Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) hat einiges an Medienrummel verursacht mit der Ankündigung etwas gegen das ihr so lästigen Völkerrecht zu unternehmen. Eine Gelegenheit sich ein paar Gedanken zur Frage zu machen.

Vermutlich versucht die Partei vor allem von ihrer x-ten europapolitischen Niederlage abzulenken und neue Themen zu setzen.

Nun hat sie sich auf das ihr so verhasste Völkerrecht eingeschossen (vorsicht beim anklicken Sonnenbrille anziehen, dieser Link führt auf die in giftgrün gehaltene Seite der Schweizerischen Volkspartei). Was ist ihr Problem?

Stück für Stück gibt die Schweiz ihre Souveränität in der Gesetzgebung aus der Hand und lässt sich von fremden Vögten über internationale Verträge fremdes Recht aufzwingen. Die SVP fordert deshalb, zur Wiederherstellung der schweizerischen Souveränität, eine klare Definition des zu berücksichtigenden „zwingenden” Völkerrechts und den grundsätzlichen Vorrang von demokratisch legitimiertem Landesrecht.

Die Kernforderung ist also simpel. Wieder die SVP im O-Ton:

Unser demokratisch legitimiertes Landesrecht muss Vorrang vor dem sogenannten Völkerrecht (mit Ausnahme der zwingenden Normen) haben.

Warum nur diese Ausnahme für das zwingende Völkerrecht? Sollte das Schweizervolk nicht auch die Souveränität besitzen, einen Genozid zu begehen? Oder zumindest zu foltern? Soviel Inkonsequenz ist doch erstaunlich. Noch erstaunlicher ist aber, dass anscheinend einige etwas Mühe damit haben, was denn der Unterschied zwischen zwingendem und nicht zwingendem Völkerrecht ist. Sowas kann man, wenn man denn keine Einführungskurs in Völkerrecht besuchen möchte, übrigens auch auf Wikipedia erfahren. Da dies für die Schweizer Volkspartei ebenfalls zu schwierig ist, hier eine Kurzerklärung:

Zwingendes Völkerrecht, der sogennante Ius Cogens, wird als zwingend bezeichnet, weil es eben nicht durch Staatsverträge oder auf eigene Faust aufgehoben werden kann und bezieht sich meist auf Regeln wie die oben erwähnten: Folterverbot, Genozidverbot, Nichtangriffsgebot und so weiter.

Nicht-zwingendes Völkerrecht sind also internationale Regeln, die mit eben solchen Verträgen oder unilateralen Regelungen errichtet oder aufgehoben werden können. Das heisst also alle diese Regeln, existieren, weil man sie implizit oder explizit selber geschaffen oder anerkannt hat.

Die SVP verlangt also wohl das Recht, eingegangene Verpflichtungen einseitig zu ignorieren oder umzustossen. Das Äquivalent im nationalen Recht wäre in etwa zu verlangen, dass individuelle Freiheit über Verpflichtungen zu stehen hat, die man durch Verträge eingangen ist. Beim nächsten Besuch im Restaurant also bitte einfach Schlagfertig antworten: “Tut mir leid, ich kann Ihnen das soeben konsumierte Glas Wein leider nicht bezahlen, da dies ein zu einschneidender Eingriff in meine persönliche Freiheit wäre”.

Wieder einmal sehe ich nur zwei Erklärungen für eine so dummen Vorstoss: Entweder haben diese Leute keine Ahnung oder sie betreiben Stimmenfängerei. Wieder einmal muss ich befürchten, dass beides zutrifft.

Kommentare (14)

  1. #1 C.C.
    Februar 11, 2009

    oder aber…blocher versucht verzweifelt, von der abstimmungsschlappe abzulenken. siene schäfchen mit hilfe der “fremden vögte” erneut die reihen hinter sich zu schliessen. ein solcher versuch hat er auch heute gestartet. verzweiflungsakte?

  2. #2 Jörg Rings
    Februar 11, 2009

    Aus welchem Land kam Henry Dunant nochmal?

  3. #3 c.c.
    Februar 11, 2009

    Der Dunant kam vom Ausland! Man spricht im trübsinnigen Genf doch ausländisch. Weitweg von der Volkswirtschaft “Frohsinn”.

  4. #4 Anhaltiner
    Februar 12, 2009

    Ähm, Moment mal, das Argument kommt mir bekannt vor: In Karlsruhe klagt “Die Linke” und wohl noch ein par andere gegen den Soveränitätsverlust durch den Vertrag von Lissabon.

  5. #5 Andylee
    Februar 12, 2009

    So sehr ich die EU mag… es gibt zwischen Völkerrecht und dem Lissabonvertrag schon bedeutende Unterschiede, ja? 😉

  6. #6 Ronny
    Februar 12, 2009

    Als alter EU-Fan ärgert mich immer die ‘gierige’ Einstellung der Menschen, dass mir solche Gebilde doch gefälligst nur Vorteile bringen müssen. Dass ich mal meine eigenen Bedürfnisse ein bißchen zurückschraube um anderen mal unter die Arme zu greifen, das zählt nicht. Die anderen müssen mir schon helfen, ich selber mache aber nix und poche auf meine Rechte.

    So kommt es dann zu diesem ‘Ein-igeln’, wobei aber immer außer acht gelassen wird, dass wenn es Usus wäre sich gegenseitig zu helfen, auch man selbst profitiert.
    Seit der EU gibt es z.B. unter den Mitgliedern keinen Krieg mehr, wohingegen früher sich Deutsche, Engländer, Franzosen, Spanier usw. gegenseitig pausenlos gekloppt haben. Bei Russland/USA könnte man den Effekt noch auf die Angst vor Kernwaffen zurückführen, aber hier in Europa nicht wirklich.

    Bei all den Blödheiten die in der EU passieren und den unfähigen Wurschteln und Schnorreren die es leider gibt, darf man die Grundidee nicht vergessen und wenn man schon Kritik übt dann bitte gleich einen Vorschlag mitbringen der die EU weiterbringt. Und wenns mal einen Skandal gibt, dann den Skandal bekämpfen, nicht die Institution. Das ist wie wenn mir mein Wirt das Bier schlecht einschenkt und ich eine Sperre sämtlicher Gasthäuser in Österreich fordere.

    Puh, sorry, bischen offtopic, aber manchmal geht mir das ‘Blöde EU’ Geschrei schon tierisch auf den Wecker. Ich wollte nur mal die Gegenseite der ‘Blocherschen’ Panik beleuchten.

    Es ist schon ein seltsames Gefühl als ich voriges Jahr bei einer Reise durch Deutschland, Frankreich und Schweiz an die Schweizer Grenze kam und jemand meinen Pass sehen wollte und ich Geld wechseln musste. Irgendwie kam ich mir ins Mittelalter versetzt vor (sorry @Ali)

  7. #7 Jonas
    Februar 12, 2009

    Und wenn die Schweizer das “zwingende Völkerrecht” des z.B. Folterverbots brechen, wer will sie daran hindern? Die Gleichen, die das Folterverbot in China, im Sudan, in Saudi-Arabien oder meinet wegen auch in Guantanamo durchsetzen?
    Mit dem “nicht-zwingenden Völkerrecht” sieht es etwas anders aus, aber auch hier die Frage: Wer od. was will einen Staat daran hindern geschlossene Verträge einseitig aufzukündigen?

  8. #8 ali
    Februar 13, 2009

    @Anhaltiner
    Diese Klage ist vermutlich nicht wirklich vergleichbar. Ich vermute hier ist der Vorwurf, dass Deutschland seine Kompetenzen verletzt hat beim Abtreten von Souveränität (einfach mal so geraten).

    @Jonas
    Das halte ich für einen leidigen Vorwurf an das Völkerrecht. Ja, es gibt keine Durchesetzungsgewalt. Aber die grosse Mehrheit der Regeln werden eingehalten und befolgt. Vermutlich einfach wegen Prinzipien, Sanktionsdrohungen und vor allem gutem alten Gruppendruck. Ausserdem gehen Bemühungen wie der Internationale Strafgerichtshof ebenfalls in eine gute Richtung. Völkerrecht wird häufig auch von Nationalen Gerichten durchgesetzt, zudem gibt es viele internationale Gerichte (Strassbourg, Den Haag).

    Nur weil es Mörder gibt, heisst es nicht, dass deswegen ein Gesetz welches Mord untersagt deplatziert sei. Im internen Recht würde niemand so argumentieren.

  9. #9 Alexander Müller
    Februar 14, 2009

    Lieber Ali, vielleicht solltest du nicht nur internationale Beziehungen studieren sondern dir auch einmal ein Bild über die Politik im Inland verschaffen.

    In der Vergangenheit gab es diverse Volksinitiativen, welche von dir nahestehenden Kreisen in Frage gestellt wurden, da sie angeblich völkerrechtswidrig seien.

    Ein paar Beispiele: Verwahrungsinitiative, Minarett-Inititive, Einbürgerungsinitiative

    Zum Völkerrecht: Dieses gilt offenbar nur für jene Staaten, die sich daran halten wollen. Wie könnte man sonst Guantanamo, den Irakkrieg, den Afghanistan-Einsatz der NATO und der USA, die Scharia in islamischen Staaten und die schlechte Menschenrechtslage in China erklären? Inwiefern wurde die im Völkerrecht garantierte territoriale Souveränität Serbiens berücksichtigt als die Schweiz den von den UCK-Kämpfern einseitig ausgerufene Staat Kosovo anerkannt hat? Wieso soll die Intervention der Russen in Georgien völkerrechtswidrig sein, der Angriffskrieg der Nato im Kosovo von 1999 (Kosovokrieg) jedoch nicht?

    Aber was frage ich das jemand, der sich bereits eindeutig positioniert hat indem er die SVP als “rechtspopulistisch” bezeichnet hat?

    Meine persönliche Einschätzung ist folgende: Wir haben viel zuviele ehemalige Ausländer mit Schweizer Pass im Land. Die mögen vielleicht etwas von internationalen Beziehungen verstehen. Das Wesen der Demokratie unseres Landes haben sie aber vermutlich nicht begriffen.

  10. #10 Jonas
    Februar 14, 2009

    @ali: Die internationalen Gerichtshöfe sind zahnlose Tiger. Eine nationale Aufarbeitung (eigener) Völkerrechtsverstöße bleibt i.d.R. ein Wunschtraum. Falls dies doch passiert, dann zumeist nach einer Entmachtung der alten Regierung oder gar dem Zerfall des alten Staates. Allerdings ist dann kaum die Achtung des Völkerrechts der Antrieb, sondern es werden schlichtweg alte Rechnungen beglichen.
    Da es keine vernünftigen Sanktionen gibt, wird das Völkerrecht hauptsächlich in den Staaten beachtet, die die dortigen Normen als selbstverständlich ansehen: Die Schweiz würde auch ohne Konsenz über einen Genozidverbot keinen Genozid durchführen, anderswo stört das Verbot herzlich wenig.
    Im Moment ist das Völkerrecht so erfolgreich wie (um ihr Bild des Mörders aufzugreifen) ein Gesetz in Form des fünften Gebotes in einem Staat voller Aheisten. Nur würde der Möchtegernmoses das dann nicht als Erfolg verkaufen.

    Übrigens ist das Problem der Druchsetzung bei internem Recht selbstverständlich ein Thema.

  11. #11 Tobias
    Februar 14, 2009

    Meine persönliche Einschätzung ist folgende: Wir haben viel zuviele ehemalige Ausländer mit Schweizer Pass im Land. Die mögen vielleicht etwas von internationalen Beziehungen verstehen. Das Wesen der Demokratie unseres Landes haben sie aber vermutlich nicht begriffen.

    Würden Sie für mich ihre ausländerfeindliche Äußerung präzisieren? Was genau ist es im Wesen der Schweizer Demokratie, das hier nicht begriffen wird?

  12. #12 ali
    Februar 15, 2009

    @Alexander (das ‘Lieber’ lasse ich weg, ich für meinen Teil verzichte auf falsche Höflichkeit)

    Du drischst ja auf eine ganze Armee von Strohmännern ein. Ich habe nie gesagt, Guantanamo, die Unabhängigkeit Kosovos, der NATO Einsatz gegen Serbien, Menschrenechtslage in China oder im Sudan seien Völkerrechtskonform. Das ist aber genau diese Art zu argumentieren die ich hier immer wieder anprangere und die so typisch ist für die SVP. Fakten interessieren nämlich nicht, das einzige das interessiert ist das alle in auch schöne in die Schablone passen in die sie passen sollen.

    Aber ich finde es sprechend, dass die Messlatte Genozid und Folter sind um SVP Vorstösse zu rechtfertigen. Ich glaube besser kann man gar nicht illustrieren was mein Problem mit dieser Politik ist. Vielen Dank für deinen Einsatz diesbezüglich.

    Das Problem mit der Minarettinitiative, der Verwahrungsinitiative und vermutlich der Einbürgerungsinitiative ist nun mal dass sie anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen widersprechen. Das ist eine Tatsache. Wenn du damit ein Problem hast, dann wehre die gegen die entsprechenden Verträge und streite nicht einfach die Existenz dieser Realtät ab. Aber wir könne ja auch die Europäische Menschrenechtskonvention aufkünden. Wenn das die Werte sind wofür die SVP (und in ihren Augen die Schweiz) steht, dann wäre doch zumindest das ‘rechts’ als bestätigt. Ich möchte aber bitten, dass man diese Prinzipien bekämpft und nicht ständig jammert, dass dies nur ‘politische’ Argumente seien.

    Und nun noch zu deinem persönlichen Pöbeleien. Ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen, ich habe den Schweizer Pass, meine Muttersprache ist Schweizerdeutsch, ich habe noch nie in meinem Leben eine Abstimmung verpasst und mit grosser Wahrscheinlichkeit mich schon viel mehr für unser politisches System eingesetzt als die grosse Mehrheit der Bevölkerung. Was ist dein Problem? Hast du das Gefühl, dass mein Pass weniger Wert ist als deiner? Bin ich nur über meinen Namen und die Nationalität meiner Vorfahren definiert? Warum bin ich ein weniger ‘echter’ Schweizer wegen etwas wo ich keinen Einfluss darauf habe? Könnte es sein, dass du ein Herrenmenschen Problem hast?

    Vielleicht versucht du es mal mit Argumenten statt mit Strohmännern und persönlichen Angriffen. Dann können wir meinetwegen diskutieren. Solange aber so unsachlich und dumm argumentiert wird, erlaube ich mir auch die SVP als ‘rechtspopulistisch’ zu bezeichnen. Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, anderen einen Mangel an Differenziertheit vorzuwerfen. Glashaus… Steine….

  13. #13 Nico
    Februar 15, 2009

    “Meine persönliche Einschätzung ist folgende: Wir haben viel zuviele ehemalige Ausländer mit Schweizer Pass im Land.”
    Du meinst Schweizer mit dir nicht passender Nase.

  14. #14 Eidgenosse
    Schweiz
    Mai 16, 2014

    Schweizer kann jeder werden.
    Zum Glück kann nicht jeder Eidgenosse werden!!!