Vor zwei Tagen habe ich in einem ‘Wort zum Sonntag‘ auf die Ironie hingewiesen, dass ein Treffen zum interreligiösen Dialog und Toleranz von Saudi Arabien geleitet wird. Nun hat sich noch ein zweiter Bock dazu gesellt, der sich als Gärtner beweisen möchte: George W. Bush (via).
Die Rede von Bush findet man in voller Länge hier. Ich kann mir ein paar Kommentare nicht verkneifen und es fällt mir schwer nicht all zu zynisch zu werden.
Faith has sustained me through the challenges and the joys of my Presidency. And faith will guide me for the rest of my days.
[Der Glaube hat mir Halt gegeben durch die Herausforderungen und Freuden meiner Präsidialzeit. Der Glaube wird mit auch für den Rest meines Lebens leiten.]
Ausserdem war es Gott der Bush gesagt hat, er solle den Irak und Afghanistan einnehmen.
We may profess different creeds and worship in different places, but our faith leads us to common values. We believe God calls us to love our neighbors, and to treat one another with compassion and respect. We believe God calls us to honor the dignity of all life, and to speak against cruelty and injustice. We believe God calls us to live in peace — and to oppose all those who use His name to justify violence and murder.
[Wir mögen verschieden Glaubensrichtungen angehören und an unterschiedlichen Orten beten aber unser Glaube führt uns zu gemeinsamen Werten. Wir glauben, dass Gott von uns will, dass wir unseren Nächsten lieben und dass wir uns mit Mitgefühl und Respekt behandeln sollen. Wir glauben, dass Gott will, dass wir die Würde allen Lebens Ehre erweisen, dass wir uns gegen Grausamkeit und Ungerechtigkeit wehren. Wir glauben, dass Gott will, dass wir in Frieden leben — dass wir uns gegen jene wehren, die seinen Namen benutzen um Gewalt und Mord zu rechtfertigen]
Genau da liegt doch das Problem. Andere glauben eben genau das Gegenteil zu wissen und halten dieses für die ultimative Gerechtigkeit. Manche glauben halt, dass Gott will, dass sie einen Krieg führen und dies sind nicht nur amerikanische Präsidenten (oder fanatische Mullahs). Auch britische Premierminister sind davor nicht gefeit. Das sie nicht auf höhere Order handeln kann ihnen natürlich niemand beweisen.
The First Amendment of our Constitution guarantees the “free exercise” of religion for all. And through the generations, our nation has helped defend the religious liberty of others — from liberating the concentration camps of Europe, to protecting Muslims in places like Kosovo, Afghanistan, and Iraq.
[Der erste Verfassungszusatz unserer Verfassung garantiert die freie Religionsausübung für alle. Über die Generationen hinweg hat unsere Nation mitgeholfen, die Religionsfreiheit anderer zu verteidigen — von der Befreiung der Konzentrationslager in Europa bis zum Beschützen der Muslime in Ländern wie Kosovo, Afghanistan und Irak.]
Ich bin mir sicher all jene Iraker und Afghanen die nach dem Einmarsch von Bushs Truppen Freunde und Familienmitglieder verloren haben werden sich über diesen Schutz gefreut haben. Könnte es sein, dass er ‘Muslime’ etwas eigenartig definiert? Es sei auch noch am Rande bemerkt, dass die Homosexuellen, die aus den Konzentrationslagern befreit wurden, wohl nur als ‘Kollateralbefreiung’ gelten müssen. Schliesslich muss die Toleranz ausserhalb der Religionen Grenzen kennen, insbesondere wenn diese Grenzen religiös begründet werden. Es hatte damals wenig mit Religionsfreiheit zu tun, aber den Zweiten Weltkrieg zu erwähnen ist immer gut, situiert es einem moralisch doch auf die richtigen Seite.
Democracies allow people with diverse views to discuss their differences and live in harmony.
[Demokratien erlauben Personen mit unterschiedlichen Ansichten, diese Differenzen zu diskutieren und in Harmonie zu leben.]
Ausser natürlich es ist gerade Wahlkampf. Dann pfeifen wir gerne auf die Harmonie und das Ausdikutieren von Differenzen und heizen die konservative Basis mit Kulturkampf-Rohfleisch an. So geschehen bei den Wahlen 2004 die Bush gewann.
The expansion of democracy also represents the most promising path to peace.
[Die Verbreitung der Demokratie ist der erfolgversprechendste Weg zum Frieden.]
Wenn man für deren Verbreitung einen Krieg anzetteln muss ist halt Pech.
I’ve seen faithful caregivers on the continent of Africa who take AIDS patients given up for dead and restore them to health.
[Ich habe Gläubige gesehen die auf dem afrikanischen Kontinent AIDS Patienten umsorgten und ihnen wieder auf die Beine halfen, die als tot aufgegeben wurden.]
Agbesehen davon, dass das nichts mit Glauben im religiösen Sinn zu tun hat (gleiches könnte man von einem Agnostiker sagen): Vielleicht wären viele gar nie infiziert worden ohne Bushs religiös motivierte Abstinenz-fokussierte Politik.
I appreciate every nation participating in today’s dialogue. Through dialogue we can draw closer to the day when our prayers for freedom and peace are answered — and every person on Earth enjoys the rights and dignity granted by an Almighty God.
[Ich schätze jede Nation die an diesem Dialog teilnimmt. Nur durch Dialog kommen wir dem Tag näher, an dem unsere Gebete für Freiheit und Frieden erhört werden — und jede Mensch auf dieser Erde die Rechte und Würde geniesst die ihm von einem Allmächtigen Gott gegeben wurden.]
Diese sehr enge und offensichtlich monotheistisch geprägte Sicht von Würde und Grundrechten wäre an und für sich schlimm genug. Was mich aber noch mehr ärgert, ist, dass Bush statt dafür zu beten das alles gut wird, lieber was dafür getan hätte. Politiker werden gewählt um zu führen, zu managen und Strategien zu entwickeln nicht um buchstäblich die Hände in den Schoss zu legen und zu warten bis was geschieht.
Zum Schluss möchte ich noch klarstellen, dass es mir nicht in erster Linie um Bush geht. Es soll auch nicht eine (allzu einfache) Kritik an der US Aussenpolitik generell und der letzten Jahre im Speziellen sein. Es geht mir um diese Heuchelei die ich typisch finde bei dieser Art ‘Dialog’. Religion wird als Lösung dargestellt für die Übel an denen sie eine Mitschuld trägt. Es sind nicht einmal die ‘Sofities’, welche gegen die ‘Missbraucher’ antreten. Nein, es sind diejeningen, die mit ihrer Frömmigkeit ihre Bigotterie rechtfertigen. Bushs Rede passt ausgezeichnet zu dem saudischen Vorsitz. Vielleicht haben sie tatsächlich mehr gemeinsam als sie dachten.
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