Dass Musik – wie Wilhelm Busch in diesem Vers bemerkte – stets mit Geräusch verbunden ist, bedeutet nicht, dass sie nur Geräusch ist.

Darüber, welche Rolle Musik für unser Hirn und für uns Menschen insgesamt spielt, hatte ich vor längerer Zeit mal ein Gespräch mit dem Musikforscher und Musiker Daniel Levitin geführt, das hier auch nachzulesen ist. Darin vermutet er, dass Musik irgendwie auch mit unserer angeborenen Fähigkeit zum Sprechen zusammenhängt. Das klingt zwar plausibel (Stichwort: Sprechgesang) – unterschätzt aber die Besonderheiten des menschlichen Hirns, wie zwei Forscher und eine Forscherin am MIT herausfanden: Distinct Cortical Pathways for Music and Speech Revealed by Hypothesis-Free Voxel Decomposition. Kurz gesagt haben sie herausgefunden, dass Musik und Sprache jeweils unterschiedliche Bereiche im Hirn aktivieren.

Wer sich für das Thema interessiert, aber keinen Zugriff auf den Original-Artikel im Fachjournal Neuron hat, kann entweder diese Pressemitteilung des Massachusetts Institut of Technology dazu lesen, oder den großen Beitrag in der heutigen Science-Beilage der New York Times (mein Lesetipp) – oder aber dieses Video anschauen:

Die Frage ist natürlich, warum unser Hirn einen Bereich extra für das Verarbeiten von Musik entwickelt hat. Darüber wollen die MIT-ForscherInnen noch nicht mal spekulieren – sie sind durch pure Datenanalyse auf diesen Zusammenhang gestoßen, eine Hypothese dafür haben sie (noch) nicht. Doch als Denkanstoß zitiere ich hier mal Josef Rauschecker, den Direktor des Laboratory of Integrative Neuroscience and Cognition an der Washingtoner Georgetown University, der in der New York Times zu Wort kam und der davon ausgeht, dass unsere Veranlagung zur Musik vielleicht sogar älter ist als die Veranlagung zur Sprache:

“There are theories that music is older than speech or language (…) Some even argue that speech evolved from music.”

Waren wir also “Singvögel”, ehe wir das Sprechen lernten?

Abb.: Staatliche Antikensammlungen via Wikimedia Commons

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Kommentare (5)

  1. #1 rolak
    9. Februar 2016

    “Singvögel”, ehe wir das Sprechen lernten

    Klar doch. Kann bei Babies beobachtet werden ;‑)

    Nee im Ernst: Aus lauter Ehrfurcht vor unseren nahen Verwandten neigen wir ja zum Nachäffen – was liegt näher als daß zuallererst wie auch immer erzeugte Klänge (Steineklopfen im positiven Sinne) nachgeahmt wurden, sich Melodien entwickelten. Mit variabel intoniertem Grunzen können Kleingruppen weit kommen, siehe zB jagende Rudel, egal ob nun wieder Affen oder Wölfe.

    Jetzt, ja jetzt können Babies ihren sprechenden Eltern hinterherlallen – das war allerdings damals™ offen(sicht|hör)lich nicht möglich.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    9. Februar 2016

    Mit variabel intoniertem Grunzen können Kleingruppen weit kommen

    Hmm, meinste sowas? https://youtu.be/IaWVbim4MTs

  3. #3 rolak
    9. Februar 2016

    sowas?

    Nee, das ist ja schon wieder durch Sprache versaubeutelt, Jürgen, mehr sowas.

    Zugegeben, einerseits sind die beiden Szenarien prinzipiell so weit auseinander nicht und andrerseits ist das von Dir gewählte Sprachbeispiel eh nur ein verfeinertes AufputschGrunzen – doch es haben sich seit den ersten unschuldigen Melodien (gesetzt den Fall, sie waren nun tatsächlich eher) ja nicht nur die musikalischen, sondern neben den sprachlichen auch noch die denkerischen Fähigkeiten weiterentwickelt.

    Von letzterem braucht man nicht viel, um den konkreten Unterschied der Szenarien zu erkennen, man darf aber nur recht wenig (jenseits des Verblendeten) haben um bei den Knetbirnen mitgrölen zu können.

  4. #4 Alderamin
    10. Februar 2016

    @Jürgen

    Nicht nur Menschen sind musikalisch. Scheint wohl ein wesentlich älterer Teil des Gehirns im Spiel zu sein, als das Sprachzentrum. Der letzte gemeinsame Vorfahre von dem Burschen im Video und uns dürfte so ungefähr vor 250-300 Millionen Jahren gelebt haben… 😉

  5. […] Wie und ob Musik und Sprachentwicklung irgendwie miteinander zusammenhängen, erklärt Jürgen Schönstein auf Scienceblogs. […]