Von meinem Einführungsseminar für die Politikwissenschaften ist mir nicht viel geblieben (es ist nun auch schon einige Jahre her). Ich erinnere mich jedoch sehr gut an eine Übung mit der das Seminar eröffnet wurde und es ist eine Lektion die man nicht genug betonen kann.
Der Assistent, der das Seminar unterrichtete, schrieb ein paar Korrelationen an die Wandtafel. Korrelationen wie
- Gemässigter Alkoholkonsum in der Schwangerschaft korreliert negativ mit dem später gemessenen IQ des Kindes.
- Reiche US Bundesstaaten wählen republikanisch
- Kinder die Margarine konsumieren haben einen höheren IQ
- Eine intakte Familiensituation korreliert positiv mit schulischen Leistungen eins Kindes
Nun wurden wir gebeten, mögliche Begründungen für diese Aussagen vorzubringen, was wir natürlich gewissenhaft taten. Ist ja auch nicht so schwer. Stolz, die Welt erklärt zu haben, kam dann aber die Enttäuschung: Die Korrelationen sind umgekehrt (oder im letzten Fall nicht vorhanden). Trotzdem kann man plausible Begründungen dafür finden und ist versucht, nicht mehr weiter nachzufragen.
Ich fühlte mich an diese Lektion erinnert, bei der Diskussion die Tobias auf Weitergen losgetreten hatte. Er stellte die Anzahl Publikationen in der online Datenbank gopubmed.org für mehrere Länder in der Region zusammen und stellte die Frage:
Welche politischen oder kulturellen Gründe sind es, die zu einem Versagen der Länder des Mittleren Osten im Bereich der Wissenschaft führen, mit Ausnahme Israels?
Soweit so gut. Was nun aber in den Kommentaren losgetreten wurde, bereitet mir Kopfschmerzen. Die These lautete nun plötzlich, dass die Ursache im Islam zu suchen sei. Verschiedene Behauptungen wurden aufgestellt warum genau (Säkularisierung, der Koran der ‘Wissen vorgibt’, der Islam der den Anschluss an die Moderne nicht geschafft hätte und daher ‘rückständig’ sei). Mein Damen und Herren, ich weiss, dass Vertreter der ‘harten’ Wissenschaften häufig etwas auf die ein bisschen ‘schwammigeren’ Sozialwissenschaften herunterblicken, aber lasst mich das mal festhalten: So arbeiten wir in den Sozialwissenschaften nicht!
Die Diskussion bei Weitergen ist leider versandet, da sich anscheinend die meisten lieber mit der Verbreitung von Klischees begnügen, sich aber nicht wirklich mit den Details auseinandersetzen wollen (man hat ironischerweise in dieser Diskussion mir vorgeworfen nur mit Rhetorik zu hantieren).
Der Verdacht ist gross, dass hier Fakten selektiv herausgepickt wurden, die das eigene Vorurteil bestätigten. Ich habe vermehrt auf das ‘methodisch’ schwache Fundament der obigen solchen Behauptung verwiesen in der Diskussion. Das ist aber zentral, weil dies macht solche Behauptungen nachvollziebar. Weil nicht alles auf eine Formel heruntergebracht werden kann ist Nachvollziebarkeit der einzige Anker für die Debatte.
Ich möchte hier nicht die ganze Diskussion wieder aufrollen aber ein paar allgemeine Festellungen machen:
- Korrelation ist nicht gleich Kausalität. Es ist zwar schon fast ein Klischee, aber es muss immer wieder betont werden. Wer eine Kausalität sieht soll diese auch belegen und sie nicht einfach mit einer Korrelation rechtfertigen. Zumindest ein plausibler Mechanismus sollte vorgeschlagen werden.
- Es gibt andere Variablen die ebenso betrachtet werden müssen. Man kann sich nicht einfach die erstbeste raussuchen und trara! Hier habe ich meine Erklärung!
- Man braucht eine Art Kontrollgruppe (‘christliche’ Länder, ‘islamische’ Länder ausserhalb der Region, verschiedene Entwicklunsstandards, etc.).
- Die Auswahl der Fälle ist höchst selektiv. Israel gibt vermutlich mehr Geld für seine Rüstung aus als die erwähnten Staaten. Können wir nun daraus schliessen, dass der Islam im Gegensatz zum Judentum kleinere, billigere Armeen begünstigt?
- Wenn man Dinge zusammenfasst und vereinfacht und daran führt häufig kein Weg vorbei, dann muss man genau sein in seinen Definition und Begründungen. Was versteht man unter ‘der Islam’ (Sufis, Sunniten, Shiiten, Wahbiten, etc.)? Was ist das gemeinsame abgesehen vom Label? Nur weil man meint zu gefühlsmässig zu wissen was es ist, macht das das Resultat nicht nachvollziehbar.
Statt die Diskussion weiterzuführen, hat nun einer der Diskutierenden und Blogger bei Chronologs (Yoav Sapir von un/zugehörig), einen langen Eintrag geschrieben, in dem er wieder mit den gleiche Fehlern hausieren geht. Leider entsprechen solche Verallgemeinerungen im Bezug auf den Islam durchaus dem Zeitgeist. Es ist frappant, wie im Artikel selbtst, die Widersprüche zu Tage treten. Yoav sagt was er nicht will mit seinem Posting und tut dann weiter unten genau dies trotzdem. Koranzitate mit anschliessend (rhetorischen) Fragen sind nunmal keine Argumente (auch wenn man auf viele unreflektierte Mitnicker bauen kann). Die gleiche Übung könnte man problemlos mit der Bibel machen.
Nichts liegt mir ferner, als den Islam zu verteidigen. Ich finde das meiste dieser Religion ebenso irrelevant oder gar lächerlich, wie das meiste aller anderer Religionen. Ich wehre mich hier gegen das Bild, dass von Anhänger von diversen Sekten gepflegt wird: Die tiefe Überzeugung, dass ihre Religion den anderen irgendwie überlegen ist. Das Problem liegt aber im Konzept selbst. Baufällig bleibt baufällig, ganz egal welche Farbe die Fassade des Hauses hat. Jeder, der sich selber zu einer der unzähligen existierende Sekten zählt, muss sich immer genau fragen, ob er vielleicht nicht befangen ist bei solchen Fragen. Leider werden aber in meinen Augen viel zu wenige Gläubige angehalten, genau dies zu tun.
Aber um wider zur Diskussion zurückzukehren: Yoav insistierte in der Diskussion bei Weitergen, dass er mit Libanon eine Art Kontrollfall hätte, da dieser fast zur Hälfte ‘christlich’ geprägt sei und entsprechend einen höheren Paper Austoss pro Kopf aufweist.
Die andere Aspekte, die du vorgeschlagen hast, haben sich am Testcase “Libanon” als irrelevant erwiesen
Zufälligerweise ist Tobias ein Fehler unterlaufen und es hat sich herausgestellt, dass der Libanon schlechter dasteht, als ursprünglich angegeben und hinter zwei Golfstaaten zu liegen kommt. Nun wäre es doch nicht mehr als konsequent zu sagen, dass der ‘Testfall’ nun eben bestätigt, dass man falsch lag und man die These nochmals überdenken sollte. Ich wartete vergebens auf eine Antwort. Der Libanon war so gesehen wohl tatsächlich ein Testfall. Einer mit dem getestet wurde, wie ernst die Behauptung das Thema ‘wissenschaftlich’ zu diskutieren wirklch war.
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