Vielleicht haben einige Lesende hier die Geschichte der Aberkennung des hessischen Kulturpreises mitverfolgt, ich bin erst heute über die Meldung gestolpert. Zuerst schien alles nach Friede-Freude-Eierkuchen, doch dann veröffentlichte einer der designierten Preisträger eine Besprechung eines Bildes und dann war plötzlich vorbei mit Toleranz.
Eigentlich hätte der renommierte Preis an Salomon Korn von der jüdischen Gemeinde in Frankfurt, Karl Kardinal Lehmann, den Bischof von Mainz, den evangelischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker und an Fuat Sezgin, Gründer des Instituts für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften gehen sollen. Aus irgendeinem Grund lehnte Sezgin nachträglich ab und man wollte stattdessen den Schrifsteller Navid Kermani ehren.
Dieser schrieb in der Neuen Zürcher Zeitung vom 14. März dieses Jahres eine Besprechung von Guido Renis Kreuzigung (siehe Bild). In diesem Artikel stellte Kermani Überlegungen zum Kreuz und dessen Symbolik an. Mir ist damals, als ich den Artikel gelesen habe, nichts schockierendes aufgefallen und ich konnte auch jetzt bei einem zweiten Durchlesen nichts anstössiges entdecken.
Ganz anders anscheinend bei Bischof Lehmann. Dieser hat offensichtlich einen Brief an die Staatskanzlei verfasst, in dem er gemäss NZZ bekannt gab, dass er nicht mit Kermani auftreten könne, da der Artikel anscheinend schockierend religiös intolerant sei. Worauf Kermani der Preis wieder aberkannt wurde. Dies illustriert gut, was ich auf diesen Seiten schon öfters behauptet habe: Das Problem mit Religion im allgemeinen und Glauben im speziellen ist, dass immer irgendwer irgendwie sich zutiefst beleidigt fühlen wird und zwar aufgrund von etwas, dass für Aussenstehende nur rätselhaft sein kann. Anscheinend wollte Lehmann gegenüber der NZZ nicht erläutern, mit welchen Passagen er genau ein Problem hatte. Die Beleidigung darf nicht vom vermeintlich beleidigten definiert werden.
Als sich das Land Hessen endlich zu einer Pressemitteilung bequemte, wurde auch eine Begründung angegeben und folgendes Zitat angeführt:
Kreuzen gegenüber bin ich prinzipiell negativ eingestellt. (…) Es ist eine Absage. Gerade weil ich es ernst nehme, lehne ich das Kreuz rundherum ab. Nebenbei finde ich die Hypostasierung des Schmerzes barbarisch, körperfeindlich, ein Undank gegenüber der Schöpfung (…) Ich kann im Herzen verstehen, warum Judentum und Islam die Kreuzigung ablehnen. Sie tun es ja höflich, viel zu höflich, wie mir manchmal erscheint. (…) Der Koran sagt, dass ein anderer gekreuzigt worden sei. Jesus sei entkommen. Für mich formuliere ich die Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung und Idolatrie. (…)
Es wird unterschlagen, dass Kermani dem Symbol und dem christlichen Glauben im gleichen Artikel sehr viel Sympathien entgegenbringt (“Erstmals dachte ich: Ich – nicht nur: man -, ich könnte an ein Kreuz glauben.”) Aber wenn es nunmal um liebgewonnene Wahrheiten geht, an die man glauben muss und nicht belegen kann, dann erübrigt sich anscheinend jeder Dialog. Alleine schon in Frage stellen einer Idee ist anscheinend schon beleidigend.
Wirklich zur Farce verkommen ist die Geschichte jedoch, als die Politik reagierte und den Preis Kermani aberkannte. Damit desavouierten sich die Entscheidungsträger und es wurde klar, von welcher Warte aus man denn diesen ‘interreligiösen Dialog’ führen möchte. Wenn der Schiedsrichter Partei ist, muss man nicht auf Ausgeglichenheit hoffen. Die NZZ hat inzwischen einen offenen Brief an den Ministerpräsdienten von Hessen verfasst und verlangt Klärung.
Ich frage mich, was man sich unter interreligiösen Dialog und Toleranz vorstellt. Sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und nur loben ist wohl was gemeint war, doch ob das als Dialog und Toleranz durchgehen kann? Inzwischen hat man die Preisverleihung verschoben und wird sich vielleicht doch noch finden. Kermani äusserte sich übrigens in der FAZ zum Thema.
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