Die traditionellen Medien versuchen sich gegenseitig mit Updates wo die neusten Kranken gemeldet wurden zu überbieten. Es werden Massnahmen ergriffen und erwogen und Schreckenszenarien gemalt. Ein paar Gedanken zur Politik rund um die Schweinegrippe.
Zuerst ein paar allgemeine Feststellungen zur Datenlage. Ich empfehle als Informationsquelle die viel unaufgeregteren Beiträge in diversen Wissenschaftsblogs. Obwohl sich die Einträge in der Regel auf traditionelle Kanäle stützen, scheinen sie die Fragen mit mehr Besonnenheit anzugehen (unter anderem wohl weil sie nichts verkaufen müssen). Ausgangspunkt auf Deutsch wäre da der heutige Artikel von Tobias zu erwähnen und eine gute Linksammlung bei Plazeboalarm. Ein soziolgischer Blick kann bei homo sociologicus gefunden werden. Zusammenfassend kann man im Moment sagen, dass sehr wenig Information gesichert ist und das bestimmt in unzähligen Labors daran gearbeitet wird, dies zu ändern. Das meiste im Moment beruht auf Vermutungen und Ableitungen.
Mir sind einige Dinge aufgefallen beim Mitverfolgen dieser Geschichte über das Wochenende und möchte ein paar dieser Gedankenfragmente zur Schweinegrippe Politik und die Rolle der Medien hier im Blog festhalten.
Die Medien und die Zwänge der Politik scheinen eine Panikspirale zu generieren. Die magere Datenlage hat zur Folge, dass es nicht sehr viel zu berichten gibt. Also befragt man Experten und Spezialisten zu was es bedeuten könnte und entwirft in erster Linie Szenarien, deren News-Wert direkt proportional zur Düsterkeit steht. Ist die Öffentlichkeit einmal beunruhigt, müssen Politiker Aktivität zeigen (man erinnere sich an gewisse Vogelgrippe Massnahmen). Dies verstärkt aber nur die Verunsicherung.
Experten warnen schon lange, dass eine ernste Pandemie kommen wird. Darum hat man versucht Frühwarnsysteme einzurichten. Solche sind so gestaltet, dass sie schon bei ersten Indikatoren Alarm schlagen (‘früh’ eben). Das bedeutet auch die Möglichkeit eines Fehlalarms. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir noch nicht wissen, warum das System einen Alarm ausgelöst hat.
Ein weiterer Effekt davon ist, wenn dieser Apparat mal in Bewegung ist, werden die Fälle zwangsläufig mehr und zwar weil sie statistisch nun plötzlich wahrgenommen werden. Viel mehr Menschen werden mit ihrem Husten zum Arzt gehen, Fälle werden konsequenter gemeldet und die Medien berichten über Grippefälle, die häufig gar nicht bestätigt sind. Dies wiederum rückt die Grippe noch näher. Husten Sie schon?
In vielen Medien wird mit Analogien zur Spanischen Grippe 1918/19 operiert. Dies passiert meist suggestiv und wird nicht explizit analysiert. Es scheint als ob vor allem junge Gesunde der Grippe zum Opfer gefallen sind in Mexiko was eine Parallele wäre. Wir wissen es aber nicht, da der Virus bei der Mehrheit nicht nachgewiesen wurde und es könnte sich gar nur um eine selektive Wahrnehmung handeln. Oder es wird erwähnt, dass es sich um die H1N1 Variante handelt, wie damals. Dies ist korrekt, doch ein grosser Teil der Grippefälle in den letzten Jahren ebenfalls. Zweifelsohne sind das berechtigte Fragen, aber man sollte auch transparent sein betreffend was man nicht weiss. Ausserdem könnte man auch erwähnen, dass die Situation wesentliche Unterschiede zur damaligen Situation aufzeigt: Frühwarnsysteme, Ernährung (es war schliesslich am Ende des Ersten Weltkrieges), Medikamente, ärztliche Versorgung, Kommunikation, etc. Parallelen sind in Ordnung, aber deren Grenzen müssen auch aufgezeigt werden, will man nicht nur Angst machen.
Diese Dynamik schafft wie schon erwähnt Angst und Verunsicherung. Die Datenlage ist im Moment noch eher dünn (wissenschaftlich fundiertes braucht nunmal Zeit) die Spekulationen schiessen ins Kraut. Ideale Voraussetzungen für Verschwörungstheoretiker, deren Fantasie und Suggestionswillen kaum Grenzen kennt. Gleich wird behauptet, dass der Virus vermutlich ‘aus einem Labor stammen muss‘. Woher diese Gewissheit? Weil der Virus eine Kombination von Viren zu sein scheint, die in Vögeln, Schweinen und beim Menschen vorkommen. Das dies ein bekannter biologischer Prozess ist, wird einfach ignoriert. Die Schlussfolgerung steht am Anfang des Gedankens. Der Frankenstein-Diskurs tut wohl bei den weniger informierten Leserinnen und Leser das seine. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis jemand in der Krankheit eine Strafe Gottes sieht (für ein ausgewähltes Übel nach Wahl).
Einige Länder haben die Einfuhr von Schweinefleisch aus Mexiko untersagt (z.B. Indonesien, China, Russland), obwohl sich das Virus so nicht überträgt. Es wäre interessant zu sehen, ob diese Länder dies tun, weil sie irrational handeln, weil sie Aktivismus vorschützen möchten oder ob sie ihren Schweinefleischproduzenten einen Gefallen tun (dazu müsste man sich wohl die Import-Statistiken anschauen).
Etwas weniger Sensation und etwas mehr Zurückhaltung würde wahrscheinlich viele dieser Phänomene etwas abschwächen. Zum Glück gibt es Wissenschaftsblogs während wir darauf warten mehr zu wissen.
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