Im FAZ Blog Chaos as usual schreibt Thomas Strobel wie Kriege als Konjunkturprogramme benutzt würden. Düstere Aussichten könnte man meinen mit Blick auf die aktuelle Krise. Doch das Argument hat zwei Schönheitsfehler: Weder die Prämisse noch das Argument sind korrekt.
Diese Kausalität [dass der Krieg zu allen Zeiten ausgesprochen konjunkturbelebende Wirkungen hatte] mag einen vor den Kopf stoßen, aber die schlichte Wahrheit lautet: sie ist mittlerweile in etwas leichtfüßigerer Umschreibung zu einem verbalen Allgemeinplatz geworden; und das keineswegs an einem wie immer gearteten „Rand” der Debatte, sondern inmitten des mit hohen und höchsten Weihen der Konformität versehenen Mainstreams
Die Grundannahme, dass die Weltkriege sich positiv auf die Konjunktur auswirkten, halte ich für schlicht falsch. Gab es denn einen solchen Effekt, waren die Rüstungsprogramme und die spezielle Kriegswirtschaft die Ursache hierfür, nicht das gegenseitige Abschlachten. Es war das vom Staat ausgegebene Geld. Dieses wurde zwar mit dem Krieg im Auge verprasst, aber es hätte wohl die gleiche Wirkung erzielt ohne dass ganze Länder dem Erdboden gleichgemacht worden wären. Ich vermute dies ist was der zitierte Krugman meinte und nicht den Krieg per se.
Der eigentliche Krieg war ein Desaster für die Wirtschaft. Europa lag am Boden, die Infrastruktur war zerstört, die wirtschaftliche Entwicklung um Jahre zurückgeworfen. Der Marshallplan wurde unter anderem aus Sorge um die US Wirtschaft lanciert. Man ging davon aus, dass das in Ruinen liegende Europa als Markt nichts taugte. Niemand würde ernsthaft soviel Zerstörung als ‘Konjunkturprogramm’ bezeichnen.
Selbst wenn man diese Prämisse jedoch als korrekt akzeptierte, überzeugt das Argument nicht einmal Ansatzweise :
Einige der größten Denker unseres Zeitalters, exemplarisch sei Samuel Huntington und sein „Clash of Civilisations” herausgehoben, sahen die Welt der Jahrtausendwende in monströsen Konflikten versinken, und das wegen deutlich geringfügigerer Anlässe als einer globalen Depression epochalen Ausmaßes. Fügen wir den immensen Spannungen, die die Welt auch ohne Wirtschaftskrise seit Jahren und Jahrzehnten in Atem halten, die politischen Zwänge hinzu, die sich aus nationalen Notlagen ergeben könnten, dann dauert es womöglich nicht lange, bis wieder irgendwo ein „Führer” auf der Bildfläche erscheint, und für “sein” Volk „Lebensraum”, Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, oder was auch immer einfordert, koste es, was es wolle.
Huntingtons Clash-These hat hier wenig zur Sache auch wenn es gut klingen mag ihn bei jeder Gelegenheit zu erwähnen. Huntington argumentierte kulturell und nicht ökonomisch. Nur weil er Konflikte voraussagte, kann er hier nicht einfach zur Bestätigung einer Spekulation herangezogen werden (mal abgesehen davon, dass der Clash nie sehr überzeugend war). So bleibt nur ein argumentativer Knäuel, der nichts erhellt.
Es bleibt im Blogeintrag unklar, ob nun Krieg zur Aufrüstung führt oder umgekehrt. Ist ersteres die vorgeschlagenen Kausalität, würde das bedeuten, das die Politik einen Krieg anzettelt um aufrüsten zu können um ein Rüstungsprogramm zu starten. Scheint mir etwas umständlich um Geld in die Wirtschaft zu injizieren. Soll es andersrum sein (Rüstung führt zu Krieg) weiss ich nicht woher der Autor das nimmt. Mir sind keine Arbeiten bekannt, die zeigen würde, dass es einen Mechanismus gibt, der von einer Wirtschaftskrise zu Rüstungsprogrammen führt und diese dann zu Krieg (ganz abgesehen davon, kann der zweite Weltkrieg und die vorhergehnde Wirtschaftskrise als direkte Konsequenz des ersten Weltkrieges gesehen werden).
Globales Bruttoinlandprodukt für das 20. Jahrhundert (Quelle: Wikimedia)
Solche historische Analogien sind ohnehin häufig dünn. Trotz düsteren Aussichten für die Wirtschaft muss man doch auch feststellen, dass wir auf einem wesentlich höheren Niveau kriseln als je zuvor (siehe Grafik). Europa ist ist nicht durch Allianzen gespalten, sondern vielerorts kaum von einem einheitlichen Staat zu unterscheiden. Die Grossmächte und die Supermacht USA (ökonomisch und militärisch) sind mehrheitlich an Handel als an grossangelegten Konflikten interessiert. Man denkt an Absatzmärkten und spricht nicht von Lebensraum. Ein grosser Teil der Reichsten und mächtigsten Staaten haben ein demokratisch geprägtes System. Alles kaum vergleichbar mit den 30er Jahren.
Krieg als Konjunkturprogramm: Ein wirklich guter Aufmacher für einen Blogeintrag also, leider nur völlig an den Haaren herbeigezogen. Daran ändert auch das Zitieren von Nietzsche nichts.
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