Nächsten Monat findet die Fussballeuropameisterschaft statt. Für diejenigen, die die letzten Monate unter einem Stein verbracht haben, muss ich wohl noch darauf hinweisen, dass sie gemeinsam von Österreich und der Schweiz durchgeführt wird.
Da alle im EM Fieber sind, kann das öffentlich-rechtliche Radio natürlich auch nicht zurückstehen und hat auf ihrer Website eine Serie “EM-Länder im Porträt” gestartet.
Von meinem Geld mitbezahlt werden da in ein paar Zeilen Klischees aneinander gereiht die in einem anderen Kontext bestenfalls als simplistisch, aber auch als viel schlimmeres ausgelegt werden könnten. Wie gut finden sich zum Beispiel meine Deutschen Leserinnen und Leser durch die folgenden Worte charakterisiert:
Die Deutschen [haben] den Ruf mit unbedingten Siegeswillen zu kämpfen und mit preussischen Tugenden zum Erfolg zu kommen: Fleiss, Disziplin, Mut, Ordnung, Wille.
Gänsehaut? Kann ich verstehen, es handelt sich nicht um einen Text aus den dreissiger Jahren. Diesen journalistischen Schwachsinn habe ich mitfinanziert.
Nebst “Deutschland: Mit preussischen Tugenden zum Ziel” ist bisher ebenfalls in der Serie erschienen:
- Schweden: Land der Gleichberechtigung
- Russland: Land der Widersprüche
- Türkei: Brücke in den Orient
- Kroatien: Fussball-Leidenschaft und Nationalstolz
- Frankreich: “Les Bleus” als Spiegel der Gesellschaft
- Griechenland: Die Wiege der europäischen Hochkultur
Klischees in Serie. Ich dachte immer man zahlt Konzessionsgebühren um die Ausführung eines öffentlichen Informationsauftrags mitzufinanzieren. Für nationale Vorurteile kann ich mich schliesslich auch einfach an den Stammtisch setzen (da gibt es immerhin noch ein Bier für mein Geld).
Ich befürchte das Problem hat noch eine weitere Ebene. Sportliche Länderwettkämpfe und -turniere provozieren genau solche Verkürzungen wie die obigen. ‘Wir’ gewinnen, weil ‘wir’ besser sind als ‘die anderen’, weil ‘wir’ dies oder das können und die ‘anderen’ eben nicht. Es ist naheliegend, dass dieses ‘Wir’ dann auch entsprechend definiert werden muss (normalerweise negativ via das ‘andere’). Eine völlige abstruse Logik, da es bestenfalls etwas mit Verbandsstrukturen zu tun hat, mit der Grösse des Personenpools auf den man zurückgreifen kann, mit Fördergeldern die investiert werden, ein wenig vielleicht auch mit der Sportkultur, etc. Es wird aber so getan als sei es sozusagen in unseren Genen. Die Nationalmannschaft zeigt mit einem Sieg die Überlegenheit der eignen ‘Ethnie’ und somit streichelt sie das nationale Ego (1).
Für alle die denken, sie können während solchen Anlässen einen sonst verpönten Nationalismus ausleben: Wenn X ein Tor schiesst, hat das nichts, aber auch gar nichts mit euren Fähigkeiten zu tun. Selbst wenn der Grund des Erfolgs dieser Person die Tatsache wäre, dass sie den selben Pass hat oder im gleichen Land geboren wurde, lässt das trotzdem keine Aussagen über einzelne andere mit dem gleichen Merkmal zu. Die Bedingung müsste nicht nur notwendig sein, sondern auch ausreichend. Eine etwas sehr hohe Hürde. Ein Sieg eurer Nationalmanschaft hat also soviel mit euch zu tun, wie ein Sieg jeder anderen Nationalmanschaft. Alle die selbe Spezie. Sorry.
(1) Interessant ist auch wie die sonst (zumindest hier in der Schweiz) als Problem wahregenommenen eingebürgerten, plötzlich zum eigenen Volksstamm gezählt werden. Der Mensch ist ein opportunistisches Wesen.
Kommentare (5)