Oftmals werden Instrumente in Märchen als magisch beschrieben. Bild: Pixabay.com © blickpixel

Musik ist magisch. Das beweisen unzählige Mythen und Märchen, in denen Musikinstrumente mit einzigartigen Zauberkräften ausgestattet sind. Nicht zuletzt auch wegen der (geistes)wissenschaftlichen Aspekte.
Die Magie der Musikinstrumente

Dass man den Instrumenten in vielen literarischen Handlungen solch einzigartige Macht verleiht, lässt sich durchaus wissenschaftlich erklären. Denn der Klang der Musik beeinflusst unser Gehirn auf eine Art und Weise, die tatsächlich ein bisschen was von Magie hat. Beispielsweise lösen unterschiedliche Melodien und Tonfolgen auch unterschiedliche Gefühle in uns aus, können fröhlich machen, traurig, nachdenklich oder auch aggressiv. Mehr noch, wirkt Musik inspirierend und belebend auf den Geist, regt die Vorstellungskraft an und entführt so manchen Hörer in fantastische Welten.

Selbst für psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen wie Trauma- oder Stressbewältigung ist Musik nützlich. Indem sie für Entspannung sorgt und verborgene Erinnerungen aus den Untiefen des Geistes an die Oberfläche holt, kann eine passende Melodie von Sorgen und Kummer befreien. Zahlreiche Patienten und Therapeuten schwören auf den heilenden Effekt der Musiktherapie und machen Musikinstrumente damit zu einem „magischen“ Schlüssel, der im Kopf verborgene Pforten öffnet. Künstler und Schriftsteller arbeiten mit der richtigen Musik deshalb sogar besser, weil sie die Konzentrationsfähigkeit und Kreativität fördert.

Kein Wunder also, dass es zahlreiche Erzählungen gibt, in denen Musikinstrumente eine buchstäbliche Schlüsselrolle spielen. Ein paar dieser Instrumente tauchen dabei besonders oft in mythologischen Quellen auf.

Die Flöte – Meister der mythologischen Verführungskunst

Die Flöte wird in der Mythologie sehr häufig für clevere, teils auch listige Verzauberkunst genutzt. Mozarts legendäre Oper “Die Zauberflöte” ist das beste Beispiel. Die Flöte in diesem Stück besitzt schützende Kräfte und sorgt dafür, dass der Protagonist, Prinz Tamino, und sein treuer Gefährte, der Vogelfänger Papageno, erfolgreich die gefangene Prinzessin Pamina retten können.

Dabei verzaubert Taminos Flötenspiel nicht nur die schöne Prinzessin. Selbst wilde Tiere fühlen sich von dem Klang der Zauberflöte magisch angezogen. Neben der magischen Flöte des Prinzen gibt es auch ein magisches Glockenspiel, das Papageno mit sich führt. Es kann die böse Gesinnung seiner Feinde zum Guten wenden und lockt im Verlauf der Handlung Papagenos künftige Gefährtin Papagena an.

Dass Flöten etwas Verführerisches an sich haben, erkannte man schon in der Antike. So soll die Panflöte zum Beispiel der unerschütterlichen Liebe des griechischen Hirtengottes Pan geschuldet sein. Die Legende besagt, dass Pan in eine schöne Nymphe namens Syrinx verliebt gewesen sei.

Die hatte aber Angst vorm Gott der Satyrn und lief panisch davon. Als sie auf ihrer Flucht den Fluss Ladon erreichte, wurde sie von einer schützenden Gottheit in ein Schilfrohr verwandelt. Pans Liebe zu ihr blieb aber selbst dann noch ungebrochen. Das Schilfrohr … eher nicht. Denn als Pan das Schilfrohr liebestrunken umarmte und der Wind dem Schilf kurz darauf zauberhafte Klänge entlockte, wollte der Hirtengott diesen Klang für immer bewahren. Zu diesem Zweck brach er das Schilfrohr in ungleich große Stücke und bastelte daraus die erste Panflöte. Seither ist sie das Symbol-Instrument der Satyrn, die damit NATÜRLICH vor allem schöne Nymphen im Wald betören.

Weit weniger romantisch sind da schon die Verführungskünste des Rattenfängers von Hameln. Der Klang seiner Flöte trieb im Märchen der Gebrüder Grimm die Mäuse und Ratten aus der Stadt. Dafür versprachen ihm die Bürger von Hameln einen angemessenen Lohn, brachen aber schon kurz nach des Rattenfängers Pflichterfüllung ihr Versprechen.

Zur Strafe entführte der Rattenfänger die Kinder der Stadt, die danach nie mehr gesehen wurden. Die Geschichte zeigt eindrucksvoll, welch zwielichtigen Ruf die Spielleute im Mittelalter genossen. Sie übers Ohr zu hauen, war aber dennoch weder redlich noch klug und wurde nicht nur mit bösen Schmähgedichten und musikalischem Rufmord, sondern gegebenenfalls auch mit einer göttlichen Strafe belegt. Denn wenn die Götter eines nicht mögen, dann ist es Respektlosigkeit gegenüber ihren Musen und Musikanten, denen sie doch so gerne beiwohnen. Gleichzeitig gab es auch Musikanten, die sich länger am Hof aufhielten und etablierter waren. Sie sind ein dauerhaftes Engagement eingegangen und mussten sich nicht wie Bettelmusikanten mit Nebenverdiensten herumschlagen.

Harfen – die Musikinstrumente der Götter

Ja, die Götter lieben – nach Auffassung der antiken Wissenschaft – die Musik; vielleicht erklärt das, warum sogar das Universum mit Sphärenmusik vertont ist. Das absolute Lieblingsinstrument zahlreicher Göttermythen war und ist dabei die Harfe. Kaum vorstellbar ist eine christliche Engelschar, die himmlische Musik ohne dieses Instrument macht. Dabei stammt die Ursprungslegende der göttlichen Harfe gar nicht aus dem Christentum, sondern aus Irland. Stolz im Wappen der Republik Irland prangend, symbolisiert sie auf der Grünen Insel den Inbegriff irischer Identität.

Glaubt man den irischen Sagen, ist die traditionelle keltische Harfe ein Erbe der Tuatha Dé Danan. Die alten Götter Irlands hatten ein Händchen für magische Instrumente, was unzählige keltische Legenden eindrucksvoll beweisen. Eine davon erzählt von der Harfe des irischen Allvaters Dagda. Sie wurde ihm einst durch seine Feinde, die Fomóiri, gestohlen. Ein göttlicher Skandal, waren Dagda und seine Harfe doch unzertrennlich. Wortwörtlich, denn als er sie aus den Hallen seiner Widersacher zurückholte, genügte schon ein Reim und die Harfe flog wie auf Geheiß zurück zu ihrem Besitzer.

Um die Fomóiri an der Verfolgung zu hindern, nutzte Dagda die magischen Saiten seiner Harfe, von denen die erste Traurigkeit, die zweite Fröhlichkeit und die dritte den Schlaf beschwören konnte. Der Allvater zupfte die dritte Saite, woraufhin die Fomóiri einschliefen und Dagda sicher verschwinden konnte. Bei so einem begnadeten Spielmann als Gottvater ist es natürlich kein Wunder, dass das Harfenspiel des Barden, im Irischen auch Filidh genannt, praktisch als Traditionshandwerk der Grünen Insel gilt. Aus dem legendären Irish Folk ist das Kultinstrument darum kaum mehr wegzudenken.

Die beruhigenden Eigenschaften magischer Harfen finden sich noch in einigen anderen Überlieferungen. Da wäre zum Beispiel die goldene Harfe im britischen Märchen Jack und die Bohnenranke. Sie schläfert den Riesen ein, dem das Schloss am Ende der Bohnenranke gehört und rettet damit Jacks Leben. Der griechische Götterbote Hermes soll wiederum die Lyra, ein harfenähnliches Zupfinstrument, erfunden haben. Er schenkte sie seinem Götterbruder Apollon, um diesen nach einem Rinderdiebstahl zu beschwichtigen. Auf dieser Lyra beruht im Übrigen auch das Wort “Lyrik” als Synonym für versgebundene Dichtkunst. Ganz nebenbei soll Hermes außerdem die Tonleitern und Astronomie erfunden haben. Die Vertonung des Universums ist also definitiv Chefsache der griechischen Götterwelt!

Wenn das große Horn ertönt

Hermes ist als Götterbote die Kultfigur eines ganzen Berufszweiges. Dass aber seine Lyra nicht annähernd so stark mit Postboten assoziiert wie er selbst, liegt wohl am begrenzten Klangradius des Instruments. Da hat ein Rufhorn doch wesentlich mehr Reichweite. Nicht umsonst wurde das Horn deshalb lange als Kommunikationsmittel über große Distanz genutzt, als es noch kein Telefon, geschweige denn ein Handy gab.

Gemeinsam mit der Trommel steht das Rufhorn für epische Signalfunktion und das vor allem in der nordischen Mythologie. Wenn Hörner hier nicht gerade als Trinkgefäß für den Met der Wikinger in Gebrauch sind, treten sie meist als Kriegs- bzw. Rufhörner auf. Das berühmteste Horn gehört dabei dem nordischen Gott Heimdall und hört auf den Ehrfurcht gebietenden Namen Gjallarhorn. Es tönt so laut, dass es in allen neun Welten, die der große Weltenbaum Yggdrasil miteinander verbindet, gehört werden kann. Allerdings birgt das Rufsignal des Gjallarhorn keine frohe Botschaft, denn es kündet vom nordischen Weltuntergang, Ragnarök.

Überhaupt steht der Klang des Rufhorns in der Mythologie meist für den Beginn eines Krieges oder Endzeit-Szenarios. Unvergessen sind die Kriegsszenen aus Filmen wie Herr der Ringe, wo gleich ein Dutzend Hörner endlose Schlachten aneinanderreihen. Ob das Kriegshorn der Orks, das Horn von Gondor, das Horn von Erebor oder die gefühlten 1000 Hörner der Reiterbrigade von Rohan – an Rufsignalen mangelt es der Saga von J. R. R. Tolkien wahrlich nicht. Grundsätzlich sollte das obligatorische Kriegshorn in keinem poetischen Schlachtengetümmel fehlen, denn der weite Klang des Horns ist Kriegsepik in akustischer Form.

Ohne Musikinstrumente keine gute Geschichte

Die Beispiele für mythologische Instrumente ließen sich ewig fortsetzen und würden allesamt doch nur eines beweisen: Die Magie der Musik ist real und die Mythologie ist ihr Bewahrer. Zudem haben fantastische Geschichten, die Instrumenten magische Fähigkeiten zusprechen, ihren Ursprung meist in nur allzu realen Funktionen der jeweiligen Spielweisen. Ein Ton für jede Gemüts- und Lebenslage, könnte man meinen. Wissenschaft hin oder her, der mystische Einfluss der Musik auf unsere Gedankenwelt ist etwas, das sich nicht abstreiten lässt. Und Barden und Poeten werden auch weiterhin dafür sorgen, dass dies so bleibt.