Mit diesem Zitat wurde anderswo die Qualität der Blogs hier auf diesem Portal kritisiert. Eine Wissenschaftlerin, ein Wissenschaftler müsse auch schreiben können. In der Wissenschaft würde Fachchinesisch gepflegt um fehlende Substanz zu verschleiern und Fördergelder zu erschleichen. Ein paar Gedanken zur Bedeutung von Sprache in der Wissenschaft, deren Kommunikation und Wissenschaftsblogs.
Ich verlinke hier nicht auf den entsprechenden Post, da der Initiator der Debatte seine Unlust an einer weiteren Diskussion schon geäussert hat und ich ausserdem Kritik um der Kontroverse willen öde finde. Genau als dies erschien mir jedoch die ganze Debatte deren Niveau ziemlich rapide ziemlich tief sank.
Wie wichtig ist der Stil und die grammatikalische Korrektheit eines Textes in der Wissenschaft? Natürlich lese ich lieber gut geschriebene Texte. Selbstverständlich bevorzuge ich eine verständliche und geschliffene Sprache in Sachtexten. Aber ist dies eine Notwendigkeit für wissenschaftliches Arbeiten oder zumindest für wissenschaftliches Bloggen wie das Zitat im Titel dieses Eintrags suggeriert ?
Ich vermute, dass die Ansprüche von Themenbereich zu Themenbereich variieren. In meinem Fach (Internationale Beziehungen) wird nur gelesen und wahrgenommen, wer auf Englisch schreibt. Damit haben wohl sämtliche Forscher die eine andere Muttersprache als Englisch haben schon einmal einen gravierenden Nachteil beim Denken glaubt man dem Zitat im Titel. Stimmt also die Aussage, dann wird die Muttersprache zum Qualitätsmerkmal für die betriebene Forschung. Die Anglophone Welt wird sich freuen. Als Deutschschweizer bin ich zusätzlich benachteiligt. Meine Muttersprache existiert nämlich nicht als Schriftsprache. Vermutlich können wir deutschsprachigen Schweizer einfach nicht denken weil wir per Definition auch nicht richtig schreiben können.
Ein gute Wissenschaftskommunikation ist zweifelsohne auf die Beherrschung Sprache angewiesen, Wissenschaft aber in meinen Augen nicht, solange der Inhalt stimmt. Wenn eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler bloggt, wird sie oder er vielleicht nicht Wissenschaft als solche an eine möglichst grosse Gruppe an Laien vermitteln können, trotzdem kann ein Kreis von interessierten angesprochen werden um ein spezifisches Thema zu vermitteln. Das ist ganz im Sinne von Blogs wie ich finde, sind dies doch ein ideales Nischenmedium. Ein virtuos geschriebener Text mit perfekt gesetzten Kommata mag angenehm zu lesen sein, was aber in Wissenschaftsblogs schlussendlich zählt ist der Inhalt. Das gilt vermutlich sogar für die Germanistik selbst. Das Publikum wird genauso über den Inhalt gewonnen, wie es über die Sprache überzeugt werden kann. Ausserdem wozu sollen denn noch Wissenschaftsjournalisten bezahlt werden, wenn anscheinend sowieso jeder in der Forschung tätige wie Richard Dawkins schreiben können soll?
Der Vorwurf, dass Fachchinesisch benutzt wird um Inhaltslosigkeit zu verschleiern ist ebenso unfair (oder zumindest nicht zu ende gedacht). Es stimmt zwar, dass dies häufig vorkommt. So wie aber der Wissenschaftsbetrieb funktioniert, kann Fachsprache einmal als Taktik zum Erreichen einer Deadline helfen, ist aber keine nachhaltige Strategie. Solange die Kultur von Widerspruch und Kritik gepflegt wird, hat Geschwurbel keine Chance (ausser man hat sich ohne solches schon einen Namen gemacht aber auch dann taugt es nur temporär).
Mir ist immer bewusst, wenn ich von Schreibstil spreche, dass da durchaus eine Portion Geschmack mitspielt. Alles Geschriebene richtet sich an ein Publikum und schlussendlich ist es wohl dieses welches entscheidet. Wenn ein Text von niemandem niemals als gut befunden wird, ist er es wohl auch nicht. Es gibt viele die die Bildzeitung als ansprechend geschrieben empfinden und sich jedoch nie Thomas Mann antun würden. Ist jetzt eines gut geschrieben und das andere nicht? Wer bestimmt? Was als gut geschrieben gilt im Allgemeinen und in der Wissenschaft im Speziellen ist ausserdem stark kulturell geprägt. Ich bin in einem zweisprachigen Institut tätig und kann mit Sicherheit sagen, dass die Frankophonen sich mit den Englischsprachigen alles andere als einig sind was ein ‘gut geschriebener Text’ ist.
Denken mag eine Vorbedingung sein für gutes Schreiben, aber das heisst nicht, dass der Umkehrschluss ebenfalls korrekt ist. Wenn alles schlecht geschriebene auch schlecht gedacht ist, dann verschwende ich mit Fachliteratur meine Zeit, denn vermutlich weit über 90% ist in dieser Logik unbrauchbar. Seltsam, dass mir dies vorher nie aufgefallen ist.
P.S.: Alle Rechtschreibefehler in diesem Post sind frei erfunden und dürfen unter eine Creative Commons Lizenz weiterverbreitet werden. Alles andere sind Helvetismen und darum per Definition legitim.
Bildquelle: Wikimedia Commons
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