Die New York Times hat nach den Attacken in Mumbai lange die Verantwortlichen nicht als Terroristen bezeichnet sondern Begriffe wie ‘Militante’ (‘militants’) benutzt. Dies hat viele Reaktionen von erbosten Lesern ausgelöst und nun hat der Redakteur in einer Kolumne Stellung bezogen.

In seiner Kolumne rechtfertigt Clark Hoyt das Vorgehen der New York Times (via). Die Zeitung hätte den Akt durchaus als ‘terroristisch’ qualifiziert, aber für die Urheber nicht das Label ‘Terroristen’ benutzen wollen. Die Times nenne auch die Hamas nicht ‘terroristische Organisation’, weil diese neben terroristischen Akten eben auch eine politische Organisation mit vielen anderen Tätigkeiten sei. Dies ist eine wichtige und lobenswerte Reflexion. Zum Beispiel das öffentlich rechtliche Radio hier in der Schweiz, scheint sich solche Dinge gar nicht zu überlegen (eine Sprachregelung existiert zumindest nicht oder wird nicht durchgesetzt).

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Als Terroristen noch Hut und Perücke trugen (Porträt von Robespierre; Bildquelle: Wikicommons)

Häufig wenn ich hier zum Thema etwas schreibe, sehe ich mich mit einem ähnlichen Problem konfrontiert. ‘Terrorist’ ist ein extrem wertender Begriff. Viele politisch motivierte Verbrechen sind so abstossend und deren Motivation nicht nachvollziehbar, dass man versucht ist, solche Wertungen zu benutzen. Tut man es nicht, hat man das Gefühl, implizit die Akte zur rechtfertigen. Das Label ‘Terrorist’ zu benutzen ist einfach, wie auch in der Times Kolumne argumentiert wird, wenn ‘die ganze Welt mit einem einverstanden sei’. Manchmal ist es aber gut, eine gewisse Distanz zu waren selbst wenn man dies Neutralität selbst für übertrieben hält. Das Problem ist nämlich immer die Abgrenzung: Wann ist politische Gewalt Terrorismus?

Die UNO versuchte sich 2005 auf eine Definition zu einigen:

all jenen Handlungen um Terrorismus handelt, die die Absicht haben, den Tod oder schwere körperliche Schäden bei Zivilisten und nicht Kämpfenden herbeizuführen, mit dem Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation dazu zu zwingen, etwas zu tun oder zu unterlassen

Dieser Versuch scheiterte jedoch an der Palästina Frage, da einige Akteure eine Ausnahme für ‘Besetzte Gebiete’ verlangten, die den meisten (wohl zurecht) inakzeptabel erschien.

Trotz dem guten Ansatz wäre aber auch diese Definition wohl problematisch. Ich vermute die Probleme würden dann entstehen, wenn es um staatliche Akte1 geht (z.B. Israel verfolgt manchmal Strategien, die unter diese Definition fallen würden). Schliesst man aber staatliche Akte per Definition aus, bliebe wohl auch mehr als ein schaler Nachgeschmack übrig. Könnten dann Staaten tun und lassen was sie wollen? Auch die Ziele sind nicht so einfach einzugrenzen. Hätten die Anschläge vom 11. September 2001 nur auf das Pentagon gezielt, wäre es dann kein Terrorismus gewesen und die Zivilisten in den Flugzeugen sozusagen Kollateralschaden?

Diese ganzen Definitionsprobleme zeigen in meinen Augen in erster Linie eines: Terrorist ist vor allem eine politisch motivierte Qualifikation und nicht ein juristischer Begriff. Genau deswegen versuche ich den Begriff zu vermeiden. Leider findet man den wertenden Ausdruck immer häufiger nicht nur auf der politischen Agenda, sondern auch in den Gesetzbüchern. Warum Mord, Kriegsverbrechen oder was auch immer, anders sein sollen, nur weil sie mit ‘Terrorismus’ etikettiert sind, fand ich noch nie sehr einleuchtend. Eigentlich ist es abstossend, dass solche Greultaten für politische Zwecke missbraucht werden.

1Die erste Verwendung des Begriffs war ‘staatlich’. Sie findet sich während der französischen Revolution und bezeichnete ‘Staatsakte’, da es um Robespierre und Konsorten ging (la terreur).

Kommentare (6)

  1. #1 Martin
    Dezember 15, 2008

    Das Label ‘Terrorist’ zu benutzen ist einfach, wie auch in der Times Kolumne argumentiert wird, wenn ‘die ganze Welt mit einem einverstanden sei’.

    Huh? Das habe ich anders in Erinnerung. Tatsächlich steht da:

    His memo said it was easy to call certain egregious acts terrorism “and have the whole world agree with you.”

    Ein kleiner aber feiner Unterschied. Es ist ja gerade das Thema, dass Grenzfälle zu leichtfertig Terroristen genannt werden, nicht umgekehrt.

    Nicht untergehen sollte hier auch, dass die Times schließlich die Täter Terroristen genannt hat, denn “we jointly decided we didn’t need to be throwing the word around flagrantly, but we didn’t need to run away from it, either”.

    Eigentlich ist es abstossend, dass solche Greultaten für politische Zwecke missbraucht werden.

    Verstehe ich das richtig: Du findest es abstoßend (ein großes Wort), dass politisch motivierte Massenmorde als solche qualifiziert werden und politische Reaktionen nach sich ziehen?

  2. #2 yam
    Dezember 15, 2008

    klar ist es abstossend, dass “terroristische akte” für politische zwecke missbraucht werden (oder missbraucht werden müssen).
    gibt es eigentlich nicht schon eine definition von terrorismus?
    wars ncith so, dass es gewaltsame aktionen gegen institutionen oder personen waren, mit dem ziel eine veränderung herbei zurufen?
    und ging damit nicht einher, dass die definitionsmacht über das, was als terrorismus bezeichnet wurde, der jeweils “andere” hatte?
    also im zweifel die herrschenden?

  3. #3 ali
    Dezember 16, 2008

    @Martin
    Zum ersten Punkt: Da habe ich tatsächlich ungenau gelesen respektive zitiert. Mea Culpa. Ich glaube aber (um nachträglich die Ungenauigkeit halbwegs zu rechtfertigen 😉 ), dass beide Aussagen korrekt sind, da das zugrunde liegende Problem eben ist, dass der Begriff einerseits unscharf und anderseits stark emotionalisiert ist.

    Verstehe ich das richtig: Du findest es abstoßend (ein großes Wort), dass politisch motivierte Massenmorde als solche qualifiziert werden und politische Reaktionen nach sich ziehen?

    Nein, das meine ich natürlich nicht (ich hoffe mal soviel Menschlichkeit traust du mir zu). Ich finde es abstossend wenn solche Massenmorde für politische Ziele missbraucht und instrumentalisiert werden (z.B. um Kriege zu rechtfertigen, um andere Menschen zu dehumanisieren, um zu foltern etc.). Genau das passiert häufig. Unter diesem Umständen finde ich das ‘grosse Wort’ durchaus treffend. Das wird leider zu selten gesagt, weil eben schnell der Verdacht geäussert wird, dass man solche Akte irgendwie gutheisse oder zumindest nicht verurteile (das alte entweder ‘für’ oder ‘gegen uns’, Grautöne verboten).

    @yam
    Definitionen gibt es vermutlich hunderte (eine davon ist im Eintrag zitiert).

  4. #4 Karl Mistelberger
    Dezember 16, 2008

    Wenn mit Terror Politik gemacht wird handelt es sich immer noch um Terror.

  5. #5 Ronny
    Dezember 16, 2008

    Ein Terrorist ist für mich jemand, der GEZIELT auf Unschuldige und Unbeteilige losgeht um seine Ansichten zu verbreiten.

    Mir fällt aber auch immer folgendes Zitat ein: Krieg ist Terror der Starken und Terror ist Krieg der Schwachen. Es läuft beides auf Konflikt, Tod und Verderben raus. Ich will Terroristen nicht gutheißen, aber was bleibt jemandem übrig der militärisch keine Chance hat. Der Krieg gegen den Terror hat sicher mehr Menschleben gefordert als der Terror selbst.

    Oft gibt es aber auch einen ‘Bias’, d.h. eine gewisse Tendenz ist fix zementiert. In den USA ist alles was gegen die USA ist als Terror bezeichnet. Bei uns Ösis mit der etwas unrühmlichen Vergangenheit wird alles was rechts ist sofort als rechtsradikal bezeichnet, während für linke Gruppen Worte wie Autonome, Rebellen, Kommunisten, Freiheitskämpfer usw. verwendet werden. Vielleicht wollte die Zeitung in den USA hier nur aus dieser USA Fixierung ausbrechen.

  6. #6 Jane
    Dezember 16, 2008

    Tatsächlich tue ich mich immer schwer damit von Terrorismus zu sprechen, wenn militärische Einrichtungen angegriffen werden. Nicht weil so etwas moralisch besser sein muss, aber Terrorismus impliziert für mich immer gezielte Angriffe auf Nicht-Kombatanten, auch wenn diese wichtige Funktionen haben (Richter, Politiker). Gezielte Angriffe auf Zivilisten/ völlig Unbeteiligte natürlich sowieso. Die berühmten “Kollateralschäden” würde ich auch nicht unter Terrorismus einordnen, denn die erfolgen nicht absichtlich. Was natürlich nicht heißt, dass das die ganze Sache besser macht.