Am 24. Dezember 2008 ist Samuel P. Huntington im Alter von 81 Jahren verstorben. Es gibt wenige Politikwissenschaftler, denen nach ihrem Tod soviele Nachrufe in den Zeitungen gewidmet werden. Die meisten, die nun nach Huntingtons Tod geschrieben wurden, werden aber seinem Lebenswerk kaum gerecht.
Bildquelle: World Economic Forum/Photo by Peter Lauth (via wiki commons).
Man liest vor allem über eines in diesen Artikeln über Huntington: Der Zusammenprall der Zivilisationen. Huntingtion mochte die Provokation, nicht um ihrer selbst willen, sondern weil er den Diskurs und das Schleifen am Argument genoss. Leider ist sein ‘Zusammenprall’ eine seiner schwächeren Thesen wie ich finde. Es scheint mir fast ein bisschen ungerecht, dass er nun für diese erinnert werden soll. Seine ‘Zivilisationen’ scheinen viel zu willkürlich ja fast wirr definiert zu sein um sozusagen als praktisch naturgegeben und unveränderlich zu gelten. Meistens sind sich schliesslich Angehörige dieser Zivilisationen nicht zu schade, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Zu behaupten diese ‘Blöcke’ stellen die neuen Konfliktlinien dar, birgt vor allem das Risiko einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Aber selbst die Zusammenprall-These war nicht ganz deplatziert. Als in den 90er Jahren vom “Ende der Geschichte” und einer neuen, von der UN angeführten Weltordnung geträumt wurde, übernahm Huntington die Rolle des Pessimisten und warnte davor, dass der Ost-West Konflikt von einem anderen abgelöst werden wird (auch wenn er in meinen Augen diesen Konflikt falsch voraussagte).
Huntington hat aber zu anderen Themen einflussreiche Texte geschrieben. Sein erstes kontroverses Buch war zur zivilen Kontrolle von Streitkräften und gilt heute als Klassiker in den USA (The Soldier and the State: The Theory and Politics of Civil-Military Relations 1957). Er rüttelte später an der Gewissheit vieler, dass freie Märkte, Pluralismus und Demokratie Hand in Hand gehen müssen. Persönlich kam ich vor allem mit seinen Gedanken zur ‘dritten Demokratisierungswelle’ in Kontakt, in denen er über die Transition von Autoritarismus zu Demokratie schrieb (The Third Wave – Democratization in the late 20th century 1991). Man mag mit vielem nicht einverstanden sein, trotzdem gibt Huntington Denkanstösse, die zweifelsohne mehr taugen, als der ‘Zusammenprall’ oder seine letztes Buch zu den Hispanics in den USA, in dem er sich ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Huntington war auf jeden Fall mehr als ein zur Simplifizierung neigender Pessimist auch wenn die Zusammenprall-These so etwas nahe legen könnte. Er war ein Intellektueller, der den öffentlichen Diskurs mitprägte. Lebenslang ein Demokrat (gemeint ist die Partei) beriet er kurz die Administrationen Johnsons und Carters. Er schwamm gegen den Strom und lieferte so viele Denkanstösse. Schade, dass er für den schwächeren Teil seines Werkes in Erinnerung bleiben wird.
P.S.: Lesetipp: Der Nachruf, der mir bisher am besten gefiel, las ich im Economist: Huntington’s Clash
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