1961 wurde an der Yale Universität eines der umstrittensten soziologischen Experimente überhaupt durchgeführt. Dies ging als das “Milgram-Experiment” in die Geschichte ein.

Für die die das Experiment nicht kennen: Stanley Milgram wollte verstehen, wie es möglich war, dass in Deutschland im Zweiten Weltkrieg von normalen Bürgern so viel Brutalität ausgehen konnte. Dazu bat er die Testpersonen (die das eigentliche Ziel des Experiments nicht kannten) eine weitere angebliche Testperson (in Tat und Wahrheit ein eingeweihter Schauspieler) auf Befehl mit ‘Stromschlägen’ zu traktieren (einen Beschrieb des Experiments auf Deutsch findet man hier). Die Testpersonen gingen erstaunlich weit. Es scheint als ob Menschen auf Befehl wenig Skrupel haben andere Menschen zu quälen (1).

Aber nun zum eigentlichen Grund für diesen Post: Ein Teilnehmer des Experiments blickt zurück (Englisch via) und erzählt wie er das Experiment erlebt hat. Es ist spannend diesen berühmten Versuch einmal von der anderen Seite her erzählt zu kriegen.

(1) Ich muss zugeben, dass es mir nach wie vor schwer fällt dieses Resultat zu akzeptieren. Von mir selber extrapolierend, kann ich mir nicht vorstellen, willentlich einem Fremden Leid zuzufügen.

Kommentare (5)

  1. #1 Andreas Kyriacou
    Mai 10, 2008

    Wirklich ein interessanter Insider-Bericht, auch wenn er wegen seiner 40-jährigen Verspätung wohl mit einer gewissen Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen ist.

    Was mich bei den unzähligen Berichten über die Milgram-Versuche immer wieder irritiert hat: Wieso wird fast ausschliesslich über die rund 2/3 geschrieben, die eben allen Anweisungen bis zuletzt folgten? Über deren Motivation, Hintergrund, Gefühlslage usw. wurde allerhand spekuliert.

    Was an den anderen 35% “besonders” war, fände ich die interessantere Forschungsfrage. Das Experiment ist inzwischen wohl fast zu bekannt, um es weiter in ähnlicher Form zu replizieren. Aber es wäre spannend zu wissen, welche Unterschiede mit bildgebenden Verfahren zwischen “Mitspielern” und “Verweigerern” entdeckt werden könnten.

  2. #2 Soziobloge
    Mai 10, 2008

    Was an den 35% so besonders war kann man auch nachlesen. Ist alles beschrieben.

  3. #3 Ulrich Berger
    Mai 11, 2008

    @ Andreas:
    Dass das Experiment inzwischen zu bekannt ist, ist nicht so das Problem bei einer etwaigen Replikation. Das Problem ist, dass inzwischen sowas wie Ethikkommissionen erfunden wurden.

  4. #4 Andreas Kyriacou
    Mai 11, 2008

    @Ulrich
    In nur leicht abgewandelter Version kommt das Experiment auch heute noch durch Ethikkommissionen. Jerry Burger führte vor zwei knapp Jahren Jahr eine Neuauflage durch. Anlass dazu waren die Misshandlungen von irakischen Gefangenen durch lächelnde US-Soldaten in Abu Ghraib. (Also eindeutig wieder der Fokus auf die Kollaborateure, nicht auf die Verweigerer).

    Einige Ansätze änderten Burger und sein Team jedoch, um eine Bewilligung zu erhalten. Sie stoppten das Experiment bei (angeblichen) 150 Volt, da der Grossteil der Teilnehmenden der Originalstudie, die bei diesem Punkt nicht Halt gemacht hatten, ohnehin den Anweisungen bis zum Ende folgten. Mittels eines Screening-Verfahrens schlossen sie zudem TeilnehmerInnen vorgängig aus, von denen angenommen werden musste, dass sie das Experiment zu sehr mitnehmen könnte. Ausserdem wurden die Teilnehmenden sofort nach Ende des Experiments darüber aufgeklärt, dass in Wirklichkeit keine Stromstösse verabreicht worden waren. Fast alles andere war aber so originalgetreu wie möglich, vom weissen Kittel bis zu den Hilfeschreien des “Lernenden” aus dem Nachbarraum.

    Quasi originalgetreu waren auch die Resultate: 65% der Männer und 73% der Frauen folgten den Anweisungen des Experten.

    Einen Vorabdruck des geplanten American Psychologist-Artikels hat Burger als .doc-Datei in Netz gestellt.

    Tja, und dann gab es leider auch noch “inoffizielle Replikationen”.

  5. #5 Monty
    März 18, 2017

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