Nach der Wahl- stürzten sich gestern die Medien in die Analyseschlacht. Obamas Kampagne war besser organisiert. Acht Jahre Bush lasteten auf McCains Schultern. Sarah Palin war am Verlust vieler Stimme Schuld. Der eigentliche Absturz McCains kam mit der Finanzkrise. Welche dieser Aussagen ist nun korrekt?
Die Antwort: Wir wissen es nicht. Auch wenn die von den Medien ernannten Analysten, Experten, Berater, Beobachter und Kommentatoren alle Gewissheit vortäuschen. Wir können es nicht wissen, da es dafür sorgfältige Analysen und Datenauswertungen braucht und sowas macht man nicht in ein paar Stunden und schon gar nicht aus dem Bauch heraus. Auch die Exit Polls sind schnell zur Hand bieten aber nur einen groben Einblick und bringen durchaus ihre eigenen Probleme.
Beispiele gefällig?
Bei Cicero gefunden:
So wird Obamas Kampagne auch als erste erinnert werden, in der das Internet das Fernsehen als wahlentscheidendes Medium ablöste (…) Mit dieser neuen, dezentralen Organisations- und Mobilisierungslogik hat Obama die politische Landkarte der USA neu definiert. (…) die eigentlichen Grundlagen des Triumphes [dürfte] in einem tief greifenden demografischen Wandel zu erkennen sein, dessen Potential Obama als einziger Kandidat früh erkannte und konsequent zu nutzen verstand.
Anscheinend weiss man was ‘wahlentscheidend’ war und noch gewagter woran man sich ‘erinnern wird’. Ich frage mich woher dieses Wissen kommt, welche Daten untermauern diese Behauptungen? Ausserdem ist es vor allem mediale Superlative zu behaupten, dass die ‘poltische Landkarte der USA neu definiert’ worden sei (man kann die Karte anschauen oder den scatterplot bei Red State Blue State zu Punkt 5 bestaunen).
Auch der Schweizer öffentlich rechtliche ‘Nachrichten’-Sender schreibt die veränderte Landkarte ab ohne selber zu denken:
Frauen, Schwarze, Latinos, Junge und Erstwähler, die meisten von ihnen haben ihre Stimme dem Demokraten Barack Obama gegeben. Obama hat die Wahl-Landkarte verändert, da sind sich die Experten einig. Überraschenderweise konnte er auch in der traditionellen weissen Arbeiterschicht punkten.
Zudem widersprechen sich diese intuitiven Analysen auch noch häufig.
So findet Die Welt im Interview heraus, dass es gar nicht Barack Obamas Sieg war, sondern, dass jeder Demokrat diese Wahl gewonnen hätte. Natürlich hat die Finanzkrise diesen sicheren Sieg ebenfalls zum sicheren Sieg gemacht. Zugegeben, man kann der Welt vor allem die naive Frage “Warum hat Obama gewonnen” vorwerfen und nicht die Antwort.
Noch ein letztes Beispiel. Bei Focus findet man einen Remix der gleichen Aussagen:
Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit haben den Senator aus Illinois auf dem Weg vom politischen Nobody ins Weiße Haus entscheidend vorangebracht.
Dann listet Fokus fünf Gründe auf warum Obama gewonnen hätte: Die jungen Wähler, die Nichtwähler, Geld, seine ‘coolness’ und die ‘perfekt organisierte’ Wahlkampagne. ‘Fünf Vermutungen’ wäre wohl ehrlicher gewesen.
Es kann sein, dass einige dieser Argumente stimmen. Einige sollten jetzt schon als falsch gelten (zum Beispiel die angeblich so grundlegend veränderte Landkarte). Es kann auch sein, dass alle falsch sind. Ich störe mich daran, dass sie als Gewissheiten verbreitet werden um die mediale Leere zu füllen. Statt zu hinterfragen wird abgeschrieben. Alles noch bevor überhaupt die offiziellen Resultate veröffentlicht sind. Vermutungen müssen als solche gekennzeichnet werden sonst riskiert man Mythenbildung.
Was dafür ein wenig in Vergessenheit geriet war, dass die Umfragen ziemlich genau waren, allen Unkenrufe zum trotz. Das wird natürlich die meisten Berichterstatter nicht davon abhalten bei der nächsten Wahl wieder Umfragen zu zitieren und ins Feld zu führen, mit Aussagen die diese Umfragen nicht machen nur um sich dann kurz vorher doch noch abzusichern, indem man auf die angeblich notorische Ungenauigkeit dieser Umfragen hinweist. Diese armen Statistiker und Politikwissenschaftler: Missverstanden und verhöhnt.
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