“Deutschland erfasst Rezession“. Wie auf einer Checkliste werden momentan Länder abgehakt, die sich nun ‘offiziell in einer Rezession’ befänden. Es entsteht der Eindruck, dass eine Rezession etwas wie der kalendarische Winter ist: Genau definiert und abgegrenzt. Bei näherem Hinsehen ist aber alles nicht ganz so klar.
Da gibt es Wachstum. Wachstum definiert sich als Veränderung des Bruttoinlandproduktes (BIP, alles was innerhalb der Landesgrenzen produziert und gedienstleistet wird). Wachstum kann bei Ökonomen entgegen der landläufigen Bedeutung von ‘wachsen’ aber positiv oder negativ sein (vielleicht ist das gemeint, wenn in den Medien von ‘schrumpfendem Wachstum’ die Rede ist). Zudem sollte man nominales (also absolut) von realem (inflationsbereinigt) Wachstum unterscheiden.
Was ist aber nun eine Rezession. Ein kurzes überfliegen einer Liste mit ergoogelten Definitionen zeigt einem schnell, dass es nicht so einfach ist, wie die Schlagzeilen einem vorgaukeln. Grundsätzlich scheint man sich einig zu sein, dass eine Rezession etwas mit sich reduzierender (nicht identisch mit reduzierter!) wirtschaftlicher Aktivität zu tun hat. Wie stellt man aber eine solche fest? Eine der gängigsten Definitionen der Rezession ist ‘ein negatives Wachstum in mindestens zwei aufeinenanderfolgenden Quartalen’. Dies ist aber eher eine Faustregel als eine brauchbare Definition und bei Ökonomen nicht beliebt. Mit dieser Definition können Rezessionen zeitlich nur sehr ungenau abgegrenzt werden (quartalsweise eben) und viele andere Elemente werden nicht miteinbezogen (Arbeitslosigkeit, Konsumentenvertrauen, etc.).
Das National Bureau of Economic Research (NBER) definiert eine Rezession explizit nicht mit der vorherigen Faustregel sondern als:
[E]ine Rezession ist ein Signifikanter Rückgang wirtschaftlicher Aktivität über die ganze Wirtschaft, welche länger als wenige Monate dauert, im Normalfall nicht nur im BIP ersichtlich ist sondern auch bei Reallöhnen, Beschäftigung, industrieller Produktion und im Detailhandel.1
Dies ist nun natürlich wieder schwammiger als die zwei Quartale Definition. Konkret definiert das NBER eine Rezession als die Zeitspanne zwischen dem Höhepunkt einer Expansion und der Talsohle. Diese Einschätzung stützt sich zudem auf monatliche Zahlen. Eine Depression versucht das NBER gar nicht erst abzugrenzen. Gemäss dieser Definition schlitterte die USA zuletzt 2001 in einer Rezession ab. Gemäss der zwei Quartale Faustregel war das aber nicht der Fall, da ein positives Quartal zwei negative trennte.2
Trotz des Eindrucks der gemäss der Schlagzeilen der letzten Tage entstehen könnte ist Rezession keine klar definierte Grenze bei deren Überschreiten man schreien kann: “Rezession … jetzt!”. Trotz all des Aufhebens dass darum gemacht wird, eine Rezession ist schlussendlich eine willkürlich festgelegte Grenze und 0.1% Wachstum darüber oder darunter haben vermutlich vor allem psychologische Bedeutung ändern substanziell aber wenig.
1 Im Original: [A] recession is a significant decline in economic activity spread across the economy, lasting more than a few months, normally visible in real GDP, real income, employment, industrial production, and wholesale-retail sales.
2 Mehr Details findet man auch in den FAQ zum Thema bei NBER.
Kommentare (2)