Bei wie vielen Institutionen wurde das statuarisches Ziel im Verlaufe ihrer Existenz nahezu ins Gegenteil geändert? Dieses Kunststück hat der Internationale Währungsfonds (IWF) in den 70er Jahren fertig gebracht. In den letzten Jahren erneut unter voreiligen Berichten zu seiner Irrelevanz leidend, erleben wir nun erneut eine Renaissance des IWF.
Bevor ich anfange, möchte ich noch etwas Hintergrundinformation zur obskuren Institution Währungsfonds geben: Der IWF wurde 1944 am Ende des Zweiten Weltkrieg im Doppelpack mit der Weltbank gegründet. Der Vertrag wurde in Bretton Woods in New Hampshire in den USA unterschrieben, daher wird das Duo auch häufig als Bretton Woods System bezeichnet. Die beiden Institutionen sollten den Wiederaufbau des internationalen Wirtschaftsystems begleiten. Der nun wieder in Mode kommende Ökonom John Maynard Keynes war übrigens massgeblich an den Verhandlungen beteiligt und eine treibende Kraft dahinter.
Die Weltbank sollte grosse Infrastrukturprojekte durch Kredite an Staaten finanzieren helfen. Der IWF sollte die Stabilität der Wechselkurse sicher stellen. Dies wurde als notwendig erachtet um den Handel anzukurbeln. Der Gedanke dahinter ist, dass wenn es quasi ‘garantiert’ ist, dass der Wechselkurs fix bleibt, dann fällt das Risiko der Schwankungen weg (und entsprechende Verluste und Gewinne) und dies ist theoretisch dem Warenaustausch über Grenzen förderlich.
Diese Stützung sollte wie folgt funktionieren: Wie man weiss, können Währungen gehandelt werden wie Waren. Angebot und Nachfrage bestimmen so den ‘Preis’ (welcher in diesem Fall der Wechselkurs zwischen zwei Währungen ist). Sollte nun eine Währung fallen (also billiger werden oder einen ‘sinkenden Preis’ haben) kann das betroffene Land beim IWF Kredite aufnehmen, damit seine Währung aufkaufen und die Nachfrage für die eigene Währung erhöhen und so den Preis stabilisieren (zumindest in der Theorie).
Woher kommt aber all das Geld? Jedes Mitglied zahlt einen jährlichen Mitgliederbeitrag ein. Entsprechend dieses Beitrages hat man dann ein Stimmrecht im IWF. Nun gibt es bekanntermassen nichts umsonst. Neben dem üblichen Verzinsen eines solchen Kredites, ist der Geldverleih auch an Bedingungen geknüpft. Dieses waren oft einschneidende Massnahmen im klassischen Hoheitsbereich der Nationalstaaten. Diese Bedingungen waren häufig so streng, dass viele Länder nicht um Kredite anfragten, weil sie sich vor dem Stigma fürchteten. Eine Anfrage um Kredite bedeutet in dieser Logik, dass der Bittsteller wohl schon auf den Knien sein muss, sonst würde er sich das nicht antun.
Der IWF war so organisiert, dass im Zentrum der US Dollar stand. Dieser wiederum wurde von den USA autonom mit Gold gedeckt. Dies reflektiert die Position der US am Ende des zweiten Weltkrieges und schaffte das Problem, dass das ganze Kartenhaus auf dem US Versprechen der Golddeckung errichtet wurde. Dieses Kartenhaus brach dank der US Geldpresse (die nicht zuletzt wegen dem Vietnamkrieg auf Hochtouren lief) in den 70er Jahren zusammen und 1976 war das Credo plötzlich: Der IWF muss die Flexibilität der wichtigsten Währungskurse überwachen.
Hatte der IWF am Anfang zu wenig Geld, war später und besonders seit der Asienkrise 1997 eher das Gegenteil der Fall. Nicht zuletzt wegen der strengen auferlegten Bedingungen und dem Scheitern des IWF die Krise aufzuhalten, wurde der Bittgang zum Fonds immer seltener. Doch die jüngste Krise hat plötzlich wieder das Scheinwerferlicht auf den Währungsofnds gerichtet: Mexiko beantragte einen grösseren Kredit, man möchte dem IWF eine wichtige Rolle im Lösen der aktuellen Krise zugestehen und die Mittel sollen aufgestockt werden.
Der IWF wurde viel kritisiert er sei ein Instrument der reichen Länder um ärmeren Ländern eine Politik aufzuzwingen. Nun stehen die Industrienationen plötzlich auch in der Schlange an. Ein Effekt davon scheint zu sein, dass die Bedingungen gelockert werden. Da gibt es zum Beispiel die Special Drawing Rights (Sonderbehiehungsrechte), die aufgestockt werden sollten, Geld das schnell den Ländern zur Verfügung steht (es ist falls freigegeben Teil ihrer Währungsreserven und wird nicht als Kredit vergeben). Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, dass diese Rechte proportional zu den eingezahlten Beträgen ist. Auch sind die Bedingungen für Industrienationen weniger strikt für Kredite. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Es haben sich auch Dinge in der Dynamik verändert: China mit seinen gigantischen Währungsreserven tritt mit neuer Selbstsicherheit auf. Die Aufstockung der Gelder müsste mit einer Neuverteilung des Stimm- und der Bezugsrechte einhergehen (die Schweiz hat schon Interesse angemeldet).
Wie auch immer die Geschichte ausgehen wird, der IWF fängt nun vermutlich sein drittes Leben an. Der Währungsfond illustriert ein Phänomen in den Internationalen Beziehungen damit äusserst gut: Einmal gegründete Organisationen verschwinden nicht. Ihre Ziele werden vielleicht um 180 Grad verdreht. Vielleicht werden sie in eine Nachfolgeorganisation übergeleitet (wie der Völkerbund nach dem Zweiten Weltkrieg). Aber sie verschwinden nicht.
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