Wie soll ein optimaler Wahlbezirk aussehen? Die Antwort hängt stark davon ab, für wen dieser ‘ideal’ sein soll. Die Interessen einzelner Parteien und des Wählenden sind da nicht unbedingt deckungsgleich. Solche Bezirke können die bizzarsten Formen annehmen.
In den USA heisst diese Strategie ‘Gerrymandering’. Der Ausdruck geht auf den Gouverneur Elbridge Gerry zurück, der sich 1812 einen Wahlkreis masschneiderte, der einem zeitgenössischen Karrikaturisten als Salamander erschien und unter dem Titel Der Gerry-Mander erschien. Daraus entstand dann Gerrymandering (mit einem weichen G gesprochen).
Wie funktioniert ein solches Anpassen? Die Grenzen der Bezirke werden in regelmässigen Abständen neu gezogen. Wenn man Daten über typisches Wahlverhalten besitzt (und moderne Technologie erleichtert dies zusätzlich) kann man sich einen fast ‘sicheren’ Sitz zusammenschustern. Dies hat einen bedeutenden Einfluss auf das Ergebnis. Ein Zahlenbeispiel illustriert das:
Kaliforniens 38. Wahlkreis
Man stelle sich drei Bezirke vor mit im ganzen neun Wählenden. Vier sind Anhänger der Ping-Pong Partei und fünf der Pogo-Partei. Diese Wahlkreise können frei bestimmt werden, die einzige Bedingung ist, dass man in jedem Bezirk drei Wählende hat und drei Sitze vergeben werden. Kann die Ping-Pong Partei frei bestimmen, wird sie die Wahlkreisgrenzen so ziehen, dass ihre vier Anhänger gleichmässig auf zwei Bezirke verteilt werden. Das Resultat ist, dass sie zweimal mit 2-1 einen Sitz gewinnen wird und einen mit 0-3 Stimmen verlieren. Trotz einer Mehrheit von fünf zu vier für die Pogo Partei wird die Pogo-Partei im Parlament mit zwei zu einem Sitz in der Minderheit sein. Entscheidet jedoch die Pogo Partei, wird sie die Grenzen so bestimmen, dass die Ping-Pong Wählerinnen und Wähler so verteilt sind, dass sie selbst mit zwei Sitzen ins Parlament einzieht und die Ping-Pong Partei das einsehen hat.
Kaliforniens 11. Wahlkreis
Man kann also in einem homöopathischen Ansatz die Stimmen des Gegners ‘verdünnen’ in dem man sie verteilt (wie im obigen Beispiel). Oder um das Glas als halb leer zu betrachten, möglichst viele Stimmen des Gegners in einem Wahlkreis ‘wegwerfen’ und diesen einen Sitz aufgeben und somit die Wirkung der Stimmen dort verpuffen lassen. Man kann verschiedene Abgeordnete der Gegner aufeinander hetzen, wenn sie den Wohnsitz im eigenen Wahlkreis haben müssen (nur ein Umzug kann dann noch den Bruderkrieg vermeiden).
Es gibt auch die kooperative Variante dazu, wenn man sich so abspricht, dass jedem sein Sitz zugestanden wird und beschliesst, sich nicht gegenseitig auf die Füsse zu treten (in einer gemischten Kommission haben alle ein Interesse an einem solchen Vorgehen). Die verschiedenen Strategien kann man auf Englisch zusammenfassen unter ‘Packing and Cracking’ (zusammenpacken und auseinanderbrechen). Wie man sich vorstellen kann, ist Gerrymandering vor allem in einem Zwei-Parteien-System eine grosse Versuchung, insbesondere wenn es nur eine Person pro Wahlkreis mit einfachem Mehr zu wählen gibt (First past the post).
Illinois 4. Wahlkreis (auch ‘Ohrenwärmer’ genannt)
Das Problem mit diesen gratis Sitzen liegt darin, dass es keinen Wettbewerb mehr gibt um diese. Ein Phänomen, das man auch von Staaten kennt wo eine Partei so dominant ist, dass der Wahlkampf vielerorts eigentlich in der parteiinternen Vorausscheidung stattfindet (man denke an die PRI in Mexiko oder wenn mir diese Bemerkung erlaubt sein soll, die CSU in Bayern).
Kaliforniens 23. Wahlkreis (Vorteil: Alle Wählenden können anlässlich einer Fahrt am Strand besucht werden)
Was kann man dagegen unternehmen? Man kann objektive Kriterien für Wahlkreise festlegen. Man kann mehrere Personen in einem Bezikr zur Wahl stellen und einen Wahlproporz einrichten. Die Wahlkreisbestimmung kann an eine neutrale Organisation ausgelagert werden. Man kann einfach damit aufhören, die Grenzen regelmässig neu zu bestimmen. Es mangelt nicht an Möglichkeiten. Das Hauptproblem ist, dass diejenigen, die diese Reformen einleiten sollten, meist auch jene sind, die vom status quo profitieren.
Wenn sich nun jemand gefragt hat, wie ich überhaupt dazu komme, plötzlich über Gerrymandering zu schreiben: Ohio hat einen Wettbewerb ausgeschrieben um die Wahlkreis neu zu definieren (via Monkey Cage). Wie einer der Kommenatoren auf The Monkey Cage treffen bemerkt: Es juckt direkt in den Fingern, Wahlkreisgrenzen zu ziehen, die das schrägste Resultat produzieren.
Quelle: Alle Bilder von Wikimedia Commons
Edit: Ich habe ‘Distrikt’ mit ‘Wahlkreis’ und ‘Bezirk’ ersetzt. Man versucht schliesslich Deutsch zu schreiben.
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