In Georgien wurde heute ein Jahrestag begangen. Vor 20 Jahren wurde am 4. April 9. April ein Protest vor dem Regierungsbebäude gewaltsam von der Sowjet-Armee aufgelöst. Zwanzig Georgier kamen dabei ums Leben. Zu diesem Jahrestag wurde zu Demonstrationen gegen den jetztigen Präsidenten Saakaschwili aufgerufen.
Obwohl DIE ZEIT online dramatisch titelte, dass die Lage in Georgien ‘schnell eskalieren’ könnte (wo kann sie das nicht) und der Präsident bei den letzten Protesten hart durchgreifen liess, scheint alles mehr oder weniger friedlich über die Bühne gegangen zu sein. Das harte Durchgreifen bei den letzten Protesten vor dem Krieg mit Russland hat ihm international eine sehr schlechte Presse eingebracht. Nachdem wohl sowieso ein Gefühl vorherrscht, vom Westen sitzen gelassen worden zu sein, möchte man es sich wohl kaum noch mehr mit den vermeintlichen Alliierten verderben.
Nach der sogenannten Rosenrevolution im In- und Ausland noch als Star gefeiert, scheinen alle ernüchtert was den Präsidenten betrifft. Die Proteste heute haben relativ grosse Menschenmengen angezogen (aber nicht soviele wie von der Opposition angekündigt). Die frühere Parlamentssprecherin Nino Burdschanadse hat der Opposition nicht nur ein besseres Profil gegeben, sondern wohl auch besser politische Instinkte beschert. Ich habe mich schon immer gefragt, warum sie sich so lange mit der Nummer zwei zufrieden gegeben hat. Wir haben heute kaum zum letzten Mal von ihr gehört und vielleicht ist sie im rechten Moment abgesprungen.
Wie sehr sich die Haltung auch im Ausland geändert hat, sieht man schon an den heutigen Schlagzeilen. Obwohl von der Regierung abgestritten, titelt die NZZ “Oppositionelle in Georgien festgenommen” (im Beitrag wird zumindest das Regierungsdementi erwähnt). Auch die FAZ weiss: “In Georgien sind in der Nacht Dutzende Oppositionelle festgenommen worden”. Seltsam absolute Aussagen, denn zum Beispiel die BBC sagt nur “die Opposition behauptet”. Es scheint also nicht einfach nachprüfbar zu sein. Am Anfang von Saakaschwili Karriere hätte man bestimmt mit mehr Verständnis für die Regierungsposition berichtet. Er scheint sehr viel Goodwill verspielt zu haben. Bushs “Beacon of Freedom” scheint nicht mehr ganz so hell zu strahlen.
Es ist schwer zu sagen ob die Geschichte mit den Verhaftungen stimmt. Sie scheint mir plausibel aber sie ist anscheinend nicht wirklich überprüfbar. Es sieht auf jeden Fall so aus, als ob der Druck auf Saakaschwili aus dem In- und Ausland kontinuierlich steigt und der Krieg mit Russland alles andere als seine Position gefestigt hat (der Unmut wuchs schon vorher). Interessant wird es, wenn die Zeit kommt, wo Saakaschwili abtreten muss, sei es weil seine reguläre Amtszeit zu Ende ist, er eine Wahl verliert oder weil der Druck zu gross wird. Dann wird man vermutlich besser einschätzen können, wie die politische Zukunft Georgiens aussehen wird.
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