Endlich was los am World Economic Forum in Davos: Vorgestern verliess der Türkische Premierminister wutentbrannt eine Diskussion mit dem Präsidenten Israels Perez, weil ihm das Wort abgeschnitten wurde.
Das ganze ereignete sich am Ende der Diskussion, nachdem der Diskussionsleiter die Debatte schliessen wollte.
Man muss fairererweise festhalten, dass die Leitung der Diskussionsrunde offenbar nicht sehr gut war. Perez durfte gemäss NZZ tatsächlich lange sprechen, griff Erdogan auch an und dieser hatte zum Schluss, wie man im Video sieht, nur ‘eine Minute’ für eine Replik. Trotzdem muss ein Staatsmann da darüber stehen können und muss andere Formen des Protests finden, statt wie ein kleines Kind wütend aufzustehen und davon zu laufen.
Warum hat Erdogan so emotional reagiert? Da wäre bestimmt einmal der Druck der Strasse der aus der Wut auf Israel entstand. Dies ist für die Regierung der Türkei ein Problem, da sie im Gegensatz zu den meisten Staaten in der Region mit Israel gute Beziehungen pflegt (zugegebenermassen mit gelegentlichen Verstimmungen). Doch hat man im Clip nicht den Eindruck, dass es sich um eine eingeplante Theatervorstellung handelt.
Ich vermute, dass es auch Ausdruck einer persönlichen Frustration war, da die Türkei in den letzten Jahren sehr viel Energie in Vermittlertätigkeiten auf dem internationalen Parkett steckte. Eines der wichtigsten Projekte diesbezüglich waren Gespräche zwischen Syrien und Israel um die Golanhöhen. Der Krieg im Gaza war natürlich ein herber Rückschlag für diese Gespräche und ich vermute der türkische Premier war schlicht auch sauer deswegen. Erdogan fühlte sich wohl von einem wichtigen Partner (wirtschaftlich und millitärisch) betrogen, da Olmert noch letzten Dezember auf Besuch in der Türkei weilte und offensichtlich keine Signale zur bevorstehenden militärischen Aktion ausgesandt hat.
Nicht zu unterschätzen dürfte wohl auch die persönliche Kränkung gewesen sein, das Mikrofon ausgeschaltet gekriegt zu haben. Spitzenpolitiker wären nicht dort wo sie sind, hätten sie nicht eine gute Portion an Ego und häufig auch Narzissmus (schliesslich waren Gerhard Schröders Haare nicht gefärbt!). Sie verbringen ihre Zeit damit zu sprechen und andere zuhören zu lassen und zu bestimmen. Wer lässt sich da schon von einem einfachen Washington Post Journalisten das Wort verbieten?
Erdogan wurde zu Hause als Held begeistert empfangen nach diesem vermeintlich so deutlichen Signal. Doch aussenpolitisch hat er kaum etwas gewonnen. Die Vermittlerrolle der Türkei hat unter einem solchen Verhalten wohl eher gelitten. Er wirkt nun parteiischer und unkontrolliert. Auch als Verhandlungspartner werden sich nun viele an diese Episode erinnern, wenn sie Erdogan gegenüber sitzen. Da muss einiges an zerbrochenem Geschirr wieder zusammengeklebt werden. Diejenigen, die Erdogan bei seiner Heimkehr zujubelten, sind offensichtlich mehr an poltischer Symbolik interessiert, als an einer effektiven Politik in ihrem Interesse.
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