt ein Schreibtisch, von dem zwei Beine abgebrochen waren und aus dem eine Schublade ein Stück hervorragte. Ob dort drinnen noch etwas Brauchbares zu finden war? Vorsichtig kletterte Miranda über die Steine, wobei sie sich mit den Händen festhielt, so gut es ging.
„Was machst Du denn?“, fragte Netti von oben.
„Ich schaue mich nur etwas um“, sagte Miranda und kletterte weiter. Beim Schreibtisch angekommen, versuchte sie die Schublade herauszuziehen. Sie klemmte etwas. Miranda zog kräftiger, es gab einen Ruck und die Schublade löste sich mit so viel Schwung, dass Miranda fast hinten übergekippt wäre. In der Schublade lagen ein Kästchen und ein sehr altes Notizbuch. Miranda nahm die Sachen an sich und schaute sich noch weiter um, konnte aber nichts Interessantes mehr entdecken.
„Ich komme jetzt rauf!“, rief sie den anderen zu.
Inzwischen war der Efeu soweit zu Miranda hinuntergewachsen, dass sie sich daran festhalten konnte. Sie steckte das Notizbuch in die Tasche, klemmte sich das Kästchen unter den Arm und kletterte vorsichtig hinaus.
„Danke“, sagte sie zuerst, als sie oben war. „Und schaut, was ich gefunden habe. “ Sie zeigte den anderen das Kästchen. Es war aus glattem, dunklen Holz. An den Ecken waren goldene Beschläge angebracht und auf der Vorderseite ein kleiner goldener Knauf. Oben auf der Kiste war der Buchstabe „M“ in hellerem Holz eingelassen.
„Ob das eine Schatzkiste ist?“, fragte Netti hoffnungsvoll. „Keine Ahnung. Aber wenn, dann ist der Schatz ziemlich klein. Außerdem geht sie nicht auf“, sagte Miranda, die versucht hatte, den Deckel zu öffnen. „Vielleicht klappt es ja mit einem Zauberspruch“, überlegte Miranda, doch die Kiste blieb verschlossen.
„Seltsam“, sagte Miranda. „Ob vielleicht ein anderer Zauberspruch hilft?“
„Wir können ja morgen in der Schulbibliothek nachsehen“, schlug Draconia vor.
Als sie das gesagt hatte, bemerkte Miranda, dass Netti ein enttäuschtes Gesicht machte. „Ja gut“, sagte Miranda, „aber erst nach der Schule, denn sonst kann Netti nicht dabei sein.“
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