Der UN Menschrechtsrat hat eine Resolution verabschiedet, die sich gegen die ‘Diffamierung’ von Religionen wendet. Zuvor haben sich über 200 religiöse und säkulare Organisation dagegen ausgesprochen, trotzdem wurde die Resolution mit 26 gegen 11 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen. Etwas Kontext und ein paar Gedanken dazu.
Zuerst die Hintergründe. Der Menschrechtsrat der UN ist die Nachfolgeorganisation der UN Menschrechtskommsision, die wegen ihrer Parteilichkeit und Einseitigkeit ins Kreuzfeuer der Kritik geriet (viele der üblichen Verdächtigen sassen selber in der Kommission). Mit grossem Trara wurde die Kommission durch den Rat ersetzt, der 2006 zum ersten mal zusammentrat.
Die aktuelle Resolution wurde von der Organisation der Konferenz Islamischer Staaten vorangetrieben und von Pakistan eingereicht. Den Text habe ich leider nicht gefunden, sondern nur das Pressecommuniqué des Rates:
On combating defamation of religions, the Council strongly deplored all acts of psychological and physical violence and assaults, and incitement thereto, against persons on the basis of their religion or belief, and such acts directed against their businesses, properties, cultural centres and places of worship, as well as targeting of holy sites, religious symbols and venerated personalities of all religions. The Council noted with deep concern the intensification of the overall campaign of defamation of religions and incitement to religious hatred in general, including the ethnic and religious profiling of Muslim minorities in the aftermath of the tragic events of 11 September 2001.
Interessant ist, dass die Resolution zwar allgemein gehalten sein soll, aber eindeutig nur der Islam und die Muslime speziell erwähnt werden. Ich vermute zwei Hauptmotivationen hinter der Resolution. Erstens möchte man dem Westen eines auswischen, weil diese Staaten den Eindruck haben vom Westen, insbesondere wenn es um Menschenrechte geht, von Oben herab behandelt zu werden. Man will sozusagen die Besserwisser mit ihren eigenen Waffen schlagen (einen Erfolg, den man diesen Staaten zugestehen muss). Zweitens ‘rechtfertigt’ die Resolution Blasphemie-Gesetze, die ihn vielen dieser Ländern noch existieren und durchgesetzt werden. Es steckt vermutlich einiges an Eigeninteresse und Heuchelei dahinter und wahrscheinlich viel weniger religiöse Empfindlichkeiten als man vermuten könnte. Es zementiert die Opferrolle die man kultivieren möchte. Diese Sicht hat durchaus einen wahren Kern, ist aber nur ein Teil der ganzen Geschichte und ebenfalls sehr selektiv wahrgenommen.
Inhaltlich ist die Resolution in meinen Augen völlig inakzeptabel. Im Gegensatz zu was im Communiqué suggeriert wird, geht es nicht einfach um ‘Profiling’ und physische Attacken, sondern um ein Verbot vom ‘Verletzen religiöser Gefühle’. Religionsfreiheit besteht aber darin, dass man frei in der Ausübung und Wahl seiner Religion sein soll, ein Postulat, welches ich sofort unterstütze. Wenn Individuen vor Diskriminierung geschützt werden sollen kann der Gesetzgeber durchaus aktiv werden. Nun schränkt aber eine Diffamierung die freie Religionsausübung nicht ein und deren Existenz liegt ausserdem wohl meistens im Auge des Betrachters (oder hier wohl ‘Beleidigten’).
Einmal mehr stellt sich die Frage ob eine Grenze überhaupt gezogen werden kann. Muss ich jetzt Geschichten von fliegenden Pferden, galaktischen Steuereintreibern wie Xenu (nein keine Erfindung von mir), jungfräulichen Geburten und Wiederauferstandenen akzeptieren? Das fliegende Spaghettimonster will geradezu erwähnt werden. Weil man keine klare Abgrenzung machen kann ist natürlich der Willkür Tür und Tor geöffnet und genau das sollen faire Gesetze eigentlich verhindern.
Menschenrechte sind Individualrechte und können nicht auf eine Religion ausgeweitet werden. Schon gar nicht sollen Gesetze für eine spezifische Gruppe oder Religion gemacht werden. Das spottet geradezu dem Gleichheitsgedanken. Ausserdem ist die Resolution schon daher nicht praktikabel, da die meisten Religionen sich gegenseitig sowieso ausschliessen und man schon da eine Verletzung von religiösen Gefühlen’ orten könnte.
Aber keine Sorgen, den Koffer müsst ihr noch nicht packen um auf den nächsten bewohnbaren Planeten auszuwandern. Die Resolution des Menschenrechtsrates ist nicht bindend und wird nicht die erste und wohl auch nicht die letzte sein, die weitgehend ignoriert werden wird. Ich hoffe, dass sie irgendwann auch in Vergessenheit gerät, irgendwann wenn die Welt wieder zu Sinnen kommt und nicht mehr meint einen Clash der Kulturen zu erleben.
Update
Wie via Twitter schon gemeldet, die Resolution findet man hier.
Stimmen dafür: Azerbaijan, Bangladesh, Kamerun, China, Kuba, Djibouti, Ägypten, Indonesien, Jordanien, Malaysia, Mali, Nicaragua, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Qatar, Russische Föderation, Saudi Arabien, Senegal, Südafrika, Sri Lanka.
Stimmen dagegen: Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Rumänien, Slowenien, Schweiz, Ukraine, Grossbritannien, Nordirland
Enthaltungen: Bolivien, Brasilien, Gabon, Ghana, Guatemala, Indien, Japan, Madagaskar, Mauritius, Mexiko, Peru, Korea, Uruguay, Sambia
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