Die Aseri sind in grosser Mehrheit Shiiten. Allgemein ist die Einstellung zur eigenen Religion hier sehr locker und ich habe den Eindruck, dass der Islam wenig politisiert ist aber ich kenne das Land zu wenig um wirklich urteilen zu können.
So sieht man in der Stadt kaum Kopftücher und dafür freizügig gekleidete Frauen. Es isst zwar kaum jemand Schweinefleisch, aber hat man unbändige Lust auf Speck (1), kann man auch solchen finden. Die meisten trinken Alkohol. Betreffend des Schweinefleisches sagt man mir immer, dass es ja im Islam verboten sei und es hier auch niemand wirklich mag. Ich vermute die Eigenschaften des Alkohols haben eine geschmackliche Angewöhnung an berauschende Getränke ermöglicht und der Verzicht auf Schweinefleisch scheint einfacher zu sein.
Gestern sass ich wieder einmal an mehreren Tafeln und jedes Mal wurde zur Genüge Wodka ausgeschenkt. Ritualisierte Trinksprüche en masse und immer wieder wurde das Glas nachgefüllt. Man entwickelt gewisse Strategien (zum Beispiel das Glas mit Wasser füllen wenn niemand schaut) um das halbwegs nüchtern zu überleben. Nun hat ein Georgier am Tische einen traditionellen georgischen Trinkspruch auf die Verstorbenen gehalten. Ein unerwarteter Fauxpas. Anscheinend ist man wegen des Alkoholverbotes im Islam nicht bereit ein Glas mit Alkohol auf die Verblichenen zu erheben. Betrinken ist ok, aber mit hochprozentigem auf Verstorbene anzustossen nicht. Diese Grenze des Pragmatismus ist eine wahrhaft seltsame Auslegung.
(1) Ich esse hier soviel Fleisch, dass ich von solchen Gelüsten für die Zeit meines Aufenthaltes geheilt bin.
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