In der Genfer Innenstadt hängen seit einer Weile überall Plakate, die (auf Französisch) zu einem Vortrag einladen und versprechen: ‘Geheilt werden durch Christus – Mit wissenschaftlicher Gewissheit’.
Hier bei Scienceblogs.de wurde ja schon viel gegen Quacksalberei und falsche medizinische Versprechen angeschrieben (ich wüsste gar nicht was von alle dem ich verlinken soll). Aus Anlass von dem eben erwähnten Plakat, welches mich nun seit ein paar Wochen an jeder zweiten Ecke nervt, ein paar Gedanken zu Religion und Heilung. Wie der zitierte Vortrag angepriesen wird, zeigt sehr gut auf, warum das nicht einfach so hingenommen werden sollte.
‘Alternativmedizin’ ist insofern transparenter, dass sie sich gegenüber der Medizin definiert, also den direkten Vergleich eigentlich fordert (davon wird dann freilich im Detail schnell wieder zurückgekrebst). Bei religiösen Heilsversprechen gelten nicht die gleichen Kriterien (da es sich nicht um ‘Medizin’ im eigentlichen Sinn handelt). Weder die ‘Einnahme’ oder ‘Applikation’ von dem was Heilung bringen soll, noch der genaue Effekt ist scharf definiert. Es gibt immer 100 Ausreden die bei Nicht-Erfolg angeführt werden können.
Dies hält aber niemanden davon ab, ‘wissenschaftlich’ als Label zu benutzen. Anscheinend vertraut man der Wissenschaft doch soweit, dass sie den Goldstandard darstellt (zum Beispiel der erwähnte Vortrag oben [Hirn festhalten beim schauen des Video-Clips] oder mit Aussagen wie “Gott ist Arzt“).
Mit Anekdoten und Plazebo wird dann systematisch ausgenutzt, was bei vielen ‘alternativen Behandlungsmethoden’ nur ein Nebeneffekt ist. Wer glaubt, dass Homöopathie einmal geholfen hat, glaubt dann vielleicht auch, dass ihr oder ihm ein anderer Voodo entgegen jeglicher Vernunft helfen könnte. Wird die Heilung aber religiös begründet, werden die häufig per Definition verzweifelten (was Kranke häufig sind) gleich zu 100% für die eigene Sache eingenommen. Man soll sein ganzes Leben auf die Retter-Religion ausrichten, sich in der Gemeinde engagieren, die neu gewonnene Religion weiterverbreiten, dankbar sein.
Es braucht also nur einmal einen Plazebo Effekt oder einen post hoc ergo propter hoc Logikfehler und ein ganzes Leben ist gekauft. Die Heilspropheten können kaum verlieren, sogar wenn keine Heilung eintrifft. Diesen Angeboten liegt meist implizit ein Gottesbild einer interventionistischen Gottheit zu Grunde, die beeinflusst werden kann durch unser Handeln (welche unsägliche Arroganz). So kann man die Schuld an einem Misserfolg dem Kranken geben den Erfolg aber immer dem Glauben zurechnen: Funktioniert es nicht, hat man sich nicht genug ‘Gott anvertraut’, die ‘Antwort noch nicht erhalten’ oder vielleicht versteht man die ‘unergründlichen Wege’ noch nicht.
Es soll hier noch am Rande erwähnt sein, dass diese Vereinnahmung neben der schlichten Indoktrination auch schwere Konsequenzen haben kann, für das soziale Umfeld, finanziell, psychologisch und ironischerweise gar für die Gesundheit.
Persönlich finde ich es unethisch Menschen für die eigene Sache zu rekrutieren in dem man ihnen Hoffnung auf Heilung macht. Der potentielle Psychoterror (sei es nun Dankbarkeit oder unzureichender Glaube) finde ich nicht weniger unanständig. Im Gegensatz zu Werbung mit Medikamenten schreitet da aber niemand ein. Die konfessionelle Neutralität endeckt man nur, wenn Atheisten relativ harmlose Werbeplakate schalten möchten. Vielleicht braucht es einen Warnhinweis?
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