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Heute wurde bei Neurons eine Studie zur Deutschen Politik im Netz verlinkt. Darin wird viel über den US Wahlkampf geschrieben, der durch Obamas Team ins Internet getragen wurde wie von noch niemandem vorher. Ein guter Anlass zu fragen, wie es in der Schweiz um die Politik 2.0 steht.

Eigentlich wären die Voraussetzungen gut. Der Etat vieler Parteien und Gruppierungen reicht nicht aus um alle Abstimmungskämpfe so zu führen, wie sie gerne möchten. Es gibt in der Regel vier davon im Jahr, normalwerweise mit mehreren Themen. Man hat mir (vor ein paar Jahren) einmal gesagt, dass es für eine richtig geführte Kampagne (also nur ein Thema) etwa ein Mililion sein sollte (650’000€). Ideale Voraussetzungen also, Abstimmungskämpfe und das Geld sammeln ins Web zu verlegen. Für das Jahr 2008 sagte der Economist auch 2007 voraus, dass man mehr und mehr Schweizer Politik im Netz finden würde. Wie das so ist mit Voraussagen, war das nur beschränkt korrekt.

Der recht Volkstribun und Ex-Justizminister Christoph Blocher hat das Netz durchaus schon für seine Zwecke benutzt mit der Website teleblocher auf der er in regelmässigen Abständen seine in der Regel intellektuell nicht sehr inspierenden aber dafür leicht verständlichen Ansichten zum Besten gab und die traditionellen Medien hinterher hecheln liess. Wir haben auch einen bloggenden Minister (und im Schweizer System gibt es nur sieben Ministerposten), der uns sogar am letzten Blogcamp mit seiner Teilnahme die Ehre machte und übrigens im Gegensatz zum vorherigen Beispiel durchaus lesens- und bedenkenswertes schreibt. Es gibt durchaus ein paar bloggende Parlamentarierinnnen und Parlamentarier. Die Parteien haben alle ihre Webpräsenz. Aber das meiste wirkt mehr nach Pflichtübung als nach Begeisterung für die neuen Kommunikationsmittel.

Nun warum ist die Schweiz kein Biotop für Politik im Netz? Vermutlich ist die Mehrsprachigkeit nicht gerade förderlich einen gesamtschweizerischen Dialog zu schaffen. Eine gewisse Trägheit die dem politischen System innewohnt schafft wohl auch eine gewisse Verzögerung. Die starke Dezentralisierung der Politik und der extrem regionale Charakter wenn es um personelles geht, ist einem nationalen Forum ebenfalls nicht dienlich.

Doch eine Frage bleibt: Warum werden nicht mehr Sachthemen im Netz beworben und diskutiert? Einige Antworten die ich vorhin schon gegeben habe, gelten wohl auch hier. Vor allem die Sprachgrenze hat bestimmt auch hier einen bremsenden Effekt. Gleichzeitig gibt es eine kleine aber lebendige Politblogger-Szene.

Besonders freut mich, dass für die kommende Abstimmung zur Erweiterung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU1 sich nun eine überparteiliche Blogger-Bewegung formiert hat.2 Das ganze läuft unter dem Titel “Bloggen für die Bilateralen“. Bis zur Abstimmung werden täglich ein bis zwei Beiträge zum Thema in verschiedenen Sprachen erscheinen, auf den individuellen Blogs und werden auch auf der entsprechenden Website stehen. Als bekennender Europäer, da ich mich akademisch auch schon mit dem Schweizer Verhältnis zur EU auseinandergesetzt habe und aus diversen wonkischen3 Gründen, darf zoon politikon bei dieser Aktion natürlich nicht fehlen. Ich werde voraussichtlich am 2. Februar etwas politikwissenschaftliches und meine Schlussfolgerungen daraus zum Besten geben. Es tut sich also was in der eidgenössischen Webpolitik und ich vermute, dass in Zukunft vermehrt Abstimmungen im Netz gewonnen und verloren werden. Lasst uns einfach noch ein bisschen Zeit.

1 Ich verschone euch mal mit den Details zur Vorlage, da ich noch darüber schreiben werde, nicht zuletzt da ich ebenfalls an dieser “Bloggen für die Bilateralen” Kampagne teilnehme.
2 Die Aktion wurde übrigens von Andreas Kyriacou, der hier ein treuer Kommentator ist und dessen Blog auch bei mir auf der Blogroll steht, initiiert. Besten Dank hier auch an ihn und Michael Jäger, den ich zwar nicht persönlich kenne, der aber auch bloggt und sich um die Website gekümmert hat. Herzlichen Dank an beide für ihren Einsatz.
3 Sollte irgendwer mal eine gute Übersetzung für das Englische Wort ‘Wonk’ haben, lasst es mich bitte wissen!

Kommentare (4)

  1. #1 student_b
    Januar 21, 2009

    Gute Sache das.

    Nur, ist es nicht etwas spät?

    Ich persönlich habe schon abgestimmt, die Aktion käme für mich also zu spät. 😉

  2. #2 ali
    Januar 21, 2009

    Da musst du dich bei Andreas beklagen, dass ihn die Muse so spät geküsst hat 😉

    Ich mach mir mal wegen deinem Abstimmungsverhalten keine Sorgen (oder sollte ich?).

  3. #3 Andreas Kyriacou
    Januar 21, 2009

    @student_b
    Also schuld an der Verspätung hat ja eigentlich der Vorzeige-Réduit-Bewohner Lukas Reimann.

    Nur weil der sein dabei-bleiben.ch-Plagiat so spät aufschaltete, konnte die Jungfreisinnige – na was wohl? – Juristin Lena Schneller ihre Klage gegen ihn erst auch spät lostreten. Damit konnte auch ich mich erst vor gut zwei Wochen darüber aufregen, dass man auf die Gegner mit Klagen statt mit Argumenten reagiert und in einer Blogdebatte (tippfehlerbereinigt) fordern:

    Wir müssen unsere Argumente nach aussen tragen. Also müssen wir uns in erster Linie um unsere eigenen Web- und sonstigen Auftritte kümmern, nicht um die der anderen.

    Kurz nach dem Versenden dieses Kommentars ahnte ich, dass das nun wohl in Arbeit ausarten könnte. So ging das.

  4. #4 Tina
    April 21, 2012

    eine wirkliche demokratie gibt es nur im netz. deshalb ist esauch nur eine frage der zeit, bis sich das www auch für wahlen, pr und umfragen vollständig etablieren wird.