Diverse Medien (ich habe es auf Twitter gesehen) haben heute Schlagzeilen veröffentlicht wie Physicists Create a Wormhole Using a Quantum Computer, (inzwischen wurde es abgeschwächt zu “holographic wormhole”), und wenn es euch so ging wie mir, wart ihr erstmal platt.
Hier eine ganz schnelle Einschätzung und eine Erklärung, warum das eine seeeeeeehr weit hergeholte Art ist, das zu beschreiben, was da getan wurde.Kurz, weil ich gerade wenig Zeit habe und weil mit für längeres Schreiben auf einer sterbenden Blogplattform auch die Lust fehlt. (Aber keine Sorge, Her wohnen Drachen wird weiterleben, Details kläre ich gerade.)
Zunächst mal: Wurmlöcher sind quasi Abkürzungen durch die Raumzeit, die theoretisch zwei weit entfernte Punkte des Universums auf einer kurzen Route verbinden können. Die Allgemeine Relativitätstheorie erlaubt die Existenz solcher Wurmlöcher prinzipiell, allerdings mit zwei Haken:
1. Im Rahmen der ART gibt es keine Möglichkeit, sie zu erzeugen. Sie müssten quasi seit der Entstehung des Universums vorhanden sein oder auf eine Weise erzeugt werden, die über die ART hinaus geht.
2. Damit etwas durch ein Wurmloch reisen kann, benötigt man “exotische Materie”, solche, die einen negativen Druck um sich herum aufbauen kann, quasi um das Wurmloch am kollabieren zu hindern. Solche Materie gibt es nach unserem Wissen nicht.
Details findet ihr in diesem Artikel oder natürlich in meinem Buch “Isaac” zur ART.
Und jetzt soll also ein Quantencomputer ein Wurmloch erzeugt haben? Wie das?
Das ist eine lange und involvierte Geschichte, bei der ich auch kein Experte bin. Ich gebe hier mein grobes Verständnis wieder, Details mögen falsch sein (ich hoffe aber alles passt).
Alles fing damit an, dass man in den 90er Jahren entdeckte, dass man eine gekrümmte Raumzeit in einem 5-dimensionalen sogenannten Anti-de-Sitter-Universum (erkläre ich gleich etwas) alternativ als eine Theorie in vier Dimensionen formulieren kann, die gar keine Gravitation enthält, sondern nur Quanteneffekte. Mit anderen Worten: Wärt ihr Lebewesen in so einem 4D-Universum, dann würde es für euch so aussehen als wäre das Universum fünfdimensional und als gäbe es Gravitation. Weil das “tatsächliche” Universum eine Dimension weniger hat, spricht man von “Holographie”, denn in einem Hologramm kann ja auch ein zweidimensionales Objekt ein dreidimensionales Bild speichern und wiedergeben. Man spricht hier auch von einer Dualität zwischen den beiden Modellen.
Das hat seinerzeit für viel Aufsehen und Wirbel gesorgt, denn man hoffte, etwas ähnliches auch für unser Universum hinzubekommen. Das hat aber nicht geklappt. Unser Universum ist nämlich kein Anti-de-Sitter-Universum, sondern ein de-Sitter-Universum. Unser Universum dehnt sich bekanntlich aus, und nicht nur das, die Ausdehnung beschleunigt sich auch noch (die berühmte positive kosmologische Konstante oder “Dunkle Energie”). Ein Anti-de-Sitter-Universum dagegen hat eine negative kosmologische Konstante und ist so designed, dass seine Krümmung räumlich und zeitlich konstant ist, es sieht also überall und immer gleich aus und kann sich nicht ausdehnen. Außerdem hat unser Universum 4 Dimensionen (3 im Raum, eine in der Zeit), nicht 5.
Man hat seitdem versucht die coole Dualität irgendwie so hinzubiegen, dass sie sich auch auf ein de-Sitter-Universum wie unseres übertragen lässt. Würde das gelingen, hätte man quasi die Gravitation “wegerklärt”, sie wäre dann ein Quanteneffekt und das, was wir als unser Universum wahrnehmen, wäre quasi wie ein Hologramm, weil das “echte” Universum eine andere Dimension hätte. Gelungen ist das nicht und es gibt auch gute Gründe anzunehmen, dass das tatsächlich unmöglich ist.
Im Zuge dieser Versuche hat man alle möglichen Spielzeugmodelle untersucht, eins davon verbindet eine Quantentheorie in Null Raum- und einer Zeitdimension mit einem Universum mit einer Raum und einer Zeitdimension. (Bei einer Quantentheorie mit 0+1 Dimensionen haben die Objekte keinen Ort, aber sie können trotzdem Eigenschaften haben und so eine Theorie ist trotzdem nicht trivial). Eine Raumzeit mit nur einer Raumdimension ist quasi eine Linie – da gibt es natürlich so Dinge wie Raumkrümmung und so nicht. Das ist also wirklich ein Spielzeugmodell.
In so einem sogenannten SYK-Modell kann man jetzt Teilchen haben, die miteinander verschränkt sind und bei denen Information von einer Gruppe von Teilchen auf eine andere übertragen wird. Für jemanden, der in einem solchen SYK-Universum leben würde, würde das aussehen als würde sich ein Teilchen durch ein Wurmloch von einem Ort zum anderen bewegen. (Ich muss zugeben, dass ich nicht genau verstehe, wie das im einzelnen funktioniert. Zumindest in der ART kann man ja Wurmlöcher nicht einfach erzeugen, und ein Objekt, dass ein stabiles Wurmloch durchquert, merkt selbst nichts ungewöhnliches, weil in der ART die Raumzeit lokal immer flach ist.)
Man hat dann zunächst mit gewöhnlichen Computern so eine Verschränkung in einem SYK-Universum berechnet und dann diese Verschränkung tatsächlich auf einem Quantencomputer realisiert. Das Argument der “Wir-haben-ein-Wurmloch-gebaut”-Fraktion dafür, dass das wirklich ein Wurmloch ist, lautet, wenn ich es richtig verstehe “Dieses Quantensystem ist dual zu einem Wurmloch, also ist es von einem Wurmloch letztlich nicht zu unterscheiden”. Das würde aber natürlich nur gelten, wenn der Quantencomputer in so einem 0+1-dimensionalen Universum sitzen würde, was er definitiv nicht tut.
Ein Wurmloch wie wir es uns vorstellen (Stargate- oder DS9-Fans sind jetzt enttäuscht) ist es also nichts und hat damit auch nicht viel zu tun. Es ist ein Quantenphänome, das in einem Spielzeuguniversum dual zu einem Wurmloch wäre, für die Bewohner dieses Universums also von einem Wurmloch nicht zu unterscheiden wäre.
Lernen wir wenigstens irgendwas über Quantengravitation aus diesem Experiment? Nein. nicht wirklich. Die Dualität und das Modell waren ja vorher schon theoretisch bekannt. Klar, cool, dass man sowas auf nem Quantencomputer nachbauen kann, aber mit der Gravitation in unserem de-Sitter-Universum hat das nicht wirklich was zu tun und aus der experimentellen Realisierung lernen wir nur eins: Mit dem richtigen Hype kann man auch ein nature-Paper schreiben.
Was mich dazu bringt, warum mich das Ganze doch ein wenig aufregt: Die Wissenschaft hat aktuell eh schon bei Vielen einen schlechten Ruf – der Eindruck, Wissenschaftler würden ihre Wissenschat so hindrehen, wie sie wollen, um eine politische Agenda durchzusetzen, ist weit verbreitet. Da sollte man wirklich keine Schlagzeilen über “Wir haben ein Wurmloch gebaut” in die Welt setzen, wenn man bloß ein Quantenmodell von einem Spielzeuguniversum gebaut hat. Dieser sinnfreie Hype tut weder der Physik noch der Wissenschaft als Ganzes gut, im Gegenteil.
PS: Ich habe für diesen Artikel viel von Peter Woits Blog “Not Even Wrong” und von Sabine Hossenfelders Twitter-Account gelernt, die empfehle ich euch sehr (wobei “not even wrong” schon auf ziemlich hohem Niveau spielt.
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